Per Kaiserschnitt Siamesische Zwillinge in der Berliner Charité geboren
Berlin (dpa) - Nach mehr als 15 Jahren sind in Deutschland wieder siamesische Zwillinge geboren worden. Das zusammengewachsene Geschwisterpaar kam am Donnerstag in der Berliner Charité per Kaiserschnitt zur Welt, wie die Berliner Universitätsmedizin am Freitag bestätigte.
Der Eingriff sei gut verlaufen. "Aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht und des Persönlichkeitsschutzes erteilen wir derzeit aber keine weitergehenden Auskünfte", hieß es von der Charité. Zuerst hatte der Ärztenachrichtendienst berichtet.
Als siamesische Zwillinge bezeichnet die Medizin eine Fehlentwicklung bei eineiigen Zwillingen, deren Körper miteinander verwachsen sind. Das passiert bereits in sehr frühen Entwicklungsstadien im Mutterleib. Einige Babys sind nur oberflächlich zusammengewachsen, andere teilen sich Organe oder Gliedmaßen.
Ärzte versuchen häufig, zusammengewachsene Zwillinge operativ voneinander zu trennen. An welchen Stellen am Körper die Berliner Zwillinge zusammengewachsen sind, gab die Charité nicht bekannt.
In Deutschland war eine Operation zuletzt im September 2015 in Köln geglückt. Ein Team aus 20 Ärzten und Pflegern hatte in einer fünfstündigen Operation ein siamesisches Zwillingspaar aus Georgien getrennt. Es war an Brust und Bauch zusammengewachsen und hatte sich eine Leber geteilt. Alle anderen Organe der knapp ein halbes Jahr zuvor geborenen Mädchen Tamari und Tebrole waren nach Angaben der Klinik aber komplett.
Ähnlich waren die Oberkörper der Mädchen Nima und Dawa aus Bhutan zusammengewachsen. Auch sie hatten eine gemeinsame Leber. Im November 2018 wurden beiden 15 Monate alten Kinder aus dem Himalaya-Staat in Australien erfolgreich getrennt.
Etwa zwei Jahre zuvor brauchten Ärzte in den USA 27 Stunden, um die Köpfe der 13 Monate alten Brüder Anias und Jadon zu trennen. Die Jungen hatten sich eine etwa fünf mal sieben Zentimeter große Fläche Hirngewebe geteilt. Heute sind die beiden drei Jahre alt und lernen die Welt immer weiter kennen.
Allerdings nehmen die komplizierten Operationen nicht immer ein glückliches Ende. Im Dezember 2009 starben in der slowakischen Hauptstadt Bratislava zwei Jungen. Die an Leber und Darmsystem zusammengewachsenen Zwillinge hatten eine Notoperation, mit der sie getrennt werden sollten, nicht überlebt. Die Ärzte wollten zumindest das Leben eines der beiden Babys retten.
Das gelang allerdings beim letzten deutschen Geschwisterpaar, das in der Gebärmutter zusammengewachsen war. Lea und Tabea kamen 2003 zur Welt. Ärzte in den USA konnten das Leben von Lea retten. Operiert hatte die beiden am Kopf zusammengewachsenen, etwa einjährigen Mädchen aus Lemgo (Nordrhein-Westfalen) der anerkannte Arzt Ben Carson, der heute Minister im Kabinett von US-Präsident Donald Trump ist. 2016 sagten die Eltern, dass ihre schwer sehbehinderte Tochter Lea ein fröhlicher Teenager geworden sei.
Siamesische Zwillinge sind extrem selten. Geschätzt kommt es weltweit zu einer solchen Geburt pro 70.000 bis 200.000 Geburten - in Deutschland aber noch einmal deutlich seltener als zum Beispiel in Asien.
Benannt ist das Phänomen nach Chang und Eng Bunker, die 1811 in Siam - weitgehend das heutige Thailand - zur Welt kamen und ihr Leben lang miteinander verwachsen blieben. Sie waren von der Brust bis zum Nabel zusammengewachsen, traten im Zirkus auf und wurden 62 Jahre alt.
Das älteste siamesische Zwillingspaar lebt laut Guinness-Buch der Rekorde von 2014 in den USA. Seit ihrer Geburt 1951 teilen sich Ronnie und Donnie Galyon einen Unterleib.