Er galt lange als erloschen Vulkan auf Kamtschatka brodelt wieder
Moskau (dpa) - Wie aus einem Prospekt für den Skiurlaub wirken die Berge auf der Pazifik-Halbinsel Kamtschatka im Osten Russlands. Doch unter den Schneemassen lauert Gefahr: Ein als erloschen geglaubter Vulkan ist vor einiger Zeit wieder erwacht.
"Es kann jederzeit zu einem Ausbruch kommen", sagt der Vulkanologe Iwan Kulakow der Deutschen Presse-Agentur. Seit gut zwei Jahren stellen Wissenschaftler fest, dass die seismische Aktivität des Vulkans Bolschaja Udina in der Vulkan-Gruppe Kljutschewskaja zunimmt. Sollte er ausbrechen, könnte das verheerende Folgen haben, nicht nur in Russland.
Vulkane, in denen es lange nicht rumorte, seien besonders gefährlich, erklärt der Wissenschaftler. "Die erste Eruption kann sehr stark und explosiv sein." Bei aktiven Vulkanen könne sich die Energie nicht im Inneren ansammeln. "Bei inaktiven Vulkanen ist das anders. Da kann eine Eruption katastrophal sein." Für die Menschen in den dünn besiedelten Gebieten herum werde das wohl nicht sehr gefährlich. "Sie werden höchstwahrscheinlich nicht in größerem Ausmaß betroffen sein."
Als folgenreich beschreibt Kulakow, wenn Aschewolken ausgestoßen werden, die dann Tausende Kilometer weit fliegen könnten. "Wenn sie in die Stratosphäre gelangen, können die Partikel sehr schnell in einen anderen Teil der Welt gelangen und das Klima verändern." Auswirkungen werde es dann auch auf den Flugverkehr geben. "Aschewolken sind selbst in geringer Konzentration sehr gefährlich für Flugzeuge." Asche kann die Turbine der Maschinen verstopfen.
2010 war der Vulkan Eyjafjallajökull in Island ausgebrochen. Er hatte große Mengen Asche mehrere Kilometer in die Höhe gejagt und dadurch den Flugverkehr in Nord- und Mitteleuropa zeitweise zum Erliegen gebracht. Menschen saßen auf Flughäfen fest.
Kulakow hatte zusammen mit Kollegen aus Ägypten und Saudi-Arabien eine Studie zu dem Vulkan auf Kamtschatka erstellt und sie jüngst in der Fachzeitschrift für Vulkanologie und Geothermie veröffentlicht. Panik will er nicht verbreiten. "Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Vulkan ausbricht, liegt bei 30 Prozent", sagt der Vizechef des Instituts für Petroleum-Geologie und Geophysik in Nowosibirsk. Wann das - wenn überhaupt - passiert, lasse sich nicht vorhersagen. So etwas zeichne sich in der Regel erst wenige Tage vor einem solchen Ereignis ab. "Vulkanologen können Ausbrüche eine Woche im Voraus vorhersagen. Es gibt keine Langzeitvorhersagen", sagt er.
Die Wissenschaftler wollen nun weitere Messstationen um den Vulkan herum im zentralen Teil der Kamtschatka-Halbinsel aufstellen. "Das Problem aber ist, dass er weit entfernt von Straßen und Städten liegt. Um dorthin zu gelangen, benötigen wir Hubschrauber." Das Wetter sei allerdings nicht immer gut, berichtet der Forscher. Und: "Diese Flüge sind sehr teuer." Weil der Vulkan bislang als nicht aktiv galt, gibt es nicht sehr viele Messstationen dort.
Von Mai bis Juli vergangenen Jahres sind der Untersuchung zufolge 559 Erdbeben unter Bolschaja Udina registriert worden. Die Forscher änderten daraufhin die Einstufung - der Vulkan könne nicht länger als erloschen gelten. Im Februar dieses Jahr sei unter dem Vulkan ein Erdbeben der Stärke 4,3 registriert worden - die stärkste seismische Aktivität in dieser Region, heißt es in der Studie.
Der Vulkan auf der Halbinsel im Nordosten Asiens ist nicht der einzige, in dem es rumort. Um ihn herum in einer Entfernung von 20 Kilometern gebe es mehr als zehn Vulkane. "Drei von ihnen sind sehr aktiv", sagt der Vulkanologe. Die 1200 Kilometer lange und bis zu 450 Kilometer breite Halbinsel zählt rund 160 Vulkane. Es kommt immer wieder zu Ausbrüchen. Die Vulkanregion gehört zum Weltnaturerbe.