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Bremen: Stadt soll duch Urban Gardening "essbar" werden


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Von der Landwirtschaft zur Stadtwirtschaft
Bremen soll zur "Essbaren Stadt" werden

Von Judith Tausendfreund

Aktualisiert am 28.05.2021Lesedauer: 4 Min.
Menschen arbeiten zusammen in einem Stadtgarten: Die Nutzung von urbanen Flächen zum Anbau von Obst und Gemüse wird immer beliebter.Vergrößern des Bildes
Menschen arbeiten zusammen in einem Stadtgarten: Die Nutzung von urbanen Flächen zum Anbau von Obst und Gemüse wird immer beliebter. (Quelle: Gesellschaft für integrative Beschäftigung mbH/leer)
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Paradiesgarten, Garten Eden oder gar Garten der Wonne, alle diese Begriffe erinnern daran, dass der Moment, in dem die süße Frucht im eigenen Mund landet, auch ein Moment des sinnlichen Vergnügens ist. Aber warum soll das nur auf dem Land passieren? Städte sortieren sich neu, sie werden "essbarer".

Die Nutzung von urbanen Räumen zum Anbau von Lebensmitteln wird immer beliebter. Seit 2007 wird das Konzept in Deutschland umgesetzt, Kassel und Andernach waren die ersten Städte, die sich der Idee angenommen hatten. Auch in Bremen wird das Thema schon länger aktiv gestaltet. "Gemüse und Bier in der Überseestadt" titelte Ingrid Krause im letzten Jahr im "Bremen Blog" – und ihre Appetithappen machen Lust auf mehr.

Auch die Politik hat das Thema auf der Agenda: Die Fraktionen der SPD, der Linken und der Grünen sind sich einig, dass Bremen ein Gesamtkonzept in Sachen "Urban Gardening & Co" erhalten soll. Die Stadt soll voll und ganz "Essbare Stadt" werden. Jan Saffe (Grüne), Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft, hat den gemeinsamen Antrag mitinitiiert.

"Mir ist die Idee einer essbaren Stadt zunächst in Andernach begegnet", schwärmt er. Damals sei er dort durch die Altstadt spaziert und plötzlich gab es Kiwis zu entdecken, die man einfach nehmen und essen konnte. "Natürlich herrscht in Andernach ein anderes Klima, dennoch fand ich die Idee faszinierend", so Saffe.

Gesamtkonzept fehlt

"Es gibt viele 'Essbare Stadt'-Projekte in Bremen, die schon lange existieren und sehr gut angenommen werden", weiß auch Ingo Tebje (Die Linke). Größtenteils würden diese aber über ehrenamtliches Engagement oder soziale Träger laufen. Was fehle, sei der Auftrag an die Stadt, ein Gesamtkonzept zu erstellen. Damit sollten erfolgreich laufende Projekte stärker unterstützt und neue Flächen ausgewiesen werden.

Außerdem sollten die Gelände von Schulen und Kitas sowie die städtischen Wohnungsbaugesellschaften miteinbezogen werden, so Tebje. Andreas Reißig (SPD) nennt nur einige: "'Ab Geht Die Lucie' in der Neustadt, 'QuerBeet' in Tenever, 'Gemüsewerft' in Überseestadt, der Gemeinschaftsgarten am Sodenmatt in Huchting, der Internationale Garten Walle, der Fleetgarten in Walle, die Kinder- und Jugendfarm Habenhausen und der Gemeinschaftsgarten der Stadt, auf dem Dach der Bremer Volkshochschule", ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Er weiß auch, dass nicht alle städtischen Flächen geeignet sind. "Die Projekte dürfen nicht der Erholungssuche im Wege stehen und der Boden muss für derartige Projekte intensiv überprüft werden", so der Sprecher. Wichtig sei es, bei dem Thema vor allem auch soziale Aspekte zu beachten.

Öffentliches Naschen – wie kann man das umsetzen?

Michael Scheer, Geschäftsführer der Gesellschaft für integrative Beschäftigung mbH (G.i.B.) ist seit Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigt. Seit sieben Jahren produziert die Gesellschaft in ihrer Gemüsewerft Essbares. 2018 hat das Unternehmen gemeinsam mit der BioStadt Bremen (Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau) eine Tagung zu den Möglichkeiten einer "Essbaren Stadt" organisiert. Zahlreiche Projekte hat Scheer initiiert und begleitet, zum Beispiel das Vorhaben der "Social Farmers". Auch der in Buchform entstandene Atlas "Stadtwirte" thematisiert die Möglichkeiten einer urbanen Landwirtschaft.

"Es ist gut, diesen Antrag zu stellen", begrüßt er die jüngste Initiative der Fraktionen. Er wünscht sich eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema. Als langjähriger Betreiber einer urbanen Landwirtschaft hat er Einblick in die zu lösenden Probleme. "Für eine Umsetzung braucht es mehr als den bloßen politischen Willen", weiß er. Geklärt werden muss zwingend die Betreiberschaft. "Eine Zucchini wächst nicht von alleine", so der Experte. Die Pflanzen müssen gegossen werden, es muss dafür gesorgt werden, dass Hunde ferngehalten werden. Stark befahrene Straßen fallen als Standorte weg, die Verkehrssicherungspflicht muss geklärt sein. Zu- und Abwasser müssen sichergestellt werden.

"Um so etwas umzusetzen, sind Investitionen und Zuschüsse notwendig", so Scheer. Alle Institutionen, die bundesweit in dem Bereich aktiv sind, seien wirtschaftlich defizitär – ein Fakt, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Der Aufwand – personell und mit Blick auf die Ressourcen – sei derzeit ohne Kapital nicht machbar. Die Idee, Schulen und Kitas sowie die städtischen Wohnungsbaugesellschaften miteinzubeziehen, sei gut – aber gerade Schulen und Kindergärten schließen in den Monaten, in denen sich ganz besonders stark um die Pflanzen gekümmert werden muss.

Denn dann sind Sommerferien. "Ja, die Schulen haben Bock auf das Thema – aber solche Anlagen muss man pflegen", betont Scheer. "Fakt ist allerdings auch, dass die innerstädtische Lebensmittelproduktion in allen europäischen Metropolen auf dem Vormarsch ist", bestätigt er die Bedeutung der kleinen Anfrage. Er weist auch darauf hin, dass beispielsweise Hochbeete – die in städtischen Umgebungen besonders gerne für den Anbau genutzt werden – in ihrer Anbaufläche begrenzt sind. Man werde das optimieren müssen, "die Mathematik des Anbaus erzwingt das", erklärt er.

Urbane Landwirtschaft hat Zukunft – aber auch Grenzen

Schon dieser Exkurs zeigt, wie vielfältig das Thema ist. Man könnte ganze Bücher darüber schreiben. Sicher wird man noch vieles lernen müssen. Michael Scheer spricht aus Erfahrung: "Die Leute haben da Bock drauf." Es geht eben nicht nur um das Essen der Zucchini. Es geht um Genuss, Wohlfühlen, um Freiräume, um Kultur und um Partizipation. Am Dienstag, 1. Juli, steht das Thema auf der Agenda der Bremischen Bürgerschaft. "Unser Antrag ist eine klare Aufforderung an den Senat", betont Saffe.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit
  • Michael Scheer
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