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Prozess um Polizeischüsse in Dortmund: Gericht spricht alle Beamte frei


Junger Flüchtling erschossen
Dramé-Prozess: Gericht spricht alle Polizisten frei

Von dpa, tht

Aktualisiert am 12.12.2024 - 15:21 UhrLesedauer: 3 Min.
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Sidy Dramé (2. v. l.) und Lassana Dramé (r.), Brüder des getöteten Mouhamed Dramé, sitzen im Gerichtssaal des Landgerichts neben ihrer Anwältin Lisa Grütter und einem Übersetzer. (Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa)
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Seit einem Jahr sitzen fünf Polizeibeamte wegen eines tödlichen Einsatzes vor Gericht. Nun sind alle Angeklagten freigesprochen worden. Nach dem Urteil kam es zur Protesten im Saal.

Ein Jahr nach dem Start des Prozesses um die tödlichen Polizeischüsse auf einen 16 Jahre alten Flüchtling in Dortmund hat das Gericht heute sein Urteil gefällt. Alle fünf Beamten wurden freigesprochen. Auf der Anklagebank saßen fünf Polizisten, die im August 2022 an einem fatalen Polizeieinsatz in einer Dortmunder Jugendwohngruppe beteiligt waren.

Das Landgericht sah weder beim Schützen noch beim Einsatzleiter eine Straftat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Überprüfung durch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe, die sogenannte Revision, ist auf Antrag möglich. Nachdem der zuständige Richter Thomas Kelm die Versammlung für beendet erklärt hatte, gab es Proteste im Saal. Wie ein Reporter vor Ort berichtet, riefen viele Zuschauer "Justice for Mouhamed". Justizvollzugsbeamte des Dortmunder Landgerichts konnten die Lage nach wenigen Minuten beruhigen.

Mouhamed Dramé, ein Jugendlicher aus dem Senegal, war damals von fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole der Polizei getötet worden. Er hatte in einer Nische gelehnt und sich – vermutlich in Suizidabsicht – ein Messer an den Bauch gehalten. Um ihn zu entwaffnen, hatte der Dienstgruppenleiter den Einsatz von Pfefferspray angeordnet. Daraufhin bewegte er sich mit dem Messer in der Hand auf die Beamten zu. Die Taser stoppten ihn nicht, direkt darauf eröffnete ein als Sicherungsschütze eingeteilter Beamter das Feuer. Die Überlegungen alternativer Ansätze beim Eingriff bewertet Richter Thomas Kelm als "völlig daneben".

Die Staatsanwaltschaft hatte den 31 Jahre alten Polizeibeamten ursprünglich wegen Totschlags angeklagt. Ein Kollege und zwei Kolleginnen waren wegen gefährlicher Körperverletzung, der Vorgesetzte wegen Anstiftung zur Körperverletzung vor Gericht gekommen. Nach der Beweisaufnahme hatte die Staatsanwaltschaft jedoch ihre Einschätzung geändert und für vier der fünf Angeklagten Freisprüche gefordert: So habe etwa der Schütze – wenn auch irrtümlicherweise – geglaubt, sich in einer Notwehrlage zu befinden.

Nach der Urteilsverkündung sagte Richter Thomas Kelm: "Die Objektlage lässt auf einen Angriff mit einem Messer schließen. Es kommt nicht darauf, ob er das Messer nach oben oder nach unten hielt." Die meisten Messerangriffe würden statistisch gesehen auch generell von unten ausgeübt.

Fahrlässige Tötung hingegen warf die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer dem Dienstgruppenleiter vor: Er habe zu Unrecht und zu unüberlegt den Einsatz von Pfefferspray angeordnet – und so den fatalen Lauf der Dinge erst in Gang gesetzt. Auch dieser wurde am Donnerstag freigesprochen. Oberstaatsanwalt Carsten Dombert am Donnerstag: "Ich gehe nicht mit irgendwelchen Erwartungen in eine Urteilsbegründung. Ich bin seit 32 Jahren Staatsanwalt. Ich habe schon alles erlebt." Das Urteil sei für ihn jedoch völlig in Ordnung, auch wenn er etwas andere gefordert habe. Christof Krekeler, Verteidiger des Polizisten, der die tödlichen Schüsse abgesetzt hatte, sagte, dass aus seiner Sicht eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts erfolgt sei.

Nebenklägeranwältin Lisa Grüter kündigte nach dem Urteil an, eine Revision abwiegen zu wollen. "Eine Verurteilung des Einsatzleiters wäre zumindest die Möglichkeit gewesen, die Verantwortung für diesen Ausgang einer Person zuzuschreiben, die sie auch aus meiner Sicht auch getragen hat", sagte sie. Den beiden Brüdern gehe es extrem schlecht. "Sie haben die ganze Zeit im Gerichtssaal gezittert. Beide weinen. Sie können das nicht verkraften", so Grüter weiter.

Staatsanwaltschaft forderte Freisprüche für vier Angeklagte

Die Polizisten hatten ihr Handeln vor Gericht stets verteidigt: Mit dem Pfefferspray habe der sich selbst gefährdende Jugendliche entwaffnet werden sollen. Als er das Messer nicht habe fallen lassen, sondern augenscheinlich zum Angriff übergegangen sei, habe man sich verteidigen müssen.

Lassana Dramé, Bruder des getöteten Mouhamed Dramé verließ am Donnerstag weinend das Landgericht und streckte vor dutzenden Aktivisten, die vor dem Landgericht demonstrierten, seine Faust in die Luft und forderte gemeinsam "Justice for Mouhamed."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Reporter vor Ort
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