Hessen Gema-Streit: "Stille Nacht" auf Weihnachtsmärkten?
Hessische Weihnachtsmärkte werden zur Kasse gebeten. Die Gema verlangt teilweise das 40-Fache im Vergleich zu den vorherigen Jahren.
Da ist nicht nur die Überraschung groß gewesen: Die Stadt Hanau hat für ihren Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr eine mehr als zehnmal so hohe Rechnung von der Musik-Verwertungsgesellschaft Gema erhalten wie in den Jahren zuvor.
Die Stadt sollte mehr als 18.000 Euro zahlen, wie ein Sprecher mitteilte. Die Musik auf künftigen Märkten abzudrehen, sei für Oberbürgermeister Claus Kaminsky jedoch keine Option. "Einen Weihnachtsmarkt ohne 'Oh du Fröhliche' wird es in Hanau nicht geben", betonte er. "Wir lassen uns die Weihnachtsstimmung auf dem Weihnachtsmarkt von der Gema nicht kaputtmachen."
Bundesweit etwa 35 Städte betroffen
In Hessen wurden im vergangenen Jahr 71 Weihnachtsmärkte mit mindestens drei Tagen Veranstaltungszeitraum lizenziert, wie die Gema auf Anfrage angab. Bei neun Märkten gab es demnach Korrekturen in der Rechnung, drei Städte reklamierten. Bundesweit sind laut der Verwertungsgesellschaft etwa 35 Städte von deutlich erhöhten Rechnungen betroffen gewesen.
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Gema: Daran liegt der Kostenanstieg
Dabei hat sich an den Tarifen und Gebühren der Gema kaum etwas geändert. Für ihre Berechnungen beruft sich die Verwertungsgesellschaft auf die gesamte Veranstaltungsfläche, wie sie auf ihrer Internetseite erklärt. In der Vergangenheit sei das jedoch kaum überprüft worden.
Der Gema zufolge wurde die Musik auf Basis der von den Kunden gemeldeten Nutzungsflächen lizenziert. Nach der Corona-Pandemie seien jedoch bei Nachmessungen zum Teil deutliche Diskrepanzen festgestellt worden. Der Kostenanstieg hängt demnach nicht mit neuen Tarifen zusammen, sondern mit der konsequenten Anwendung der bestehenden Tarife.
Das Ende der Livemusik?
Auch in Frankfurt war die Rechnung saftig: "Für das Jahr 2022 erhielten wir eine Nachberechnung der Gema von über 40.000 Euro", teilte der Veranstalter mit. "Im Jahr 2019 zahlten wir vergleichsweise noch unter 1.000 Euro." Für den diesjährigen Weihnachtsmarkt sei dennoch ein musikalisches Programm geplant. Es werde auf eine Einigung mit der Gema gehofft. Sollte dies nicht der Fall sein, könne es noch Absagen geben. "Am Ende leiden neben dem Publikum auch Künstler, deren Auftragsvolumen gemindert wird und damit auch ihr Einkommen."
Es werde sich zeigen, ob die Gema für das Jahr 2023 ebenso immense Nachzahlungen erheben werde. "Sollte dies der Fall sein, werden wir genau eruieren, ob es Sinn macht, mehr Gema als Gage für ein Konzert zu zahlen", sagte die Sprecherin der Veranstaltung. "Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet dies das Ende der Livemusik auf städtischen Festen."
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"Paradoxe Situation": Stadt zahlt mehr an Gema als an Künstler
In Fulda seien die Gebühren für den Weihnachtsmarkt 2022 "extrem hoch" gewesen, hieß es seitens der Stadt. Der Grund auch hier: "Die Gema legt für ihre Gebührenberechnung die gesamte Weihnachtsmarktfläche zugrunde, die Lautsprecherverstärkung der Musik erfasst aber nur den Bereich vor der Bühne", sagte eine Sprecherin. Ihrer Meinung nach wäre es sinnvoll, nur die beschallten Flächen einzubeziehen.
"Bei den aktuellen Zahlen haben wir zudem die paradoxe Situation, dass wir viel mehr an die Gema zahlen als an die Vereine und Künstler, die tatsächlich auf der Bühne auftreten", betonte sie. "Das kann nicht im Sinne der Kultur- und Vereinsförderung sein." Trotzdem werde es für den Weihnachtsmarkt 2023 in Fulda zunächst keine Veränderungen geben. Wetzlar dagegen plant nach Angaben der Stadt insgesamt mit weniger Musik, "um die Kosten im Griff zu halten".
Deutscher Städtetag mit Gema im Gespräch
Der Deutsche Städtetag hat auf die Situation reagiert und das Gespräch mit der Verwertungsgesellschaft gesucht. "Uns wurde zugesagt, dass die Gema auf die Städte mit signifikant höheren Rechnungen zugehen wird, um Lösungen dafür zu finden", teilte der Deutschen Städtetag mit. Gema-Sprecherin Ursula Goebel bestätigte: "Mit einigen wenigen Kunden stehen wir noch im Austausch, um eine für beide Seiten angemessene Lösung zu finden."
- Nachrichtenagentur dpa