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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Atomenergie auf dem Vormarsch Rolls-Royce will Kernkraftwerk auf dem Mond bauen
Rolls-Royce fährt aufs All ab: Bei dem Unternehmen läuft die Entwicklung eines Kernreaktors für den Mond – damit Menschen dort lange Zeit bleiben können.
Wie soll Leben auf dem Mond funktionieren? Eine zentrale Rolle bei einer möglichen Basis von Astronautinnen und Astronauten auf dem Erdtrabanten spielt die Energieversorgung – und genau dazu forscht Rolls-Royce: Das Unternehmen will einen Mikrokernkraftreaktor auf den Mond bringen. Die Energie des Winz-Kraftwerks könnte dort genutzt werden, um Wasser oder Atemluft zu filtern oder Raketentreibstoff zu erzeugen. Die britische Regierung unterstützt das Vorhaben mit umfassenden Fördermitteln.
Mit Luxusautos hat die Forschung fürs Weltall wenig zu tun: Die Mondfahrt ist bei der Rolls-Royce Holding angesiedelt, die mit dem Automobilhersteller nur noch die beiden markanten "R" im Logo gemeinsam hat. Die Nobelwagen von Rolls-Royce sind inzwischen beim BMW-Konzern angesiedelt, der die Markenrechte erworben hat. Die Holding hingegen produziert Triebwerke und Bauteile etwa für Airbus und Boeing, die Tochterfirma Rolls-Royce Submarines liefert die Antriebe für Großbritanniens Atom-U-Boote.
Britischer Staat verzehnfacht Investition
Nun investiert das Unternehmen auch in die Entwicklung von Reaktoren fürs All. Und die britische Weltraumbehörde steigt größer ein: Der Staat verzehnfacht sein Engagement. Für die Entwicklung einer Demo-Version des modularen britischen Mond-Kernreaktors fließen 2,9 Millionen Pfund (3,3 Millionen Euro). Eine Studie dazu ist bereits mit 249.000 Pfund (280.000 Euro) finanziert worden.
Experten gehen davon aus, dass Atomkraft die Dauer von Mondmissionen dramatisch verlängern könnte. Paul Bate, Chef der britischen Raumfahrt-Agentur, sieht darin die mögliche "Grundlage für die kontinuierliche Präsenz von Menschen auf dem Mond". Mit einer Basis auf dem Mond sollen dann auch Flüge zum Mars einfacher werden.
Um Arbeitsplätze im britischen Raumfahrtsektor geht es dabei auch. Mitgliedsland der Europäischen Weltraumagentur ESA ist Großbritannien aber auch nach dem Brexit geblieben. Bei der Kraftwerkstechnik ist jedoch vor allem eine Kooperation mit der NASA ausschlaggebend.
Rolls-Royce-Reaktor für den Mond soll 2029 fertig sein
Rolls-Royce will bis 2029 den ersten Reaktor fertigstellen, der zum Mond geschickt werden kann. Ein nuklearer Mikroreaktor ist im Vergleich zu anderen Energiesystemen relativ klein und leicht. Unabhängig vom Sonnenlicht – das bisher zur Stromgewinnung im Weltraum genutzt wird – könnte er die Stromversorgung kontinuierliche sicherstellen.
Atomenergie wird in der Raumfahrt bereits eingesetzt: In der Regel handelt es sich dabei um Radioisotopen, Thermoelektrische Generatoren (RTG), die aus der Wärme von nuklearem Zerfall Strom gewinnen. Echte Kernreaktoren wie in Atomkraftwerken sind im experimentellen Stadium.
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Im Januar hatte Rolls-Royce ein Bild seines Prototyps über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet. Das Mikrokraftwerk arbeitet demnach mit Uran. Jedes Uranpartikel soll in mehrere Schutzschichten zur Eindämmung eingekapselt sein, um den extremen Bedingungen im All standhalten zu können. Zum Vergleich: Atom-U-Boote kommen mit etwa einem Löffel voll Uran einmal um die Erde.
Beitrag zur CO₂-Reduzierung
Rolls-Royce sieht in seiner Kernkraft-Forschung auch einen Beitrag zur CO₂-Reduzierung, da die Technik nicht auf den Mond beschränkt sei: „Die Technologie wird es möglich machen, kommerzielle und militärische Anwendungsfälle zu unterstützen und gleichzeitig eine Lösung zur Dekarbonisierung der Industrie bereitzustellen“, erklärte Abi Clayton, Direktor des Zukunftsprogramms bei dem Unternehmen.
Für die Winz-Kernkraftwerke laufen laut Rolls-Royce bereits Marktprüfungen und Gespräche: Unter anderem könnte ein abgelegener Air-Force-Stützpunkt in Alaska zu einem Testfall werden – die zugehörige Gemeinde sucht einen Anbieter für ein Mikrokraftwerk, dessen energetische Leistung perspektivisch die mehr als 8.000 Tonnen Kohle ersetzen kann, die aktuell pro Woche verfeuert werden. Aber auch in der Bergbauindustrie oder in Katastrophengebieten könnte beispielsweise ein im Container angelieferter Reaktor mit 5 Megawatt Leistung zum Einsatz kommen. Die Nennleistung entspricht der einer großen Offshore-Windkraftanlage – der derzeit größte Solarpark in Deutschland hat eine Leistung von rund 187 Megawatt.