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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schlechtester Start seit 14 Jahren BVB in der Krise: Hilflos und sprachlos
Im Spiel eine Form von Hilflosigkeit, bei der Suche nach Erklärungen eine gewisse Sprachlosigkeit: Der BVB steckt schon nach drei Spieltagen in der Krise.
Das gellende Pfeifkonzert von den Rängen hallte noch nach, als sich die Dortmunder Spieler auf den Heimweg machten. Mit dem 2:2-Endstand gegen Aufsteiger Heidenheim hatte man zuvor nicht nur eine 2:0-Führung verspielt, sondern auch den schlechtesten Saisonstart seit 14 Jahren perfekt gemacht. Bei der Ursachenforschung tun sich Mannschaft und Verantwortliche schwer – oder schweigen ganz.
Freiwillig wollte von den Spielern nach dem erneuten Dämpfer offensichtlich niemand etwas sagen. Emre Can, Kapitän dieses Teams, hatte die Kapuze tief über den Kopf gezogen und stapfte an den wartenden Journalisten vorbei. Marius Wolf hielt sich lieber in sicherer Entfernung, bis das Shuttle für den Rücktransport der Profis vorgefahren war. Bensebaini, Haller, Adeyemi, Malen – alle eilten mit starrem Blick wortlos vorbei. Andere wie Süle oder Sabitzer tauchten gar nicht erst auf. Einzig Niclas Füllkrug schickte die Presseabteilung zum Gespräch – jenen Last-Minute-Neuzugang, der von den bisher fast 300 gespielten Minuten gerade einmal gute 20 Minuten auf dem Platz gestanden hat.
Brandt: "Wir haben uns zum großen Teil selbst geschlagen"
Immerhin: Der Nationalstürmer ist ein Mann ehrlicher Worte und ließ im Gespräch eine gewisse Irritation erkennen, dass Dortmund die Partie nicht mit drei Punkten beendet hatte: "Es gibt zwei Lösungen: Entweder, wir nutzen die Hochkaräter. Oder wir spielen das Spiel souverän mit einem 2:0 runter. Wir haben uns auf einen offenen Schlagabtausch eingelassen, der gar nicht sein muss." Noch lauter hallten in die allgemeine Sprachlosigkeit der Mitspieler die Worte von Julian Brandt nach, der dieses Mal die Pflicht zum TV-Interview erfüllte, der Mannschaft dabei "wilde Fehler im Aufbauspiel" attestierte und das Verhalten vor den Gegentoren scharf kritisierte. "Wir haben uns zum großen Teil selbst geschlagen. Wir kriegen am Ende zwei, wo wir beim ersten Tor zunächst den Ball haben und beim zweiten dämlich sind."
Soweit die Zustandsbeschreibung einer Borussia, die bislang in keiner Partie überzeugen konnte und oftmals hilflos wirkte, statt Lösungen zu entwickeln. Das Angriffsspiel zu statisch, dem Aufbau aus dem Zentrum fehlt Struktur und Kreativität. Das Flügelspiel lahmt, das eigentlich vorhandene Tempo kommt nicht zur Geltung. Zu oft wird hinten herumgespielt, statt zielstrebig nach vorne. Das spielerische Niveau bleibt übersichtlich, trotz Millioneninvestitionen. Bei guten Torchancen hakt es an der Verwertung. Fehlt es dann defensiv noch an Ordnung, Konzentration und Durchsetzungswillen, wird's kritisch.
Kehl: "Erklärbar ist das für uns alle nicht"
Gegen Köln gelang zum Auftakt ein glücklicher Sieg, beim Derby in Bochum stand schon nur ein Punkt zu Buche. Dort hatte eine Halbzeit lang zusätzlich der pomadige Auftritt verwundert. Bochum hatte dem BVB mit Intensität und Aggressivität den Schneid abgekauft. "All diese Dinge wussten wir, all diese Dinge hat der Trainer auch vor dem Spiel angesprochen. Trotzdem haben wir nicht gut darauf reagiert", hatte Sebastian Kehl frustriert festgestellt.
Bei der Frage nach den Gründen musste der Sportdirektor passen. Wie auch jetzt nach dem erneuten Rückschlag gegen Heidenheim. "Erklärbar ist es für uns alle nicht", gab Kehl offen zu und offenbarte damit auch eine Form von Sprachlosigkeit. Zu viele Dinge monierte er, "die auf diesem Niveau nicht passieren dürfen. Das Bemühen war da, aber die Struktur hat gefehlt." Das Fazit des 43-Jährigen fiel entsprechend eindeutig aus: "Wir haben auch in den ersten beiden Spielen nicht die Sterne vom Himmel gespielt. In der Summe der drei Spiele war das zu wenig für die Ansprüche, die wir haben." Die Integration der Neuzugänge, verletzte Spieler, fehlender Rhythmus – all das stellt für ihn keine ausreichende Erklärung mehr für den aktuellen Auftritt dar: "Wir hatten die Hoffnung, dass wir es deutlich besser machen."
Nun sind Lösungen gefragt
Wie bei Kehl wurde auch bei Edin Terzić diese Hoffnung enttäuscht, wie beim Sportdirektor herrschte auch beim Trainer nach dem blamablen Auftritt eine gewisse Fassungslosigkeit. Sein Urteil indes war eindeutig: "Wir haben uns vorgenommen, dass wir nicht so viele Punkte wie in der vergangenen Saison liegen lassen, und dann passiert uns das wieder. Spitzenmannschaften passieren solche Dinge nicht."
Statt Frust und Ratslosigkeit sind jetzt aber Lösungen gefragt von Terzić, Kehl und Co., sonst droht rund um Borussia Dortmund ein ganz ungemütlicher Herbst. Der Aufarbeitung sind allerdings enge Grenzen gesetzt. Ein Großteil der Spieler ist erst einmal mit den Nationalteams unterwegs.
- Reporter vor Ort
- Eigene Beobachtungen