"NSU 2.0"-Prozess Staatsanwaltschaft fordert siebeneinhalb Jahre Haft wegen Drohschreiben
Die Staatanwaltschaft hat keine Zweifel daran, dass Alexander M. die 81 Drohschreiben an Rechtsanwälte, Journalistinnen und Politikerinnen geschickt hat.
Im Prozess um die "NSU 2.0"-Drohschreiben hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft am Montag eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gegen den Angeklagten Alexander M. gefordert. Verurteilt werden soll er unter anderem wegen Beleidigung und versuchter Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung.
Oberstaatsanwalt Sinan Akdogan warf M. in seinem Schlussvortrag vor dem Landgericht vor, der Verfasser von insgesamt 81 Drohschreiben zu sein, die per E-Mail, Fax oder SMS an Rechtsanwälte, Politikerinnen, Journalistinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens gerichtet und mit "NSU 2.0" unterzeichnet waren. Auch Bombendrohungen gegen Gerichte habe M. versendet.
Es bestehe kein Zweifel daran, dass M. der Verfasser gewesen sei. Er habe personenbezogene Daten über die Opfer gesammelt und sich dafür unter anderem als Polizist ausgegeben. Es handele sich um einen hochintelligenten Täter, in dessen Wohnung unter anderem Bücher zu "Methoden der Manipulation" gefunden worden seien. M. hatte die Vorwürfe in dem Verfahren zurückgewiesen. Der Absender "NSU 2.0" spielt auf die rechtsextreme Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) an.
Haben die Ermittler umfangreich ermittelt?
Vor dem eigentlichen Plädoyer wies Akdogan Vorwürfe zurück, die Ermittler hätten nicht umfangreich ermittelt und weitere mögliche Verbindungen in ihre Untersuchungen einbezogen. Man habe unter Hochdruck gearbeitet, um die "unsägliche und schreckliche Drohserie" aufzuklären.
Der Vorwurf, dass nicht ausreichend ermittelt worden sei, wurde unter anderem von der Frankfurter Rechtsanwältin und Nebenklägerin Seda Başay-Yıldız erhoben, die ebenfalls bedroht worden war. Sie geht davon aus, dass das erste der Schreiben nicht vom Angeklagten, sondern von einem Frankfurter Polizisten versendet wurde.
Staatsanwalt kritisiert Verhalten von Alexander M.
Akdogan kritisierte das Verhalten von M. vor Gericht: "Wir haben viel von ihm erduldet. Der Angeklagte hat hier eine Bühne bekommen." Teilweise habe er sich aufgeführt wie ein "schlecht erzogenes Kind" – etwa als er am ersten Prozesstag Medienvertretern grinsend den Mittelfinger entgegengestreckt oder bei der Aussage eines Zeugen mit der Faust auf den Tisch geschlagen habe.
Staatsanwalt Akdogan erklärte, nachdem der Angeklagte in Berlin festgenommen worden war, habe die Drohserie mit der bis dahin verwendeten Mailadresse geendet. In seinem Plädoyer schilderte er, wie die Ermittler auf die Spur des Angeklagten gekommen waren. Auch Inhalt der Drohschreiben und seine Wirkung auf die Empfängerinnen und Empfänger beschrieb er ausführlich. M. habe alleine gehandelt. Gerade angesichts des großen Empfängerkreises und der Befürchtung, auch die Polizei könne involviert gewesen seien, seien die Schreiben stark belastend und teilweise traumatisierend gewesen.
- Nachrichtenagentur dpa