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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zwangsräumung wegen 300 Euro? Bündnis will "Behördenterror" verhindern
"Florian" soll raus. Raus aus seiner Wohnung, und zwar sofort. Doch ein Bremer Bündnis will das nicht hinnehmen und ruft zur Demo auf.
"Florian" hat nur noch wenige Tage Zeit, dann soll er Besuch bekommen. Besuch von einem Gerichtsvollzieher, der im Namen der Stadt eine Zwangsräumung durchsetzen soll. Bis Donnerstag, 15. Dezember, bleibt dem Mann noch Zeit, dann muss er Hab und Gut gepackt haben. So schreibt es das "Bremer Bündnis Zwangsräumungen verhindern" und ruft zur Demonstration auf.
In einer Mitteilung auf Twitter machen die Aktivisten seit Tagen gegen die geplante Zwangsräumung von "Florian" mobil. "Am 15.12. soll Florian seine Wohnung verlieren und auf die Straße gesetzt werden. Wir werden das nicht hinnehmen. Wir fordern die Aussetzung der Zwangsräumung wenigstens über den Winter", schreiben die Verfasser.
Bei "Florian" soll es sich um einen Mann ohne deutschen Pass handeln. Wie er tatsächlich heißt, wie alt er ist und woher er stammt, darüber macht das Bündnis "zum Schutz des Betroffenen" keine Angaben. Der Fall an sich wird jedoch in einem gut dreiminütigen Video der Aktivisten ausführlich erläutert.
Bündnis spricht von Schikane
Demnach gestalte sich sein Fall folgendermaßen: Seit 2013 wohnt "Florian" in der Brinkstraße in Bremen-Walle. Der Mieter, so wird es im Video beschrieben, sei bereits vor dem Jahr 2022 und somit vor den zahlreichen Kostenerhöhungen durch Krieg und Inflation auf ergänzende Leistungen des Jobcenters angewiesen gewesen. "Florian" sei EU-Ausländer, und somit sei das Jobcenter in der Utbremer Straße für ihn zuständig.
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Die Macher des Audiobeitrags sagen, die Behörde habe den Mieter mit verschleppten Rechnungen und nicht erhaltenen Unterlagen immer wieder "schikaniert". Auch habe das Jobcenter in regelmäßigen Abständen damit gedroht, Leistungen zu kürzen oder gar ganz zu streichen. Aufgrund einer "völlig willkürlichen Entscheidung" habe das Jobcenter letztlich entschieden, "Florian" den Status eines Arbeitnehmers zu entziehen. Somit habe er kein Anrecht mehr auf Leistungen.
Und ohne Leistungen fehle dem Mann nun Geld. Insgesamt war "Florian" dem Video zufolge mit 3.000 Euro Miete im Rückstand. Nach einem Entscheid des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen im August 2021 musste das Jobcenter 2.700 Euro der Mietrückstände übernehmen, die Zahlung der restlichen 300 Euro habe das Amt jedoch verweigert. So jedenfalls berichten es "Florians" Mitstreiter in dem Beitrag.
300 Euro Mietschulden noch offen
"Florian" wurde den Angaben zufolge selbst beim Jobcenter vorstellig. Dort habe man ihm versichert, auch die fehlenden 300 Euro zu übernehmen. "Doch das Amt brach sein Wort", sagt das Bündnis. Kurz danach, so die Rekonstruktion, erhielt "Florian" letztlich den Räumungsbescheid des Amtsgerichts Bremen. Am Donnerstag soll seine Wohnung nun endgültig geräumt werden.
Die Vorwürfe des Bündnisses lassen sich nicht umfassend aufklären. Das zuständige Jobcenter wollte sich auf Anfrage von t-online aus "Datenschutzgründen" nicht zum Sachverhalt äußern. Zudem betonte eine Sprecherin: "Zu Einzelfällen geben wir grundsätzlich keine Informationen nach draußen."
"Florians" mögliche Räumung könnte dabei nur eine von vielen sein. Für 2021 erfasste das Bundesjustizministerium 455 Zwangsräumungen für das Land Bremen (Bremen und Bremerhaven) und somit einen Rückgang um etwa 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020.
- Miete im Rückstand: Wann und was Vermieter pfänden können
Aber: Mit einer Quote von 67,3 Zwangsräumungen je 100.000 Einwohner pro Jahr belegt das Land Bremen den Spitzenplatz in diesem Ranking, gefolgt von Sachsen (66) und Mecklenburg-Vorpommern (54,2). Bundesweit kam es 2021 laut Bundesjustizministerium zu insgesamt rund 29.000 Zwangsräumungen.
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In den vergangenen Tagen gab es laut Aussagen des Bündnisses neue Entwicklungen in dem Fall. "Florian" habe den Angaben zufolge mit zwei Begleitpersonen nochmals beim zuständigen Jobcenter vorsprechen können. Doch dieser Versuch, so schreiben es die Aktivisten bei Twitter, sei ebenfalls erfolglos geblieben. "Das Jobcenter Utbremer Straße treibt den Behördenterror für Menschen ohne deutschen Pass auf die Spitze", wird das Bündnis deutlich.
Polizei mit "lageangepasstem Kräfteansatz" vor Ort
Trotz aller Bemühungen werde die Räumung nun offenbar stattfinden. Jedenfalls sei auch der Bremer Polizei keine gegenteilige Entwicklung bekannt, bestätigte eine Sprecherin t-online am Mittwochnachmittag. Sowohl über die bevorstehende Zwangsräumung als auch über die geplante Kundgebung sei die Polizei informiert.
"Die Zwangsräumung", so Sprecher Nils Matthiesen, werde "mit einem lageangepassten Kräfteansatz und entsprechenden, polizeilichen Maßnahmen begleitet." Wie viele Polizisten letztlich vor Ort sein werden, sagte er aus "einsatztaktischen Gründen" nicht.
Grundsätzlich sei der Aufruf, eine Räumung zu verhindern, nicht strafbar, ordnet Matthiesen ein. "Ein friedliches Versammlungsvorhaben genießt den Schutz des Grundgesetzes." Ein solcher Aufruf könne dann strafbar werden, sobald Menschen andere zu einer rechtswidrigen Tat aufforderten. Sollten Aktivisten eine mögliche Räumung beispielsweise blockieren, könne das den Straftatbestand der Nötigung erfüllen.
Das "Bremer Bündnis Zwangsräumungen verhindern" war für eine Stellungnahme für t-online am Mittwoch nicht zu erreichen.
- Eigene Recherchen
- Twitter: Bremer Bündnis Zwangsräumungen verhindern
- Telefonat mit der Pressestelle der Polizei Bremen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- vimeo.com: Florian bleibt wohnen
- immobilienscout24.de: Zwangsräumung der Wohnung: Ablauf, Kündigung, Kosten
- taz.de: Rauswurf vor Weihnachten