Erfurt Einheitstag: Thüringen feiert und sorgt sich um Unterschiede
Zum 31. Tag der Deutschen Einheit haben Thüringens Politiker und Politikerinnen eine differenzierte Bilanz gezogen. Anlässlich des Feiertags forderte der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Mario Voigt, mehr Aufmerksamkeit für den ländlichen Raum im Osten Deutschlands. Die Themen des Ostens seien von der gesamtdeutschen Agenda verschwunden, so Dittes am Sonntag in Erfurt. Die kommende Bundesregierung müsse die Belastung der Menschen in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands ernst nehmen.
Zuvor hatte auch der Thüringer Linke-Fraktionschef Steffen Dittes gleichwertige Lebensverhältnisse für Ost und West gefordert. "Die politischen Fehler und strukturellen Versäumnisse des Einigungsprozesses vor 31 Jahren wirken bis heute nach", sagte Dittes. Den Osten prägten jahrelange Abwanderungsbewegungen, bis heute gebe es im Vergleich geringere Löhne bei längeren Wochenarbeitszeiten und eine höhere Armutsquote insbesondere im Alter. Die hohe Bereitschaft und das Engagement vieler Menschen im Osten, trotz aller Benachteiligungen Perspektiven zu entwickeln, verdiene Respekt, so Dittes.
"Seit dem 3. Oktober 1990 ist viel Gutes passiert, und das erkennen die Menschen im Osten auch an", sagte die Vorsitzende der Linke, Susanne Hennig-Wellsow. Es blieben aber große Lücken, "von gleichwertigen Lebensverhältnissen, wie sie die Verfassung aufgibt, kann überhaupt nicht die Rede sein", so die langjährige Partei- und Fraktionsvorsitzende in Thüringen.
Für AfD-Fraktionschef Björn Höcke ist Deutschland auch 31 Jahre nach der Wiedervereinigung "so zerrissen" wie nie zuvor. "Eine wirkliche deutsche Einheit - jenseits von phrasengeschwängerten Sonntagsreden - ist in weite Ferne gerückt", sagte Höcke.
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der am Ökumenischen Gottesdienst sowie am zentralen Festakt in Halle (Sachsen-Anhalt) teilnahm, hatte zum 31. Jahrestag der Wiedervereinigung zum Zusammenhalt aufgerufen. "Gegenwärtig drohen sich gesellschaftliche Gräben an manchen Stellen zu vertiefen, ja sich neu aufzutun", sagte Ramelow. Diese Gräben müssten gemeinsam zugeschüttet werden.
Auch an vielen Orten in Thüringen wurde der Tag der Deutschen Einheit am Sonntag begangen. Zahlreiche Gemeinden und Einrichtungen würdigten die Vereinigung des Landes vor 31 Jahren mit Veranstaltungen wie Andachten, Gottesdiensten, Konzerten, Lesungen, Festen und Wanderungen.
Im einst geteilten Dorf Mödlareuth an der Grenze von Bayern und Thüringen wurde im Deutsch-Deutschen Museum daran erinnert, dass das Dorf durch eine Mauer lange geteilt war und seit 1989 wieder geeint ist. Auch in der Landeshauptstadt Erfurt, aber auch in Eisenach, Jena und der Gedenkstätte Point Alpha zwischen Geisa in Thüringen und Rasdorf in Hessen, wurde der 31. Tag der Deutschen Einheit mit Gottesdiensten gewürdigt.
Man müsse aktuelle Tendenzen der Spaltung in der Gesellschaft erkennen und für Versöhnung und Gemeinschaftsbewusstsein eintreten, sagte der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer. Er rief dazu auf, auch heute Konflikte gewaltfrei zu lösen. Es sei wichtig, dass man im liebevollen Dialog bleibe, verschiedene Meinungen akzeptiere, immer die Menschenwürde des Anderen im Blick behalten und Lösungen zum Wohle aller suche.
Nach einer friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 hatte sich der ostdeutsche Staat am 3. Oktober 1990 mit der Bundesrepublik vereinigt. "In Thüringen erinnern auch heute noch Orte, Mahnmale und zum Glück auch viele Zeitzeug*innen an die vier Jahrzehnte dauernde Teilung", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich. Doch auch nach mehr als 30 Jahren sei der "durchaus auch schmerzhafte Vereinigungsprozess" noch nicht abgeschlossen.
"Die Deutsche Einheit ist Grundlage unserer Demokratie", sagte Landtagspräsidentin Birgit Keller. Seit 31 Jahren wachse zusammen, "was zusammengehört". "Was wir in 31 Jahren geschafft haben, kann uns stolz machen", so Keller.
Nach Sachsen-Anhalt wird 2022 Thüringen den Tag der Deutschen Einheit ausrichten und in Erfurt Gastgeber der zentralen Feierlichkeiten zum 3. Oktober sein. Diese werden jedes Jahr von dem Bundesland ausgetragen, das gerade die Präsidentschaft im Bundesrat, also der Länderkammer, hat.