"Markus Lanz" zu Baerbock-Buch "Nicht cool!": Habeck äußert sich zu fraglichen Passagen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach den Plagiatsvorwürfen gegen Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock waren Mitglieder der Partei im TV zuletzt eher selten zu sehen. Umso spannender war der Auftritt von Co-Chef Robert Habeck.
Die Gäste
- Robert Habeck, Grünen-Co-Chef
- Helene Bubrowski, Journalistin
- Diana Zimmermann, ZDF-London-Korrespondentin
- Prof. Peter Kremsner, Infektiologe
28 Absagen habe er in der jüngsten Vergangenheit von Grünen-Mitgliedern bekommen, erklärte Lanz gleich zu Beginn seiner Sendung. "Warum?", wollte er von Habeck wissen. Wahrscheinlich seien die Parteikollegen im Urlaub, mutmaßte der und lieferte damit den gleichen Erklärungsversuch, den auch schon der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer vor einer Woche bei Lanz vorgetragen hatte.
Davon abgesehen hatten die Auftritte der beiden Grünen jedoch nicht viel gemeinsam. Im Gegensatz zu Krischer geriet Habeck nicht ins Stammeln und versuchte auch nicht, Annalena Baerbocks mutmaßlich abgeschriebene Buchpassagen schönzureden. Stattdessen zerschellten Lanz' scharfe Fragen in den meisten Fällen an der Gelassenheit des Grünen-Chefs.
"Es war ein Fehler, Quellen in der Menge nicht auszuweisen", sagte Habeck beispielsweise ganz offen. Angesprochen auf die Beschreibung einer Reise in den Irak, die Kanzlerkandidatin Baerbock für ihr Buch aus einem "Deutsche Welle"-Bericht geklaut haben soll, entgegnete Habeck schlicht: "Nicht cool!"
Krischer war bei diesem Thema vor eine Woche im Lanz-Studio ins Stammeln geraten und hatte versucht, die Vorwürfe zu relativieren. "Das war ein Fehler, auch einer der ärgerlich ist", so Habeck dazu – er habe nach der Sendung mit Krischer telefoniert.
Habeck war zum kritischen Zeitpunkt campen
Die Kommunikation seiner Partei entlang der Plagiatsvorwürfe sei im Allgemeinen "nicht gut" gewesen, räumte der Grünen-Chef ein. Sein eigenes Schweigen erklärte er damit, dass er zu dem Zeitpunkt, als die Vorwürfe aufkamen, im Urlaub gewesen sei und auf einem Feld in einem Zelt gecampt habe.
Habeck stellte jedoch auch klar, dass von seiner Partei inzwischen Fehler "zugegeben, eingeordnet und korrigiert" worden seien. "Angefangen damit hat Annalena Baerbock", so der Grünen-Chef, der selbst mehrere Bücher geschrieben hat. Auf die Kanzlerkandidatin ließ er auch trotz sinkender Umfragewerte nichts kommen.
"Annalena Baerbock ist eine Frau, die von Leidenschaft für ihre Themen durchdrungen ist", so Habeck. Bücherschreiben sei ein Handwerk, bei dem auch mal etwas schiefgehen könne, erklärte der ehemalige Schriftsteller weiter. In Baerbocks Fall sei das passiert. Sachliche Kritik sei deswegen berechtigt, die Kanzlerkandidatin "eine Hochstaplerin" zu nennen, gehe jedoch zu weit.
Den Effekt der jüngsten Diskussionen um Baerbocks Buch stritt Habeck jedoch nicht ab: "Wir haben Vertrauen verloren", sagte er bei Lanz. Und weiter: "Es ist ein bisschen angeknackst, ich glaube aber nicht, dass es zerbrochen ist." Auch "irreparabel" seien die Einbußen seiner Meinung nach nicht. Stattdessen sehe er "gute Chancen", das Vertrauen zurückerwerben zu können.
Habeck will mit Baerbock den Wahlkampf erfolgreich bestreiten
Ob er denn Verständnis dafür hätte, wenn Baerbock zurücktreten und ihm die Kanzlerkandidatur überlassen würde, wollte Lanz von Habeck wissen. "Ich fände es falsch", antwortete der und ließ sich zum ersten Mal an diesem Abend eine offene Antwort regelrecht entlocken. Ob er Verständnis hätte, wiederholte Lanz seine Frage so lange, bis Habeck schließlich erklärte: "Nein."
Dass er 2021 doch noch als Kanzlerkandidat antritt, werde nicht passieren, so der Grünen-Chef. Stattdessen solle der Wahlkampf in der derzeitigen Aufstellung erfolgreich abgeschlossen werden.
Doch was nicht ist, kann ja noch werden: Eine steile politische Karriere für Habeck sah ein Gast im Lanz-Studio am Mittwochabend offenbar als gesetzt an. Infektiologe Peter Kremsner, der eigentlich geladen war, um über Covid-Vakzine zu sprechen, sorgte für allgemeine Heiterkeit im Studio, als er sich auf Habeck als den "zukünftigen Kanzler" bezog – und das gleich zweimal.
"Das ist meine Meinung", so der Mediziner. Ob er das ernst meinte, war auch Lanz offenbar nicht ganz eindeutig klar. Der Moderator nahm die unerwarteten Einschübe mit Humor und beendete das letztlich doch noch geführte Interview zum Thema Impfstoffe mit den Worten: "Gespräche mit Ihnen sind immer ein besonderes Erlebnis."
- Markus Lanz vom 15.7.2021