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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Fußball-Legende würde 80 Jahre alt "An Gott kommt keiner vorbei. Außer Libuda."
Mit dem Fuß am Ball war er ein Künstler, im Ruhrgebiet haben sie ihn auf Schalke und beim BVB geliebt – Reinhard "Stan" Libuda würde heute 80 Jahre alt.
Wenn die Fans von Borussia Dortmund einen Spieler genauso verehren wie die Anhänger des FC Schalke 04, dann muss er ein wirklich Großer des deutschen Fußballs sein. Reinhard "Stan" Libuda ist so einer – den BVB schoss er zum Europapokal-Triumph, Schalke führte er als Kapitän zum Pokalsieg. Die Verehrung seiner Dribbelkunst ist so legendär wie Libudas Technik selbst. An diesem Dienstag würde der begnadete Kicker, der mit nur 52 Jahren verstarb, 80 Jahre alt.
Auf einer Litfaßsäule mitten in Gelsenkirchen warben in den 1960er-Jahren Plakate für eine kirchliche Veranstaltung. "An Gott kommt keiner vorbei", war dort zu lesen. "Außer Libuda", kritzelten Fans des Fußballers darunter.
Ob die Geschichte so passiert ist, weiß niemand genau. Aber zum einen ist sie einfach zu schön, um falsch zu sein. Zum anderen macht sie deutlich, was für ein Jahrhunderttalent dieser Reinhard Libuda gewesen ist. Er besaß ein Ballgefühl wie kein Zweiter, war mit dem Fuß am Leder ein Künstler auf dem Platz. Wenn der eher schmächtige Mann mit der Rückennummer 7 seine gefürchteten Dribblings ansetzte, hallte es aus Zehntausenden Kehlen durch das Stadion: "Li-bu-da, Li-bu-da!"
Spielkünste brachten ihm den Spitznamen "Stan"
Seine überragende Spielkunst brachte dem Rechtsaußen auch den Spitznamen "Stan" ein. Stan wie Stanley, wie Sir Stanley Matthews. Jener nicht minder legendäre englische Spieler, dem die Fußballwelt den Matthews-Trick verdankt. Libuda zauberte ihn an guten Tagen wie kein Zweiter in Perfektion auf den Rasen – links antäuschen, rechts vorbeiziehen.
Als Genie am Ball verehrt, war Stan Libuda privat ein bescheidener Mann, der aus seinen Wurzeln nie einen Hehl machte. Ein einfacher Junge aus dem Kohlenpott, geboren 1943 als Bergmanns-Sohn und aufgewachsen im Gelsenkirchener Zechenviertel Haverkamp. 1952 streifte er erstmals das Trikot des FC Schalke 04 über und sorgte ab 1963 in der neuen Bundesliga für Furore. In der alten Glückauf-Kampfbahn dribbelte er sich ebenso schnell an seinen Gegnern vorbei wie in die Herzen der Fans hinein.
Für Schalke und den BVB aktiv
215 Spiele bestritt Stan Libuda insgesamt für "seine" Schalker, schoss dabei 28 Tore. Seinen berühmtesten Treffer aber erzielte der Rechtsaußen im Trikot von Borussia Dortmund, für die er zwischen 1965 und 1968 kickte. Am 5. Mai 1966 traf er im Endspiel um den Europapokal der Pokalsieger in Glasgow zum 2:1-Sieg über Liverpool. Seine Bogenlampe aus 30 Metern bedeutete den ersten Europacup-Triumph einer deutschen Mannschaft und wurde von den BVB-Fans auf Rang zwei der "Jahrhunderttore" gewählt.
Aus seiner Zeit bei der Borussia stammt auch eine Episode, die sein damaliger Mitspieler Aki Schmidt einmal erzählt hat und die den Fußballer Libuda treffend beschreibt: "Manchmal standen wir in der Mitte und kriegten den Ball nicht, weil Stan auf dem Flügel seinen Zirkus machte. Da konnte es schon mal vorkommen, dass er wartete, bis seine Gegenspieler wieder aufgestanden waren, damit er sie gleich noch mal ausspielen konnte."
Ab 1968 veranstaltete der heimatverbundene Libuda diesen Zirkus wieder für Schalke 04 und feierte auch hier Erfolge. 1972 führte der begnadete Dribbler, dem es auf dem Platz nur an der Konstanz mangelte, den Verein als Kapitän zum Pokalsieg.
Ende der Karriere im Jahr 1976
Auch sein größter Erfolg mit der deutschen Nationalelf, für die er in 26 Spielen dreimal traf, fällt in diese Zeit. 1970 landete Libuda mit Deutschland bei der WM in Mexiko auf Platz drei – ein Turnier, das der Rechtsaußen mit seinem Siegtor gegen Schottland in der Qualifikation erst möglich gemacht hatte. Bei der WM lieferte der damals 26-Jährige beim 5:2-Erfolg über Bulgarien das Spiel seines Lebens ab, steuerte ein Tor und zwei Vorlagen bei und soll Bulgariens Trainer Stefan Boskov zu dem Satz verleitet haben: "Diesen Mann kann man nur mit einer Flinte erlegen."
Stan Libudas Verwicklung in den Bundesliga-Skandal läutete 1972 das Ende seiner Karriere ein. Auch Schalke war damals in die manipulierten Spiele im Abstiegskampf verstrickt. Weil die Spieler ihre Bestechlichkeit hartnäckig leugneten, wurden sie auch noch wegen Meineides angeklagt. Vom DFB wurde Libuda zunächst lebenslang gesperrt, später aber begnadigt. Nach einer Saison in Straßburg kickte er so zwar noch einmal für Schalke, doch 1976 zog das Dribbelgenie endgültig das Trikot aus und sich selbst aus dem eher ungeliebten Rampenlicht zurück.
Sorgenvolles Privatleben
Die vielen Haken, die er einst auf dem Platz geschlagen hatte, sollten später auch sein Leben durchziehen. Private Probleme bis hin zur Scheidung, dazu Schulden und berufliche Sorgen bestimmten das Leben des schüchternen und oft melancholischen Privatmenschen Reinhard Libuda, der weiter im Arbeiterstadtteil Haverkamp lebte. Aber er nahm sein Schicksal an, stieg vom Porsche aufs Rennrad um und wuchtete in einer Papierveredlungsfirma Papierrollen.
1992 schlug das Schicksal wieder zu, als er an Kehlkopfkrebs erkrankte. Vier Jahre später, am 25. August 1996, verstarb Reinhard "Stan" Libuda an einem Schlaganfall.
- Eigene Recherchen
- spiegel.de: "Bluff am Ball"
- Fröhlich/Rath/Safft: "Elf unfassbare Fußballgeschichten. Teil 3", Books on Demand, Norderstedt