Wahlurnen in Deutschland In diesen Regionen überrollte Erdoğan seinen Herausforderer
Auf die Deutschtürken kann Erdoğan zählen. Im ganzen Land setzte er sich bei den Auslandstürken gegen seinen Herausforderer durch. Eine Region sticht hervor.
Bei der Stichwahl um das türkische Präsidentenamt hat eine deutliche Mehrheit der Wahlberechtigten in Deutschland für Recep Tayyip Erdoğan gestimmt – besonders hoch war die Zustimmung im Ruhrgebiet.
Wie aus Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntagabend hervorging, stimmten rund um Essen etwa 78 Prozent für Erdoğan, damit ist das Ruhrgebiet die Region Deutschlands mit der höchsten Zustimmung für den bisherigen türkischen Staatschef. Im ganzen Land stimmten 67,4 Prozent der Deutschtürken für Erdoğan.
Hohe Werte erhielt Erdoğan, der sich mit 52,14 Prozent knapp gegen Oppositionsführer und Herausforderer Kemal Kilicdaroglu durchgesetzt hatte, auch in Münster (74 Prozent), Düsseldorf, Regensburg und Kassel (jeweils 73 Prozent).
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In jeder Region des Landes lag Erdoğan beim Stand von rund 95 Prozent der ausgezählten Wahlurnen vorne. Auffällig niedrig fiel die Zustimmung für den autokratisch regierenden Machthaber jedoch in Berlin (50,75 Prozent), Frankfurt am Main (60 Prozent) Hamburg (61 Prozent) und München (63 Prozent) aus.
Unter den Millionen-Städten war Köln die einzige, in der es eine überdurchschnittliche Zustimmung für Erdoğan gab. In der Domstadt, am Montagmorgen bereits vollständig ausgezählt, stimmten 68,48 Prozent für die Wiederwahl Erdoğans.
Offizielle Zahlen der Wahlbehörde zum Ergebnis der Stichwahl in Deutschland lagen zunächst noch nicht vor. Mit den vorläufigen Zahlen schnitt Erdoğan bei den Wählerinnen und Wählern in Deutschland somit erneut deutlich besser ab als insgesamt. Im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte er bei den Deutsch-Türken 65,5 Prozent der Stimmen bekommen. Bei der Wahl 2018 waren es 64,8 Prozent gewesen.
"Wenn es um Emotionen geht, kann niemand gegen Erdoğan gewinnen"
Gökay Sofuoglu, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sagte, es sei ein hoch emotionalisierter Wahlkampf von beiden Seiten gewesen. "Und man weiß: Wenn es um Emotionen geht, kann eigentlich niemand gegen Erdogan gewinnen."
Dass Erdogan bei den Wahlberechtigten in Deutschland so gut ankommt, hat laut Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen vielfältige Gründe: Zum einen kommen viele Menschen, die im Zuge der Arbeitsmigration in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts nach Deutschland kamen, aus dem anatolischen Kernland. Dort herrschten konservativ-religiöse Lebensstile vor - die Wertvorstellungen seien an die nächsten Generationen weitergegeben worden, sagte Ulusoy.
Gerade bei der jüngeren Generation, die eigentlich komplett in Deutschland sozialisiert worden sei, gebe es zudem mitunter eine Trotzhaltung. Es seien teils verletzende Erfahrungen gemacht worden, dass Türke oder Moslem zu sein in Deutschland keine große Wertigkeit hätten, sagte Ulusoy. "Und dann kommt ein Präsident, der ihnen das Gefühl gibt, diese Wertigkeit anzuerkennen, ihre Zugehörigkeit zur Türkei zu betonen und nicht zuletzt auch ihre Emotionen, ihre Herzen anzusprechen. Und das gelingt Erdogan sehr, sehr gut."
Erdoğan verfügt über starke Organisation in Deutschland
Zudem verfüge Erdogan über eine schlagkräftige Organisationsstruktur in Deutschland, sagte er. "Die konservativen Milieus sind in Deutschland gut organisiert." In vielen Haushalten dominieren zudem türkische Medien – von denen ein Großteil von der Regierung kontrolliert wird. Bei den Wahlen in Deutschland habe er aber nichts mitbekommen, was bemerkbar unfair gewesen wäre, sagte Ulusoy. In den Wahllokalen sei die Oppositionspartei CHP überall vertreten gewesen. Es sei eine sehr friedliche Wahl gewesen, wenn man bedenke, wie politisch gespalten die türkische Gesellschaft sei.
Sofuoglu von der Türkischen Gemeinde in Deutschland sagte, was die Türkeipolitik angehe, gebe es eine gespaltene Situation in Deutschland. Jetzt freue er sich darauf, dass man sich wieder stärker auf Themen in Deutschland konzentrieren könne. "Wir haben hier sehr viele Themen, die wir gemeinsam angehen müssen, die uns alle betreffen", sagte er. Er verwies etwa auf den 30. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags von Solingen am Montag.
Außerdem gelte es zu analysieren, warum Türkeistämmige in Deutschland vermehrt Erdogan wählten, sagte Sofuoglu. Hier sei aber auch die deutsche Politik gefragt: "Wenn die Menschen so politikinteressiert sind – warum kann man sie dann nicht gewinnen für die politische Auseinandersetzung in Deutschland?", sagte er.
- hurriyet.com.tr (Türkisch): Cumhurbaşkanlığı Yurtdışı Seçim Sonuçları
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa