Nahost-Konflikt Antisemitismus bei Palästinenser-Demo: Polizei prüft Videos
Nach den anti-israelischen Demonstrationen palästinensischer Gruppen und arabischstämmiger Jugendlicher in Berlin wertet die Polizei Videos aus, um die Täter zu identifizieren. Die Polizei wies Kritik daran zurück, dass insbesondere die Demonstration am Samstag in Neukölln nicht beendet worden sei. Es komme darauf an, ob die antisemitischen Rufe und Parolen von Einzelnen, Gruppen oder aus einer ganzen Demonstration heraus erfolgten, sagte ein Polizeisprecher am Montag.
Man habe die Situation vor Ort beobachtet und eigens einen Dolmetscher dabei gehabt, der arabische Parolen übersetzt habe. Anderseits könne die Polizei bei einer Demonstration mit vielen hundert Teilnehmern nicht alles sehen und hören. Auch am 1. Mai werde die Polizei mögliche antisemitische Plakate oder Parolen aus dem ersten Block der linken Gruppe "Migrantifa" sehr genau im Auge haben. Im vergangenen Jahr waren in dem Demonstrations-Block junger Migranten antisemitische Vorfälle beobachtet worden.
Bei den Demonstrationen gegen Israel waren mehrere hundert pro-palästinensische Demonstranten durch Kreuzberg und Neukölln gezogen. Die Polizei sprach anschließend von antisemitischen Rufen und volksverhetzenden Parolen. Am Freitag warfen Teilnehmer Steine und Böller, Polizisten wurden verletzt. Am Samstag seien Polizisten mit Plakaten und Holzstangen beworfen worden, Journalisten wurden bedrängt, beleidigt und angegriffen. Besonders aggressiv sei eine Gruppe von 40 Jugendlichen gewesen. In einer vielfach weitergeleiteten Videosequenz vom Hermannplatz rufen junge Männer Äußerungen wie "Drecksjude". Mehrere Demonstranten wurden festgenommen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die "antisemitischen Beschimpfungen", CDU-Generalsekretär Mario Czaja sprach von zutiefst beschämenden "Szenen hasserfüllter und antisemitischer Übergriffe". Der Berliner Antisemitismus-Beauftragte Samuel Salzborn teilte mit, der Hass richte sich direkt gegen alle Jüdinnen und Juden. "Der Kern dieser Versammlungen ist Antisemitismus, sonst nichts." Der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte: "Der Judenhass kommt so regelmäßig wie das NieWieder. Es ist Zeit zu handeln!"
Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour betonte, Gründe für den Antisemitismus der palästinensischen Demonstranten seien weder Trauma noch Diskriminierung oder Perspektivlosigkeit und "auch keine biographische Nähe zu den Ereignissen" in Palästina. "Es sind die Erziehungsmethoden, Religionsverständnisse, Bildung und Medien, die täglich daran arbeiten, diesen Hass weiter zu schüren."
Die Polizei wies darauf hin, dass der umstrittene Ausschluss einiger Journalisten von der Demonstration wegen des neuen Demonstrationsgesetzes erfolgt sei, das dem Veranstalter dieses Recht einräume. Im Gesetz, das SPD, Linke und Grüne 2021 beschlossen, heißt es: "Die Versammlungsleitung darf Personen, die die Ordnung der Versammlung erheblich stören, aus der Versammlung ausschließen." In der Begründung heißt es dann ausdrücklich: "Das gilt auch für Presseangehörige, sofern sie die Ordnung der Versammlung erheblich stören." Wer darüber entscheidet, ob eine solche erhebliche Störung vorliegt, wird nicht angegeben.
Erst vor knapp einem Jahr hatte es bei palästinensischen Demonstrationen gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Konflikt antisemitische Vorfälle und heftige Gewaltausbrüche in Berlin und anderen deutschen Städten gegeben. In Neukölln wurden auch antisemitische und anti-israelische Rufe wie "Kindermörder Israel", "Frauenmörder Israel" und "Free Palestine" gerufen. Schon damals forderten Experten Strategien gegen den verbreiteten Antisemitismus in arabischstämmigen Gruppen.