Was geschah im Jahre 1965 in Bremen? Parapsychologe untersucht gruseliges Phänomen in Porzellanladen
Viele Jahrzehnte ist es her, als in einem Bremer Geschäft immer wieder Porzellan wie von Geisterhand zerbrach. Was hatte der Lehrling mit den gruseligen Vorfällen zu tun?
Das Geschäft Surowitz hatte in den 1960er-Jahren seinen Standort in der Bremer Vahr. Der Einzelhändler Johann Surowitz verkaufte dort unter anderem Lebensmittel und Haushaltsgegenstände, aber auch Waren aus Porzellan. Doch Surowitz war sich sicher, dass sich in seinem Laden unerklärbare Vorgänge abspielten. Denn im Jahre 1965 ging immer wieder Porzellan zu Bruch – scheinbar ohne Grund. Einmachgläser seien zerschellt, Vasen, Schalen und Schnapsgläser zu Bruch gegangen. Es entstand ein Schaden von rund 5.000 D-Mark.
Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr überprüften das Geschäft, auch das Bauaufsichtsamt und zuständige Wohnungsunternehmen machten sich vor Ort ein Bild. Doch es wurde kein plausibler Grund gefunden, warum das Porzellan scheinbar wie von Geisterhand immer wieder kaputtging.
Parapsychologe nimmt jungen Lehrling unter die Lupe
Allerdings rückte ein Verdächtiger in den Fokus: der damals 14-jährige Heiner Scholz, Lehrling bei Surowitz. Er sei laut seinem Chef immer in der Nähe gewesen, wenn Porzellan zerbrach. Die Geschehnisse erregten die Aufmerksamkeit des Parapsychologie-Professors Dr. Hans Bender, der sich vor allem mit Geistererscheinungen beschäftigte. Er leitete damals das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg im Breisgau.
Für Bender stand fest: Heiner Scholz besaß telekinetische Fähigkeiten – er konnte also Gegenstände rein durch geistige Kräfte bewegen. So wie es etwa in den Horrorromanen "Carrie – Des Satans jüngste Tochter" und "Feuerkind" von Stephen King passiert.
Bender, offenbar begeistert von dem Fall, kam nach Bremen, um Heiner Scholz unter die Lupe zu nehmen. Später nahm er den Jungen sogar mit zu seinem Institut, wo er Experimente mit ihm durchführte. Der Professor kam zu dem Schluss, der 14-Jährige sei Opfer eines "psychokinetischen Phänomens" geworden, ausgelöst durch eine Erregung, die den natürlichen "Destruktionstrieb" des Jungen "vom Normalen ins Paranormale" befördert habe.
Dafür sprach nach Auffassung des Parapsychologen auch, dass kein Porzellan mehr zu Bruch ging, nachdem der Lehrling nach drei Monaten Probezeit bei Surowitz herausgeflogen war. Hatte Heiner Scholz tatsächlich gespenstische Fähigkeiten oder welcher Elefant im Porzellanladen war hier zugange? Erst 13 Jahre später wurde der Fall aufgeklärt – mit einer überraschenden Wendung.
Scholz führt alle an der Nase herum
1978 legte Scholz in einer Fernsehsendung ein "Geständnis" ab: Mit einigen Tricks habe der damalige Lehrling seinen Chef Johann Surowitz und auch Hans Bender ordentlich verschaukelt –aus Spaß, aber auch weil sein Chef ihn bei Fehlern gedemütigt und sogar geschlagen hatte.
Im Geständnis, das auch von der Polizei schriftlich festgehalten wurde, schilderte der ehemalige Lehrling genau, was er gemacht hatte: "Wenn Herr S. weg war, habe ich das Bandgerät auf Aufnahme gestellt und dann Scherben und Geschirr an die Wand geschmissen. Diese Geräusche wurden durch das Bandgerät aufgenommen." Diese Aufnahmen spielte er dann ab, wenn Surowitz wieder im Laden war.
Sogar US-Filmteam kam nach Deutschland
Ein anderes Mal habe der damals 14-Jährige einen Stapel flacher Glasuntersetzer mit einem Querwurf durch den ganzen Raum verteilt, als gerade mehrere Feuerwehrleute und Polizisten den Keller des Ladens nach Strahlungen absuchten. Die Einsatzkräfte, offenbar verängstigt, seien dann aus dem Geschäft gelaufen.
Über Professor Bender sagte Scholz: "Er kam eines Tages nach Bremen und war davon überzeugt, dass das ganze ein Spuk sei [...]. Er hat mich nie gefragt, ob ich selbst das Geschirr zerschlagen habe." Selbst den Professor nahm der 14-Jährige auf den Arm. Bei den Experimenten in Freiburg, bei denen es unter anderem um Gedankenlesen ging, ordnete er zum Beispiel Kartensätze vorher heimlich an. Bender merkte davon nichts und war dann begeistert von der hohen Trefferquote. Selbst einem amerikanischen Filmteam, das auf die angeblichen paranormalen Fähigkeiten des Jungen aufmerksam geworden war, tanzte Scholz mit cleveren Tricks auf der Nase herum.
Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene aktiv
"Wenn ich zurückdenke und an den Schabernack, den ich damals veranstaltet habe, so muss ich heute noch lachen. Es waren Jungenstreiche, die ich heute nicht mehr machen würde, schon allein deshalb nicht mehr, weil mir so ein doofer Professor auch nicht mehr vorkommen wird", sagte Heiner Scholz als Erwachsener. Hans Bender war jedoch weiterhin von den übersinnlichen Fähigkeiten seines "Patienten" überzeugt und nannte das Geständnis eine Lüge.
Professor Dr. Hans Bender starb am 7. Mai 1991 in seiner Geburtsstadt Freiburg im Breisgau. Sein Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg gibt es immer noch, es hat 23 Mitarbeiter.
- spiegel.de: Spuk im zweiten Glied
- spiegel.de: Gesteuerter Zombie
- zeit.de: Der übersinnliche Lehrling Heiner
- 1wdr.de: 7. Mai 1991 - Todestag des Parapsychologen Hans Bender
- igpp.de: Staff
- Eigene Recherche