Geleaktes Strategiepapier Putins Plan für Moldau
Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine besteht die Sorge, dass Russland als nächstes Ziel Moldau im Visier haben könnte. Nun gibt es Berichte über ein brisantes Strategiepapier aus dem Kreml.
Was plant Russland mit der Republik Moldau? Ein Strategiepapier, das aus der russischen Präsidialverwaltung stammen soll, skizziert Berichten zufolge eine detaillierte Strategie für die frühere Sowjetrepublik. Der Plan wurde an mehrere internationale Medien geleakt, unter anderem berichteten "Süddeutsche Zeitung" (SZ), NDR und WDR von dem Papier: Gehe es nach dem Willen des Kremls, solle sich das kleine Land vom Westen lossagen – und eine Zukunft an Moskaus Seite anstreben.
Der offenbar im Sommer 2021 entworfene Plan enthalte konkrete Schritte, wie der Kreml in drei Etappen bis ins Jahr 2030 prorussische Strömungen in Moldau fördern und gleichzeitig eine Westorientierung des Landes Richtung Nato und Europäische Union verhindern wolle.
Das Dokument stammt offenbar von denjenigen Kreml-Experten, die zur gleichen Zeit ein Papier entworfen haben, in dem es um eine schleichende Einverleibung von Belarus durch Moskau geht. Darüber hatten die "SZ" und ihre Partner bereits im Februar berichtet.
Es soll um die Schaffung eines Vasallenstaats gehen
Moskaus Plan für Moldau ziele diesmal jedoch weniger auf eine Integration des Landes in einen russisch dominierten Unionsstaat – auf mittlere Sicht gehe es um nichts anderes als die Schaffung eines Vasallenstaats, der sich dem Willen Moskaus unterordnet.
Ein hochrangiger westlicher Geheimdienstmitarbeiter, der beide Papiere gelesen hat, sagte der "SZ": Moskaus Ziel in Moldau sei es, "den prorussischen Einfluss im Land zu steigern". Russland sehe das Land "eher als prorussisch orientierten Puffer", denn als Teil eines neuen russischen Großreichs. Der Kreml wolle offenbar "ein Stoppschild Richtung Westen" setzen und "mit allen Mitteln eine EU- und Nato-Mitgliedschaft" des Landes verhindern.
Unruhen in Moldau
In den vergangenen Wochen war die Sorge vor einem Regierungsumsturz in Moldau gewachsen. Anfang März war es zu heftigen Unruhen gekommen. In der Hauptstadt Chișinău gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die prowestliche Regierung des Landes zu demonstrieren (hier lesen Sie mehr).
Auch Moldaus Präsidentin Maia Sandu sprach von einem Plan Moskaus, gewalttätige Ausschreitungen und Angriffe auf staatliche moldauische Institutionen anzuzetteln und diese als Proteste zu tarnen. "Das Ziel ist es, die verfassungsmäßige und legitime Ordnung in eine illegitime umzuwandeln (...), damit Russland Moldau in seinem Krieg gegen die Ukraine benutzen kann", sagte die proeuropäische Staatschefin der kleinen Republik.
Das Land hat 2,6 Millionen Einwohner, eine russische Minderheit und liegt zwischen Rumänien und der Ukraine. Die Republik Moldau, die bis 1991 Teil der Sowjetunion war, hat in den vergangenen Jahren eine prowestliche Wende vollzogen und damit Moskau erzürnt. 2022 wurde Moldau der Status eines EU-Beitrittskandidaten zugesprochen. Die Ex-Sowjetrepublik gehört nicht zur Nato, sie ist politisch zwischen proeuropäischen und prorussischen Kräften gespalten.
Einfluss des Westens soll entgegengewirkt werden
Das geleakte Papier gibt nun offenbar tiefe Einblicke in die Strategie des Kremls: Eines der zentralen russischen Ziele für die kommenden zehn Jahre sei es, "den Versuchen externer Akteure entgegenzuwirken, sich in die internen Angelegenheiten der Republik einzumischen, den Einfluss der Nato zu stärken und die Positionen der Russischen Föderation zu schwächen". Herausgehoben werden den Berichten zufolge in dem Zusammenhang die USA, Länder der Europäischen Union, die Türkei und die Ukraine.
Gleichzeitig wolle Moskau anscheinend Hilfe leisten, wenn es um die mögliche Beteiligung Moldaus im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (CSTO) oder der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) geht – Vereinigungen also, die von Russland dominiert werden.
Transnistrien steht im Mittelpunkt einer möglichen Eskalation
Der Krieg gegen die Ukraine könnte jetzt dafür sorgen, dass Moskau weniger Zeit bleibt, um seine Ziele mit Moldau zu erreichen. In der EU und den USA besteht die Sorge, dass Moskau schneller Fakten schaffen möchte und durch einen möglichen Umsturz in Moldau die Ukraine dann auch von Westen her unter Druck setzen könnte. Darauf deutet auch die Zuspitzung der Lage im Russland zugewandten Transnistrien hin.
Die selbst ernannte Republik Transnistrien ist ein schmaler Landstreifen an der Grenze zur Ukraine, der eine eigene Regierung und Verwaltung hat. Die Region gehört völkerrechtlich weiter zu Moldau, wird aber von prorussischen Separatisten kontrolliert. Die Bevölkerung in Transnistrien ist teils ukrainisch, teils russisch und teils moldawisch.
Der Geheimdienst der Republik Moldau hatte Russland bereits mehrmals vorgeworfen, eine Invasion in Moldau aus Transnistrien heraus zu planen. Möglich sei ein Zeitraum zwischen Januar und April. Moskau beabsichtige dabei, Transnistrien und Moldau zu verbinden.
- Vorabbericht der "Süddeutschen Zeitung"
- Mit Material der Nachrichtenagenturen afp und dpa