Arbeitnehmervertreter Thyssenkrupp will Stahl-Bereich verkleinern - Stellenabbau
Auf die Ankündigung eines Produktionsabbaus in Duisburg haben Politik und Wirtschaft besorgt reagiert. Völlig unerwartet kamen die Pläne allerdings nicht.
Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel will seine Produktionskapazitäten in Duisburg deutlich verkleinern. Damit werde auch ein Arbeitsplatzabbau verbunden sein, teilte das Unternehmen am Donnerstagabend mit. Wie viele Stellen betroffen sein könnten und wann der Umbau beginnen soll, ist offen. In der Sparte des Thyssenkrupp-Konzerns arbeiten rund 27.000 Menschen, davon 13.000 in Duisburg. Bis Ende März 2026 gilt eine Beschäftigungsgarantie. "Es ist das erklärte Ziel, betriebsbedingte Kündigungen auch weiterhin zu vermeiden", hieß es in der Mitteilung.
Kern der Neuaufstellung soll eine Verringerung der Produktionskapazitäten für eine Verkaufsmenge von 11,5 Millionen Tonnen auf 9 Millionen bis 9,5 Millionen Tonnen im Jahr sein. Das entspricht einem Rückgang um bis 22 Prozent. Zum Vergleich: 2023 wurden von der gesamten deutschen Stahlindustrie 30,6 Millionen Tonnen warmgewalzte Stahlerzeugnisse hergestellt. Die angepeilte Menge von 9 Millionen bis 9,5 Millionen Tonnen entspreche dem Niveau der vergangenen drei Jahre, betonte das Unternehmen.
In den 11,5 Millionen Tonnen sind auch die Kapazitäten enthalten, die vom Duisburger Unternehmen Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) für Thyssenkrupp produziert werden. Thyssenkrupp Steel ist zu 50 Prozent an HKM beteiligt, der Stahlkonzern Salzgitter zu 30 Prozent. Bei HKM arbeiten knapp 3000 Menschen.
Die stark konjunkturabhängige Sparte steht seit Jahren im Fokus. Thyssenkrupp plant eine Verselbstständigung von Steel. Mit dem tschechischen Energieunternehmen EPH laufen seit längerem Gespräche über eine 50:50-Partnerschaft im Stahlgeschäft.
Neuaufstellung vor Wochen angekündigt
Die Ankündigung vom Donnerstag kam nicht unerwartet. Steel-Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel hatte Ende Februar in einem "WAZ-"Interview gesagt, dass der Sparten-Vorstand Vorschläge für eine Neustrukturierung erarbeiten will. Auch ein Beschäftigungsabbau sei nicht auszuschließen. Am Ende müsse ein zukunftsfähiges Stahlunternehmen stehen, "in dem auch noch die Kinder und Enkel der heutigen Stahlarbeiter einen Arbeitsplatz finden". Betont hatte der frühere Vizekanzler auch, dass Entscheidungen gemeinsam mit den Mitbestimmungsgremien fallen sollen.
Die Ankündigung vom Donnerstag löste bei den Beschäftigten und in der Politik dennoch große Besorgnis aus. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Stahlsparte, Tekin Nasikkol, sprach von einem harten Einschnitt. "Wir fordern Zukunft statt Kündigung", sagte er. IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler erklärte: "Wir werden nicht akzeptieren, dass Zigtausende Menschen um ihren Job bangen müssen."
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur nannte die Ankündigung "eine enttäuschende Nachricht - für den Stahlstandort Deutschland und Nordrhein-Westfalen, in erster Linie aber für die vielen Beschäftigten". Der Konzern stehe vor der großen Herausforderung, mit den Sozialpartnern für die Betroffenen faire Lösungen zu finden.
Von einem "herben Schlag" sprach der Duisburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak. Die Nachricht komme allerdings nicht ganz überraschend, da am Standort seit einigen Jahren deutlich weniger Stahl produziert werde, als die Kapazitäten zulassen würden. "Die jetzt angekündigte Anpassung der Produktionskapazitäten kann auch eine Chance sein, den Standort nachhaltig und profitabel aufzustellen."
Thyssenkrupp: Arbeitsplätze langfristig sichern
"Die vorgesehenen Maßnahmen sind zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit zwingend notwendig, um die Stahlproduktion am Standort Duisburg in eine gesicherte Zukunft zu führen", erklärte das Unternehmen. Auch würden damit hochwertige Arbeitsplätze langfristig gesichert und die Grundversorgung mit Stahl in Deutschland widerstandsfähig aufgestellt.
Mit der geplanten Neuaufstellung reagiere man einerseits auf die schwache Konjunktur, vor allem aber auf mittel- und langfristig strukturelle Veränderungen auf dem europäischen Stahlmarkt und in entscheidenden Märkten. Dazu gehörten hohe Energiekosten sowie ein steigender Importdruck, überwiegend aus Asien.
Die SPD-Landesvorsitzende Sarah Philipp nannte die Pläne "eine ganz bittere Pille für NRW und das Ruhrgebiet". Thyssenkrupp gehöre zu NRW wie der Rhein und die Ruhr. "Jeder Einschnitt bei Thyssenkrupp ist auch ein Einschnitt für den nordrhein-westfälischen Industriestandort."
Das Unternehmen betonte, dass am Umbau der Produktion in Richtung klimaneutrale Stahlerzeugung festgehalten werde. "Der Bau der ersten Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg wird weiter wie geplant umgesetzt, mit Unterstützung durch die dafür von Bund und Land freigegebenen Fördermittel." Auch das Ziel, bis spätestens 2045 klimaneutral zu produzieren, bleibe bestehen.
Die Anlage wird einen Hochofen ersetzen. Sie soll 2027 starten und später mit klimafreundlich hergestelltem Wasserstoff betrieben werden. Bund und NRW fördern das Projekt mit zwei Milliarden Euro.
Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, das Ministerium bedauere die unternehmerische Entscheidung. Diese sei insbesondere vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs und eines Überangebots gefällt worden. Sie betonte, dass der Bund Thyssenkrupp maßgeblich unterstütze, die Umstellung auf grünen Stahl mit Nachdruck einzuleiten. Auch andere Stahlproduzenten in Deutschland lasse der Bund nicht allein.
Experte sieht offene Fragen
Der Baader-Bank-Analyst Christian Obst sieht eine Senkung der Kapazität als sinnvoll an. Jedoch gebe es viele offene Fragen. So gebe es keine Informationen über den Zeitplan oder Kosten. Auch die Hauptfrage, ob das Stahlgeschäft Bestandteil von Thyssenkrupp bleibe, stehe weiter im Raum.
Für den 30. April ist eine Belegschaftsversammlung aller Standorte in Duisburg geplant. Sie soll im Stadion des MSV Duisburg stattfinden. Der Betriebsrat erwartet dazu laut Nasikkol einen Großteil der 27.000 Beschäftigten. "Wir werden unseren Forderungen Nachdruck verleihen."
- Nachrichtenagentur dpa