Sommer, Sonne, Sonnenbrand Erbe der 70er: Dermatologen rechnen mit mehr Hautkrebs
Berlin (dpa) - Sommer, Sonne, Sonnenbrand. Noch vor etwa 30 Jahren galt das in vielen Familien oder auf dem Bau fast als normal. Auch wenn das Bewusstsein für die Gefahren von Hautkrebs inzwischen größer ist, bleibt ein Erbe jener Zeit.
Dermatologen rechnen für die nächsten 30 Jahre mit einem deutlichen Anstieg aller Hautkrebs-Arten in Deutschland. "Wir werden jetzt die Effekte der 70er und 80er Jahre sehen, in denen Bräune schick war", sagte Dirk Schadendorf, Hautarzt am Uniklinikum Essen, am Donnerstag bei der Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Berlin.
Zurzeit gebe es in Deutschland rund 300 000 Neudiagnosen von Hautkrebs pro Jahr. In der Mehrzahl handele es sich um weißen Hautkrebs, 23 000 Fälle beträfen schwarzen Hautkrebs. Dazu kämen seltene andere Hautkrebsarten. Das Erkrankungsrisiko nimmt mit dem Alter zu. Doch immer häufiger bekommen auch jüngere Menschen die Diagnose Hautkrebs. Aber nicht jede Entwicklung ist negativ. Ein Überblick:
WISSEN: Die Gefahr von Hautkrebs ist nach der Einschätzung von Dermatologen heute in Deutschland bekannt. "Es gibt ein höheres Bewusstsein", sagt Fachmediziner Schadendorf. "Einen Verhaltenswandel gibt es aber nur bedingt." Sonnencreme werde häufig noch zu dünn oder nicht oft genug aufgetragen. Dadurch werde der aufgedruckte Lichtschutzfaktor selten erreicht. "Eine Packung Sonnenschutz hält pro Person vielleicht zwei Wochen. Aber nicht drei Sommer lang für eine Familie", sagte der Hautarzt.
Sonnencreme allein helfe auch nicht zwingend gegen schwarzen Hautkrebs. Wichtig sei generell, nicht zu lange in der prallen Sonne zu bleiben, Kopfschutz sowie lange Hemden und Hosen zu tragen und auch mal mit einem T-Shirt ins Wasser zu gehen. Selbsthilfegruppen sehen immer noch eine Verharmlosung und ein Unterschätzen von Hautkrebs. "So unter dem Motto: "Ach, nur Hautkrebs, da hast du aber Glück gehabt"", sagt Katharina Kaminski von der Patientenselbsthilfe Melanom in Düsseldorf. Sie forderte Sonnencremspender in Schulen und Kitas und ein Verbot von Solarien.
NEUE THERAPIEN: Schwarzer Hautkrebs (malignes Melanom) ist der aggressivste Hautkrebs. Mit hoher Wahrscheinlichkeit streut er in den Körper und kann innerhalb kurzer Zeit tödlich enden. Rund 3000 Todesfälle gibt es pro Jahr in Deutschland. Mehr als 70 Prozent aller Fälle werden nach Angaben des Berufsverbandes der Dermatologen aber frühzeitig erkannt. Die Aussichten auf Heilung liege dann zwischen 86 und 100 Prozent. Inzwischen gebe es mehr als zehn neue Medikamente, die eine Vermehrung von Hautkrebszellen gezielt blockierten oder das Immunsystem aktivierten, sagt Fachmediziner Schadendorf.
ARBEIT: Seit 2015 ist Hautkrebs als eine von rund 80 Berufskrankheiten anerkannt. Hautkrebs belege dabei mit Rang drei einen der Spitzenplätze, berichtet Christoph Skudlik, Mediziner am Institut für interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation in Osnabrück. Ob Spargelstecher, Bauarbeiter oder Dachdecker - Messungen hätten inzwischen gezeigt, dass die Belastung durch Sonneneinstrahlung bis zu dreimal höher liege als bisher geschätzt.
Sonnencreme steht für Skudlik erst am Ende einer Präventionskette. "Wir müssen dahin kommen, dass schattenspendende Zelte beim Spargelstechen oder Sonnensegel auf Baustellen so normal werden wie das Anschnallen im Auto", sagt er. Ebenso schützende Kleidung und Kopfbedeckungen - etwa auch für Bademeister. "Das sieht nicht lächerlich aus, das wirkt professionell." Kontrollen der Sonnenschutz-Auflagen für die einzelnen Berufsgruppen hält Skudlik für unerlässlich.
PRÄVENTION: Sie fängt inzwischen im Kindergarten an. 2018 kooperierten bundesweit 200 Hautärzte mit Kitas, dieses Jahr soll die Zahl auf über 300 steigen. "Kinderhaut ist am empfindlichsten, egal, ob das Kind helle oder dunkle Haare hat", sagt Ralph von Kiedrowski, Mitglied im Vorstand des Berufsverbands der Dermatologen. Über die Kinder hoffen die Hautärzte auch die Eltern zu erreichen. Bisher hätten 40 Prozent der gesetzlich Versicherten das Hautkrebs-Screening in Anspruch genommen, das es seit 2008 gibt. Allerdings kamen bisher eher wenige regelmäßig alle zwei Jahre zum Check.