Erfurt Steigende Zahlen: Experte sieht neue Corona-Welle
Der Jenaer Intensivmediziner Michael Bauer sieht angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen eine sich aufbauende neue Corona-Welle. "Sie nimmt gerade Fahrt auf", sagte der Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Das könnte voraussichtlich die letzte große Welle sein, die über uns rollt - aber es wird noch einmal unnötige Todesfälle geben."
Auf den Intensivstationen lägen zunehmend jüngere Menschen, die schwer an Covid-19 erkrankt seien. "Wir haben 29- und 32-Jährige auf der Station." Am Klinikum Jena etwa seien alle schwer Erkrankten nicht gegen Covid-19 geimpft. "Der Unterschied zu Geimpften ist eklatant."
Für die Intensivstationen drohe eine weitere Pandemiewelle zu einer noch größeren Herausforderung als die vorherigen zu werden - vor allem weil wegen der extremen Belastung viele Pflegekräfte die Stationen verlassen hätten. "Das ist für uns ein ganz heißes Thema, wie wir nochmals Pflegekräfte gewinnen - sonst wird es auch eng bei anderen Diagnosen."
Thüringen gehört beim Impfen im deutschlandweiten Vergleich zur Schlussgruppe und inzwischen wieder zu den Bundesländern mit der höchsten Corona-Inzidenz. Am Freitag lag sie laut Robert Koch-Institut bei 89, nur Bremen (105,7) und Bayern (90,5) wiesen einen höheren Wert auf. Sowohl bei den Erstimpfungen als auch bei vollständig Geimpften lag Thüringen am Freitag auf dem vorletzten Platz.
Zugleich hat der wieder zunehmende Anteil von Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen dafür gesorgt, dass in weiten Teilen des Freistaats die erste oder zweite Warnstufe nach dem Corona-Frühwarnsystem gilt. Der Anteil dieser Patienten lag am Freitag bei 4 Prozent der betreibbaren Intensivbetten. 27 Covid-19-Kranke wurden auf Intensivstationen behandelt, 11 davon mussten invasiv beatmet werden.
In etlichen der von einer Warnstufe betroffenen Landkreisen gelten schon jetzt strengere Corona-Regeln. Die kreisfreie Stadt Gera kündigte an, dass eine neue Allgemeinverfügung am Montag in Kraft treten soll. Sie sieht unter anderem vor, dass Zutritt zu Innenräumen von Gaststätten, Thermen und Sporthallen nur noch Menschen haben, die geimpft, genesen oder getestet sind (3G-Regelung). Ähnliche Maßnahmen werden ab Montag im Landkreis Schmalkalden-Meiningen getroffen.
Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) machte darauf aufmerksam, dass sich zu starke Einschränkungen für Geimpfte nicht rechtfertigen ließen. Auch ein vorgeschriebenes 2G-Modell für manche Bereiche schloss sie nicht gänzlich aus. "Das wäre dann der Fall, wenn wir sehen, dass die Pandemie so stark das Gesundheitssystem belastet, dass eben keine andere Maßnahme an der Stelle mehr ausreichend wäre", sagte Werner.
Bisher können sich Betreiber von Diskotheken und Veranstalter entscheiden, ob sie von einem 2G- oder einem 3G-Plus-Modell Gebrauch machen. Vorgeschrieben ist eines der beiden Modelle aber nicht. Werner sagte, man denke darüber nach, ob man diese Optionsmodelle auch auf andere Bereiche überträgt. Eine Entscheidung gebe es noch nicht. Auf keinen Fall wolle man Familien zu stark damit belasten - etwa, weil diese beim Restaurantbesuch mit 3G-Plus-Modell dann spezielle Tests für die ungeimpften Kinder bräuchten. Daher suche man noch nach einem guten Weg.