Debatte im Wahlkampf Giffey: Weniger Parkplätze reduzieren nicht den Verkehr
Vor allem die Grünen wollen bei der Wiederholungswahl mit Klimaschutz punkten. Franziska Giffey hat ihrem Koalitionspartner nun in einem Punkt widersprochen.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) lehnt eine starke Reduzierung von Parkplätzen in der Hauptstadt ab und widerspricht damit dem Koalitionspartner. "Wenn die Grünen den Leuten die Hälfte der Parkplätze wegnehmen, führt das eben nicht automatisch zu weniger Verkehr", sagte Giffey im Interview der "Berliner Morgenpost" (Sonntag) drei Wochen vor der Wiederholungswahl am 12. Februar.
Es müssten die unterschiedlichen Interessen aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigt werden. Parkplätze und Lieferzonen seien auch künftig in der Innenstadt nötig. "Radikale Ansagen, die bestimmte Verkehrsteilnehmer ausschließen, verschärfen die Situation in der Stadt", meinte die SPD-Spitzenkandidatin.
Grüne wollen Spielplätze statt Parkplätze
Die Grünen fordern seit langem einen Wegfall von Parkplätzen und verkehrsberuhigten Zonen zugunsten von Spiel- und Sportplätzen sowie Fußgängern und Radfahrern. Mobilitätssenatorin und Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hatte zuletzt erneut betont, die Zahl öffentlicher Parkplätze in Berlin müsse deutlich verringert werden. Ihre Partei plant eine Halbierung in den nächsten zehn Jahren.
"Platz zum Leben statt Parkplatz" heißt es dazu im Grünen-Wahlprogramm, das am Samstag auf einem Parteitag einstimmig verabschiedet wurde. Das rund 130 Seiten umfassende Papier basiert auf dem Programm für die Wahl 2021, wurde aber in manchen Punkten für die Wiederholungswahl noch einmal überarbeitet und ergänzt.
Vor der Wiederholungswahl bat Spitzenkandidatin Jarasch bei der Landesdelegiertenkonferenz am Samstag die Klimabewegung um Unterstützung. "Wir haben die Chance, die nächste Regierung anzuführen. Das ist auch eine Chance für Berlin und für den Klimaschutz", sagte die Politikerin. "Deshalb bitte ich die Klimabewegung, diese Chance für Berlin zu unterstützen."
Am 12. Februar gehe es darum, ob künftig die CDU regiere, die eine neue Autobahn durch die Stadt wolle oder nach den Silvesterkrawallen nach Vornamen der Tatverdächtigen frage – oder die Grünen, die eine klimaneutrale und sozial gerechte Stadt wollten. Sie verstehe den Frust der Aktivisten und Aktivistinnen auch aus Berlin, die jüngst im nordrhein-westfälischen Lützerath gegen den Kohleabbau protestierten, so Jarasch.
"Was dort vereinbart wurde, ist kein toller Erfolg." Es handele sich um einen mühsam verhandelten Kompromiss, "der uns nicht zufrieden machen kann". Zur Wahrheit gehöre aber auch: "Ohne die Grünen gäbe es selbst diesen schmerzhaften Kompromiss nicht."
Nach dem Großeinsatz der Polizei in Lützerath gegen Klimaaktivisten, die Braunkohle-Abbau verhindern wollten, hatte es Kritik an den Grünen gegeben. Die grüne NRW-Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur verteidigte die beschlossene Abbaggerung von Lützerath indes damit, dass dafür der Kohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorgezogen worden sei und fünf andere Dörfer im Rheinischen Braunkohlerevier vor der Zerstörung bewahrt würden.
Der Klimaschutz gehört inklusive einer Energie- und Wärmewende zu den Schwerpunkten des Grünen-Wahlprogramms in Berlin. So will die Partei Milliardeninvestitionen in die Umstellung der Wärmeversorgung von Kohle und Gas auf erneuerbare Energien, Geothermie oder Abwasser sowie in die energetische Gebäudesanierung. Sie streben auch eine Verwaltungsreform mit klarerer Aufgabenverteilung zwischen Landes- und Bezirksebene an.
Jarasch will nur emissionsfreie Autos innerhalb des S-Bahn-Rings
Weiteres Ziel ist ein Umbau der Mobilität. Jarasch formulierte unter anderem das Ziel, die Zahl der Autos zu reduzieren und mehr verkehrsberuhigte Zonen zu schaffen. Ihre Vision sei zudem, dass in zehn Jahren innerhalb des S-Bahn-Ringes nur noch emissionsfreie Autos fahren, Tempo 30 die "Regelgeschwindigkeit" in der Stadt sei und es doppelt so viele Geschwindigkeitskontrollen gebe wie heute.
Gemeinsam mit Brandenburg, der Deutschen Bahn und dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) wollen die Grünen den öffentlichen Nahverkehr in der Hauptstadtregion ausbauen. Bis zu 180 Kilometer Bahnstrecke sollen reaktiviert, ausgebaut oder neu geschaffen werden.
Ein gutes Angebot im öffentlichen Nahverkehr ist auch aus Sicht von Regierungschefin Giffey unverzichtbar für eine Mobilitätswende. "In der Innenstadt haben wir bereits ein ausreichend ausgebautes ÖPNV-Netz. Aber in den Außenbezirken ist das nicht der Fall", sagte Giffey. Pendler kommen ihren Angaben zufolge mit dem Auto in die Stadt, weil sie nicht gut angebunden seien. "Berlin muss in die Dichte und Höhe, aber eben auch in die Breite wachsen. Und das geht nur mit Linienverlängerungen in die Außenbezirke."
Weil bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 viele Probleme und Fehler auftraten, ordnete der Berliner Verfassungsgerichtshof eine komplette Wiederholung an, die am 12. Februar stattfindet. Die Grünen wollen die Koalition mit SPD und Linken danach fortsetzen – sie hoffen aber, dass das unter ihrer Führung mit Jarasch im Rathaus passiert. In letzten Umfragen lag allerdings die CDU vorn. Rot-Grün-Rot hätte demnach im Abgeordnetenhaus aber trotzdem eine Mehrheit der Sitze.
- Nachrichtenagentur dpa