Hochfliegende ÖPNV-Pläne Hernes Bürgermeister will Seilbahn für 35 Millionen Euro
La Paz und New York haben sie bereits – und Hernes Bürgermeister will sie auch: Eine Seilbahn als Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Für den strukturschwachen Stadtteil Wanne sei die Seilbahnanbindung eine Riesenchance.
Für den Stadtteil Wanne-Eickel hat Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda hochfliegende Pläne: Eine Seilbahn soll den dortigen Bahnhof mit einem neu entstehenden Arbeits- und Naherholungsquartier verbinden – es könnte eine der ersten urbanen ÖPNV-Seilbahnen in der Luft werden, die in Deutschland als Teil des Nahverkehrsnetzes Pendler transportiert.
Auch in Bonn treibt man seit Jahren ein Seilbahn-Großprojekt voran, Duisburg arbeitet intensiv mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft an einer Konzeptstudie für eine Seilbahn-Anbindung der Innenstadt mit einem neuen Viertel. Weitere Städte in Deutschland haben zumindest Überlegungen in den Schubladen.
Gelegenheit zum Austausch und Pläne schmieden haben die Beteiligten in dieser Woche bei der Fachmesse "Cable Car World" in Essen. Am Dienstag und Mittwoch treffen sich in der dortigen Messe internationale Experten für die Nahverkehrs-Option, die in Deutschland noch immer von so manchem belächelt wird.
Verkehrsministerium fördert urbane Seilbahnen
Im Zuge der Verkehrswende setzt sich nicht zuletzt Bundesverkehrsminister Volker Wissing dafür ein, dass urbane Seilbahnen auch hierzulande mehr werden als Tourismusattraktionen oder Technikspielereien. Platzsparend, emissionsarm, um mit wenig Aufwand Lücken im ÖPNV-Netz zu schließen, sei das Verkehrsmittel, lobte er etwa als er vor eineinhalb Jahren einen Leitfaden für derartige Projekte vorstellte. Seit 2022 ist die Seilbahn zudem bei der öffentlichen Förderung anderen Verkehrsmitteln gleichgesetzt.
Davon will Herne nun profitieren: Kurz vor dem Kongress, auf dem er dem Fachpublikum Rede und Antwort gibt, steht der Oberbürgerbürgermeister von Herne Frank Dudda auf einem Hügel einer grün bewachsenen weitläufigen Brachfläche mit Kraftwerksruine und skizziert, was die Stadt hier in den nächsten Jahren realisieren will: Das etwa zwölf Hektar große einstige Zechen- und Kraftwerksgelände soll zu einem High-Tech-Quartier mit Parks und viel Grün werden. 4000 Menschen sollen hier einmal arbeiten.
Statt sich mit dem Auto durch die umliegenden Wohnquartiere zu drängen, sollen möglichst viele Leute einschweben: Die Herner haben eine etwa einen Kilometer lange Pendel-Seilbahn als attraktivste und sogar günstigste Lösung ausgemacht – nutzbar mit regulärem ÖPNV-Ticket und finanziert mit Landes- und Bundesmitteln, die früher allein für Bus, Straßenbahn und Co vorgesehen waren, wäre das Projekt eine echte Innovation für Deutschland.
Oberbürgermeister: Seilbahn kein bloßes Hirngespinst
Bisher sind Seilbahnen in deutschen Großstädten – wie in Berlin, Koblenz oder Köln – nicht Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes oder richten sich an Touristen wie in den Bergen. In anderen Weltteilen sieht das anders aus: New York hat eine traditionsreiche Luftseilbahn, in La Paz und in Mexiko-Stadt sind sie seit Jahren bewährte Fortbewegungsmittel, in Paris ist ein Vorzeigeprojekt im Bau.
Als ausgerechnet die strukturschwache Ruhrgebietskommune Herne ihre Seilbahn-Pläne öffentlich machte, sorgte sie damit in einer ersten Reaktion für Kopfschütteln, wie Dudda sich erinnert. "Ich musste mir anfangs vieles anhören. Ein Hirngespinst sei das. Und noch andere sehr unfreundliche Dinge". Inzwischen habe er Politik und Bürgerschaft überzeugen können. "Wir haben das Mindset gedreht", sagt er. Auch Bund und Land hätten schon ihre Bereitschaft zur Unterstützung signalisiert. Die braucht es, um die Kosten von 35 Millionen Euro gegenzufinanzieren. "Eine arme Stadt, wie Herne, kann eben nur mit Ideen punkten", sagt Dudda.
Die Seilbahn sei einfach die beste Lösung für den Standort, ist man bei der Stadtspitze überzeugt. Auf direktem Wege könne nur sie das riesige Gleisbett überwinden, das den Hauptbahnhof von dem alten Zechengelände abschneidet. Straßenbahnbau und Busbetrieb seien teurer - "und der Bus steht sowieso meist im Stau", fügt Dudda hinzu. Sein Büroleiter Florian Adamek weist noch auf einen weiteren Effekt hin, den die Herner sich von ihrer Seilbahn erhoffen: "Wir schenken einem Stadtteil eine ganz neue Himmelsrichtung. 150 Jahre lang waren die Ortsteile Eickel und Wanne durch die Zeche und den Bahnkörper an vielen Stellen voneinander abgeschnitten." Gerade für Hernes strukturschwächsten Stadtteil Wanne sei das Viertel mit Seilbahnanbindung eine Riesenchance.
Pionier-Arbeit bringt Hürden mit sich
Der Status des Pioniers bringt allerdings auch Hürden mit sich, sagt Dudda. "Sie müssen bei allem, was die deutsche Verwaltung zu bieten hat, erst mal mit ihren Plänen vorstellig werden". Und in den Behörden treffe man immer wieder auf Bedenkenträger. Und doch: Zum Jahresende soll das Projekt beim Bundesverkehrsministerium zur finanziellen Förderung angemeldet werden - der erste Schritt, bevor es in die langwierigen Genehmigungsverfahren gehen kann.
Und was, wenn Herne mit seinen Seilbahn-Plänen am Boden bleiben müsste, wie andere Städte, in denen sich Seilbahn-Ideen zerschlagen haben? "Wenn das hier scheitert, dann ist auch Deutschland gescheitert", sagt Hernes Oberbürgermeister. "Im Idealfall fährt die Seilbahn 2029", legt Dudda sich fest.
- Material der dpa