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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Geschichte im Kino Gesche Gottfried – vom Bremer Engel zur Giftmörderin
Mitten in Bremen liegt der Spuckstein. Eine Tradition verlangt, dass man darauf spuckt. Sie beruht auf der Geschichte einer Serienmörderin der Stadt. Nun beschäftigt sich auch ein Film mit Gesche Gottfried.
Bis heute weiß niemand, warum sie zur Serienmörderin wurde. Und bis heute gilt in Bremen das Spucken auf den Spuckstein zum guten Ton. Dort, an diesem Stein im Zentrum der Stadt, endete das Leben der Gesche Gottfried. Ein Film über das Leben der Bremerin ist nun in den deutschen Kinos zu sehen.
Die Serienmörderin soll zuvor 15 Menschen mit Arsen vergiftet haben, ganze Mordserien hat man ihr vorgeworfen. Sie selbst wurde dann am 21. April 1831 hingerichtet. Der "Spuckstein" gilt als Symbol und Mahnmal für diesen grausamen Akt.
Filme und Kunststücke greifen Thema auf
Wie konnte es dazu kommen? Was hat die Mörderin alles erlebt? Vor allem: Was hat sie final dazu gebracht, so viele Menschen umzubringen? Darüber herrscht nach wie vor Unklarheit. Deutlich ist dagegen, dass ihre Geschichte für viele faszinierend ist.
So greifen Künstler und Filmemacher gerne und immer wieder auf diese sagenumwobene Geschichte zurück. 1971 widmete sich Rainer Werner Fassbinder der Geschichte, er benannte Gesche Gottfried kurzerhand um in Geesche Gottfried und konzipierte ein "bürgerliches Trauerspiel" auf der Grundlage ihrer Lebensgeschichte.
Das Bühnenstück wurde in Bremen uraufgeführt, der Saarländische Rundfunk verfilmte die Idee. 1972 erfolgte die erste Ausstrahlung. Doch auch viele Jahre später bleibt die Faszination: Noch 2019 produzierte Udo Flohr den Film "Effigie – Das Gift und die Stadt", angeregt durch Gesche Gottfried. Dieser Krimi wurde dann sogar für eine Golden Globe Nominierung in Betracht gezogen und erscheint am 20. Januar 2022 in den deutschen Kinos. Das verwundert nicht, bringt doch schon die Ursprungsgeschichte Spannung ohne Ende mit sich.
Gutbürgerliche Ehe und fünf Kinder
Gesche Margarethe Timm wurde am 06. März 1785 gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder Johann geboren. Die Familie war arm, der Vater ein Schneidermeister, die Mutter eine Wollnäherin. 1806, mit 21 Jahren, für die damalige Zeit spät, heiratete die spätere Mörderin den Sattlermeister Johann Miltenberg. Dessen Frau war gerade verstorben.
Gesche stieg durch die Ehe in gutbürgerliche Verhältnisse auf. Sie bekam fünf Kinder und kümmerte sich gleichzeitig um kranke und sterbende Menschen. Und dies tat sie derart überzeugend, dass man sie sogar den "Engel von Bremen" nannte. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie sich die Geschichte weiterentwickelte. Doch gerade ihre fürsorgliche Art tarnte sie lange Zeit – denn niemand traute dem "Engel" etwas Böses zu.
Doch um das Jahr 1812 bekam Gesche Gottfried von ihrer Mutter eine Papiertüte mit Arsenikpulver überreicht. Mithilfe des Gifts sollte sie Mäuse bekämpfen. Doch ganz offensichtlich hatte Gesche eine andere Idee zur Verwendung des Gifts – und schon bald darauf erkrankten um sie herum diverse Menschen und starben.
Zahlreiche Verwandte und Bekannte fallen ihr zum Opfer
Insgesamt starben in einer ersten Mordserie acht nahe Verwandte innerhalb kürzester Zeit. 1813 war der erste Ehemann Johann Miltenberg an der Reihe. Nur zwei Jahre später, im Mai 1815, starben Gesches Mutter sowie zwei ihrer Töchter. Im Juni folgte dann ihr Vater, im September ihr Sohn. 1816 folgte ihr Bruder und ein weiteres Jahr später ihr zweiter Ehemann.
Dann wurde es ruhig um Gesche Gottfried. Offensichtlich war der Giftmörderin zwischenzeitlich das Gift ausgegangen – sechs Jahre lang passierte nichts. Doch dann, 1823, exakt zehn Jahre nach dem ersten Mord, folgten weitere Todesfälle. Erst starb ihr Verlobter Paul Thomas Zimmermann. Anschließend ihre Freundin Anna Lucia Meyerholz. 1825 starb Johann Mosees, er war Nachbar, Freund und Berater von Gesche.
Drei Jahre Gefängnis, dann das Todesurteil
Ein Jahr später erwischte es Wilhelmine Rumpff, ihre Vermieterin. 1827 folgten noch drei weitere Todesfälle. Eine Freundin starb, ihre dreijährige Tochter ebenfalls und zuletzt dann Friedrich Kleine, der sowohl als Freund als auch als Gläubiger bezeichnet wurde. Mittlerweile war ihr damaliger Vermieter, Johann Christoph Rumpff, misstrauisch geworden.
Es waren ihm einfach zu viele Menschen geworden, die um Gesche herum starben. Kein Wunder, dass Rumpff aufmerksam geworden war. Als er eines Tages in seinem Essen weiße Kügelchen fand, ließ er diese untersuchen: Es war Gift.
Am 6. März 1828, ausgerechnet ihrem Geburtstag, wurde Gesche Gottfried verhaftet. Sie war aufgeflogen. Noch ganze drei Jahre sollte sie im Gefängnis sitzen, bis dann am 21. April 1831 das Todesurteil vollstreckt wurde. Ihre Motive konnten nie wirklich geklärt werden – es ist ein Rätsel, welches noch gelöst werden muss.