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Kaberettist Jochen Malmsheimer: Spaß allein reicht ihm nicht auf der Bühne


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Interview mit Jochen Malmsheimer
"Haltung ist das Allerwichtigste!"


17.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Kabarettist Jochen Malmsheimer (Archivbild): Er kommt zum Kemnader See. (Quelle: Arnulf Stoffel/imago-images-bilder)

Spaß allein reicht ihm nicht auf der Bühne: Im Interview mit t-online erklärt Kabarettist Jochen Malmsheimer, warum ihm Haltung so wichtig ist.

Er ist ein Gesicht des Kabaretts im Ruhrpott – und Jochen Malmsheimer darf auch dieses Jahr beim Zeltfestival Ruhr am Kemnader See nicht fehlen. Bis zum 1. September lockt eine Vielzahl an Konzerten, Kleinkunst, Kulinarik und Kunsthandwerk in die weiße Zeltstadt.

Im Interview mit t-online spricht Jochen Malmsheimer vor seinen Auftritten am 28. und 29. August darüber, wie er seine Themen findet, warum er bei seinen Lesungen klar Stellung bezieht und was eigentlich seine Frau mit seinen Programmen zu tun hat.

t-online: Herr Malmsheimer, Sie treten überall in der Republik auf. Gibt es ein unterschiedliches Humorempfinden, wenn Sie in Hamburg, München oder dem Ruhrgebiet auftreten?

Jochen Malmsheimer: Ich halte das für Unsinn! Es gibt unterschiedliche Dialekte und es gibt Unterschiede in der Rezeptionsgeschwindigkeit, das ist wahr. Die nimmt nach Süden hin etwas ab, da muss man etwas langsamer sprechen. Aber letztlich sieht man im Theater nur ein Promille der Bevölkerung, die dort tatsächlich lebt. Und wer ins Theater kommt, ist meiner Arbeit gegenüber grundsätzlich etwas aufgeschlossener. Wer worüber lacht, ist durchaus individuell, hat aber nichts mit dem Wohnort zu tun, sondern mit dem Charakter des jeweiligen Menschen.

Macht es in der Themenauswahl einen Unterschied, wo man auftritt?

Unterschiede hängen von den Menschen ab, die sich das ansehen – wie sind sie drauf, was interessiert sie. Es gibt Sachen, die Leute packen. Und es gibt Themen, die lassen Leute kalt. Und natürlich ist ein urbaner Raum mit anderen Problemen belastet als ein ländliches Gebiet. Da liegen die Interessen anders, oftmals auch die Voraussetzungen. Aber das ist alles unglaublich individuell und hängt sehr vom einzelnen Menschen ab, nicht von der Gegend.

Wie finden Sie Ihre Themen? Wie sieht es aus, wenn Jochen Malmsheimer ein neues Programm schreibt?

Ich gehe mit wachen Augen und Ohren durch die Welt. Ich ähnele einem Komposter, in den man oben Gartenabfälle hineinwirft und unten kommt nach einiger Zeit Erde heraus. Wenn ich ein neues Programm schreibe, überlege ich, was in den Jahren hängengeblieben ist und was mich interessiert.


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"Den Fleischball zwischen den Ohren kann man ruhig auch mal als Lager benutzen"


Jochen Malmsheimer


Sie sind aber niemand, der sich zwischenzeitlich immer mal Notizen dazu macht?

(lacht) Nein, ich versuche mir Dinge zu merken – noch geht es. Den Fleischball zwischen den Ohren kann man ruhig auch mal als Lager benutzen.

Gibt es Themen, die Sie in Ihren Programmen aussparen oder die Sie für ungeeignet halten?

Als wir vor vielen Jahren angefangen haben, war mein einziger Impetus der, Spaß zu machen und zu unterhalten. Aber angesichts der veränderten Großwetterlage sollte man sich im Gebrauch solch einfacher Mittel zurückhalten. Man muss heute in irgendeiner Form und nach eigenen Kräften Stellung beziehen und sich positionieren. Das versuche ich auch, obwohl ich kein politischer Kabarettist bin. Ich muss sehen, dass meine Arbeit in irgendeiner Form meine Haltung widerspiegelt.

Haltung ist das Allerwichtigste! Und was die Auswahl der Themen betrifft: Ich habe immer schon über das geschrieben, was mich berührt hat. Wenn der Leidensdruck hoch genug ist, wird daraus ein Text.

Wenn Sie Haltung zeigen – ist Ihren Programmen damit zugleich eine gewisse Leichtigkeit verloren gegangen?

Ich würde es nicht Leichtigkeit nennen. Das Seichte ist etwas verloren gegangen. Bei mir zumindest – bei vielen anderen nicht, wie man landauf und landab feststellen kann. Es ist nicht ganz freiwillig gewesen, das stimmt schon. Aber mittlerweile ist dieser Leidensdruck eben so hoch, dass es für mich unmöglich ist, mich einfach hinzustellen und Witze zu erzählen. Damit geht ein gewisses Maß an Seichtheit und Flachgründigkeit verloren.

Malmsheimer lobt Heterogenität der Comedy-Szene

Das klingt so, als sei es Ihnen manchmal unangenehm, was in Sachen Comedy und Kabarett heute alles auf dem Markt ist?

Ich verfolge es nicht wirklich. Ich habe Kollegen, die ich schätze, egal ob jung oder alt. Die treffe ich regelmäßig auch bei Veranstaltungen – den Rest nehme ich nicht wahr. So wie ich auch nicht wahrnehme, wer sich gerade mit Aquarellmalerei beschäftigt. Das einzig Gute, was man von dieser sogenannten Comedy-Szene sagen kann, ist ihre Heterogenität. Jeder findet etwas für sich, jeder kann sich etwas herauspicken. Das ist nach wie vor bewundernswert.

Wenn Sie ein neues Programm schreiben, gibt es eine Art Korrektiv? Tragen Sie es der Familie oder guten Freunden vor, bevor es damit auf die Bühne geht?

Ich schreibe immer bis zum Vorabend der Premiere. Dann gebe ich meiner Frau das Manuskript mit dem wunderbaren Hinweis "Lies und lache". Dann muss sie das lesen und lachen. Das Problem ist, dass sie einen völlig anderen Humor hat als ich. Wenn sie also etwas lächelt, weiß ich, dass andere an dieser Stelle mit Möbeln werfen und dass alles gut werden wird. Diese Momente sind nicht einfach für alle Beteiligten, besonders aber nicht für meine Frau. (lacht)

Wie problematisch ist es, dass Sie und Ihre Frau auf ganz unterschiedlichen Humorebenen unterwegs sind?

Gegensätze ziehen sich an, heißt es doch so schön – ein unglaublich platter Spruch, aber es stimmt. Ich bin froh, dass sie überhaupt Humor hat, das ist ein Gottesgeschenk. Der Humor kann eben sehr unterschiedlich ausfallen, und so ist es bei uns auch.

Wie ähnlich ist denn der Bühnenmensch Jochen Malmsheimer dem Privatmenschen in Sachen Humor – und wie schwierig ist das dann im Zusammenleben?

Da fragen sie die falsche Person. (lacht) An dieser Stelle würde ich Ihnen als Gesprächspartner meine Frau empfehlen, die Ihnen dazu aber sicher nichts sagen wird. Sie ist der festen Meinung, dass Privates auch privat sein soll. Tatsache ist, dass auch ich wie jeder Mensch für seine Umwelt eine Herausforderung darstellt. Wenn ich privat so wäre wie auf der Bühne, wäre das Zusammenleben mit mir für alle extrem problematisch. Aber das ist das Geheimnis: Was von dem auf der Bühne steckt in mir – und umgekehrt?!?

Nicht nur auf der Bühne sind Sie sehr sprachgewaltig. Ist der Umgang mit Menschen manchmal schwierig für Sie, die nicht über einen derartigen Fundus an Sprache verfügen?

Ich finde den Begriff wortgewaltig ganz schlimm. Meine Sprache hat nichts mit Gewalt zu tun, eher mit Gewandtheit. Ich habe einen Wortschatz, den ich mir angelesen habe. Das ist auch kein Talent, das kann jeder. Es obliegt jedem, seine sprachlichen Möglichkeiten zu erweitern. Das ist nichts, was man bewundern sollte.

Es macht die Kommunikation bisweilen einfacher, manchmal auch schwerer, aber auf jeden Fall spannender. Das finde ich toll! Aber ich habe noch niemals jemanden nach seinem sprachlichen Ausdruck beurteilt oder bewertet. Sondern immer danach, was er gesagt hat. Und das soll auch so bleiben!

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Jochen Malmsheimer
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