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Urteil im Korruptionsprozess: Awo wollte sich Feldmanns Wohlwollen sichern


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Urteil gegen Frankfurts Ex-Oberbürgermeister
Awo wollte sich Feldmanns Wohlwollen sichern


23.12.2022Lesedauer: 3 Min.
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Peter Feldmann vor Gericht: Der SPD-Politiker wurde im November in Frankfurt durch einen Bürgerentscheid abgewählt. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa)

Im Korruptionsprozess gegen Frankfurts abgewählten Oberbürgermeister Peter Feldmann hat das Gericht entschieden: Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

"Ist es tatsächlich so, dass man sich so einfach strafbar machen kann? Ja, es ist so einfach." Mit diesen Worten begründet der Vorsitzende Richter Werner Gröschel am Freitag das Urteil gegen Peter Feldmann. Das abgewählte Stadtoberhaupt wurde vom Landgericht Frankfurt zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 175 Euro verurteilt, also zu insgesamt 21.000 Euro. Außerdem muss er einen Wertersatz in Höhe von knapp 6.000 Euro leisten. Die Staatsanwaltschaft hatte 180 Tagessätze zu je 175 Euro gefordert, die Verteidigung Freispruch.

Feldmann war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, er habe sich von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) vor deren Karren spannen lassen und sei bereit gewesen, sich als Politiker dem Sozialverband gegenüber wohlwollend zu verhalten. Im Gegenzug gewährte der Verband Vorteile, unter anderem einen überbezahlten Job für die damalige Freundin und spätere Frau Feldmanns an der Spitze einer neu geschaffenen deutsch-türkischen Kita der Awo in Frankfurt.

Zunächst war nicht sicher gewesen, ob Feldmann selbst bei der Urteilsverkündung anwesend sein würde: Eigentlich wollte er am Freitag in den Urlaub fahren. Doch um 10 Uhr sitzt er auf der Anklagebank in Begleitung seiner beiden Anwälte. Beim letzten Verhandlungstermin hatte er erneut seine Unschuld beteuert und einen Freispruch gefordert: "Ich habe in keine Kasse gegriffen, und ich bin nicht korrupt."

Richter wollte sich Wohlwollen Feldmanns sichern

Doch das Gericht befindet Feldmann in insgesamt zwei Fällen der Vorteilsannahme für schuldig. Frankfurts ehemaliges Stadtoberhaupt nimmt das Urteil regungslos entgegen: Mit gezücktem Stift verfolgt er die Urteilsverkündung, ab und zu ein ungläubiges Kopfschütteln.

Die damals als Sonderbeauftragte bei der Frankfurter Awo tätige Hannelore Richter habe Feldmann mehrmals "angefüttert", um sich dessen Wohlwollen zu sichern, sagte Gröschel in der Urteilsbegründung. Dies sei Feldmann bekannt gewesen. Dafür habe es keine andere Erklärung gegeben, als dass er Oberbürgermeister war.

Gröschel führte hierzu eine Zusage an, den früheren Awo-Mitarbeiter Feldmann wieder einzustellen, sollte er nicht zum OB gewählt werden. Diese Rückkehrerklärung wertet das Gericht als klaren Beweis: Feldmann habe darauf keinerlei Anspruch gehabt. Auch die Einstellung seiner damaligen Freundin Zübeyde Temizel als Leiterin der Kita Dostluk ohne ausreichende Qualifikationen wertet das Gericht als klaren Beweis: Da Temizel zu diesem Zeitpunkt über wenig Berufserfahrung verfügte, geht das Gericht davon aus, dass Hannelore Richter sich mit der Einstellung die Gunst Feldmanns sichern wollte.

"Sie wussten, dass Frau Richter kein Risiko scheut", sagt Gröschel zu Feldmann. Hinter der Einstellung habe mehr als bloße Sympathie zu seiner damaligen Freundin gesteckt. Letztendlich gehe es dem Vorsitzenden Richter zufolge um die Frage nach dem Warum. Denn: Die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme hängt nicht davon ab, ob der Amtsträger, dem diese vorgeworfen wird, tatsächlich eine Gegenleistung erbracht hat. Laut Paragraf 331 des Strafgesetzbuches reicht es bereits aus, dass der Anschein der Käuflichkeit entsteht. Eine klare Begünstigung der Awo durch Feldmann konnte nicht nachgewiesen werden.

Zudem sammelte Hannelore Richter Spenden für die Wiederwahl Feldmanns als OB im Jahr 2018. Als Motivation dahinter sieht das Gericht, dass sich bereits damals Probleme der Awo mit der Stadt Frankfurt im Zusammenhang mit Kosten für die Flüchtlingsunterbringung abgezeichnet hätten. Schon zwei Tage nach Amtsantritt habe Richter sich deshalb an Feldmann gewandt und um ein Treffen gebeten, so Gröschel.

Ihre dazu geäußerte Bemerkung, er solle am besten das Sozialdezernat an sich nehmen, sei "außerhalb jeglicher Normalität" gewesen. Feldmann sprach später die Sozialdezernentin an und forderte sie zu einer Einigung mit der Awo auf. Zudem sei fraglich, warum Richter Feldmann über den Stand der Spenden per SMS auf dem Laufenden hielt.

Legt Feldmann Revision ein?

Zum Abschluss geht der Vorsitzende Richter noch auf Feldmanns Aussage zu seinen privaten Verhältnissen ein: Feldmanns Anwalt hatte am zweiten Tag des Korruptionsprozesses im Auftrag seines Mandanten erklärt, dass es nur aufgrund der Schwangerschaft von dessen damaliger Lebensgefährtin überhaupt zu einer Eheschließung gekommen sei – Feldmann habe eine Abtreibung gewollt, sich aber nicht durchsetzen können. Das Paar lässt sich derzeit scheiden.

In seinem letzten Wort hatte sich Feldmann für diese Aussage erneut bei seiner heute sechsjährigen Tochter entschuldigt. Für das Gericht eine Verteidigung auf dem Rücken des eigenen Kindes: "Da kommt man schon ins Denken", sagt Gröschel. Die Schwangerschaft sei für den Prozess irrelevant gewesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Feldmann kann innerhalb einer Woche Revision gegen die Entscheidung des Gerichts einlegen. Bei mehr als 90 Tagessätzen gilt ein Verurteilter als vorbestraft, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Dieser Umstand könnte Feldmann laut eigener Aussage die Pension kosten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
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