Millionen-Euro-Medikament Therapie gegen seltenen Gendefekt erstmals in Bremen angewandt
Zoe wäre wohl nicht älter als zwei Jahre geworden, jetzt hat sie die Chance auf ein unbeschwertes Leben. Möglich macht das eine einzigartige Therapie.
Die kleine Zoe war noch nicht mal auf der Welt, da folgte die erschütternde Diagnose: Das Mädchen ist an Spinaler Muskelatrophie (SMA) erkrankt. Betroffene sind meist auf einen Rollstuhl und fremde Hilfe angewiesen und das ihr Leben lang – wenn sie das zweite Lebensjahr überhaupt überstehen. Doch Zoe wurde wahrscheinlich das Leben gerettet – im Schlaf, ganz ohne, dass sie davon überhaupt etwas mitbekommen hat. Möglich macht das eine einzigartige Therapieform, die erstmals in Bremen angewandt wurde. Das berichtete der Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) am Montag.
Nur eines von rund 7.000 Neugeborenen kommen mit der seltenen Generkrankung auf die Welt. Umso schwieriger ist es, geeignete Therapieformen zu finden. Nun ist es Medizinern des Eltern-Kind-Zentrums Prof. Hess am Klinikum Bremen-Mitte gelungen, dem Mädchen das womöglich lebensrettende Medikament zu verabreichen. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Gen-Ersatz-Therapie, erklärte Birgit Kauffmann, Oberärztin und Leiterin der Neuropädiatrie.
Mediziner waren vor wenigen Jahren noch machtlos
Das bei Zoe defekte Gen wurde quasi durch ein intaktes Protein ersetzt. Das wenige Wochen alte Mädchen habe davon jedoch so gar nichts mitbekommen. Während ihres Schlafs von zirka einer Stunde sei ihr das Serum injiziert worden. Nun hoffe man, es entfalte seine Wirkung und Zoe sei dauerhaft geheilt. Sicher ist das jedoch noch nicht.
Noch vor wenigen Jahren sei man machtlos gegen diese Erkrankung gewesen, betonte Ärztin Kauffmann. Durch die Gen-Ersatz-Therapie mit dem Medikament Zolgensma könne die Krankheit nun direkt am Ursprung therapiert werden. Dabei werde das intakte SMN1-Gen mittels einer sogenannten Transportkassette, einem unschädlich gemachten Virus, in die Zellkerne des Rückenmarks eingeschleust. "Dieses Gen kann dann abgelesen werden und zur Bildung ausreichender Mengen des fehlenden SMN-Körpereiweißes beitragen", hieß es.
Der Gen-Ersatz, der einst 1,9 Millionen Euro pro Anwendung kostete und nun bei rund 1,65 Millionen Euro liegt, sorge dafür, dass die Nervenzellen funktionstüchtig bleiben – bestenfalls ein Leben lang. "Da die Therapiemethode ganz neu ist, gibt es noch keine Langzeitdaten. Aber wir gehen davon aus, dass der Gen-Ersatz 15 Jahre oder länger wirkt", hofft Kauffmann. Die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen.
Zoes Eltern erleben "Wechselbad der Gefühle"
Das Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess sei als zertifiziertes neuromuskuläres Zentrum bundesweit eines der ersten nicht-universitären Krankenhäuser in Deutschland, die dieses Verfahren anwenden kann – im Nordwesten sogar das Einzige.
Für die Eltern von Zoe, die in Emden leben, seien die letzten Wochen "ein Wechselbad der Gefühle" gewesen. Erst sei da die Freude über die Geburt gewesen, dann der Schock über die Diagnose und schließlich die Aussicht auf die rettende Therapie. "Es musste ganz schnell gehen", erinnerte sich Mutter Sonja Ebert, "und wir sind jetzt sehr froh, dass solch eine Therapie möglich war".
Die Krankheit hatte Zoes Muskeln noch nicht angegriffen, das sei ihr großes Glück gewesen. In den kommenden Tagen bleibe Zoe noch zur Beobachtung im Krankenhaus. In den nächsten Jahren folgen dann regelmäßige Untersuchungen. "Die große Angst vor der lebensbedrohlichen Erkrankung" sei nun erst einmal gebannt.
- gesundheitnord.de: Mitteilung vom 2. September 2024
- Eigene Recherche