Messungen während der Fahrt Dieses Auto soll Schlaganfälle verhindern
Kommt bald der tägliche Gesundheitscheck im Auto? Forscher aus Braunschweig und Hannover haben ein besonders smartes Fahrzeug entwickelt.
Wie wäre es, wenn Autofahrer die tägliche Pendelzeit sinnvoll für einen Gesundheitscheck nutzen und damit schweren Erkrankungen vorbeugen? Genau das soll das sogenannte Smartcar von Wissenschaftlern aus Hannover und Braunschweig möglich machen. "Die Integration einer kontinuierlichen Gesundheitsüberwachung birgt großes Potenzial, Krankheiten früher zu erkennen", sagt Professor Thomas Deserno. Durch die Messungen über einen längeren Zeitraum könnten mit dem Fahrzeug unter anderem Schlaganfälle verhindert werden.
Das Forschungsauto ist mit speziellen Sensoren ausgestattet, die während der Fahrt Gesundheitswerte überwachen: Das Lenkrad zeichnet über die Hände ein EKG auf, im Sicherheitsgurt werden die Herztöne erfasst. Zudem filmt eine Innenraumkamera das Gesicht des Fahrers, um Herzschlagrate und Atemfrequenz zu berechnen. Ein Temperatursensor im Autositz misst zusätzlich die Körpertemperatur. So könnten alle wichtigen Vitalparameter erfasst werden, heißt es in einer Pressemitteilung zum Projekt.
Smartcar: Abends kommt eine E-Mail mit Gesundheitsdaten
Bei der Erfassung wird die Fahrt in keiner Weise beeinträchtigt, wie der Professor vom Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik (PLRI) erklärt. Das PLRI ist eine gemeinsame Einrichtung der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover.
Geplant ist, dass Nutzer am Abend nach der Fahrt eine Auswertung der gesammelten Daten per E-Mail erhalten. Diese Auswertung kann auf mögliche Auffälligkeiten hinweisen, die einen Arztbesuch notwendig machen. Ein großer Vorteil der Messungen im Auto: Die Werte werden zu unterschiedlichen Tageszeiten erhoben, die aber meist auch eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen – etwa bei Fahrten zur Arbeit und zurück oder auch bei Einkaufsfahrten.
Smartcar soll präventiv wirken
"Uns geht es darum, tendenzielle Veränderungen und Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und damit präventiv zu wirken", wird Professor Deserno in der Pressemitteilung zitiert. Diabetes, kritische Herzfrequenzen, sich anbahnende Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Erschöpfung ließen sich während der Fahrt erkennen. Das Smartcar könne möglicherweise auch Schlaganfälle verhindern. Denn: Gut ein Drittel aller Schlaganfälle werden dem Professor zufolge durch Vorhofflimmern ausgelöst – das Auto könne häufigere oder längere Unregelmäßigkeiten beim Herzschlag aufdecken.
Der "tiefere Sinn" des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts ist für Deserno, Lösungen für das zukünftige Gesundheitssystem zu finden. Die Entwicklungen etwa beim Fachkräftemangel oder der Demografie führen seiner Überzeugungen nach dazu, dass das Gesundheitssystem nicht mehr lange wie jetzt betrieben werden kann.
Bisher werde ein Schlaganfall behandelt, nachdem er passiert sei. Mehr Fokus auf Prävention zur möglichen Vermeidung solcher Notfälle sollte aus Sicht der Wissenschaftler Teil der Lösung sein.
Der Medizin-Informatiker Deserno räumt aber ein, dass der berühmte Transfer aus der Wissenschaft in die Praxis ein "echtes Problem" sei. Die Umsetzung betrifft ihm zufolge die "Medical Device Regulation" (MDR), also eine EU-Verordnung für Medizinprodukte, die wiederum für die Automobilbranche eher Neuland ist, ein komplett anderes Feld. Die Frage nach der Umsetzung bleibe daher schwierig.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- magazin.tu-braunschweig.de: Wenn das Auto Schlaganfälle verhindert