Berichte von erstickenden Covid-Patienten Brasilianer stehen Schlange für Sauerstoff
Im Amazonas-Gebiet kollabiert das Gesundheitssystem erneut. Berichte von erstickenden Babys und Corona-Patienten kursieren. Die Bevölkerung protestiert gegen Präsident Bolsonaro.
Berichte über erstickende Patienten und verzweifelte Angehörige, die selbst Sauerstoffflaschen für kranke Verwandte in die Kliniken bringen, sorgen derzeit in ganz Brasilien für Entsetzen. In Manaus, der Hauptstadt von Amazonas, standen am Freitag Dutzende Menschen Schlange, um Sauerstoff zu ergattern. "Diese hier ist für meine Oma", sagte ein Mann, der eine riesige grüne Sauerstoffflasche mitnahm.
Der Bundesstaat Amazonas im Nordwesten Brasiliens, wo das Gesundheitssystem schon im vergangenen April und Mai zusammengebrochen war und Tote in Massengräbern bestattet werden mussten, ächzt seit einigen Wochen wieder unter steigenden Infektionszahlen. Die Intensivstationen sind voll, viele Kliniken haben bereits keinen Sauerstoff zur Beatmung schwer kranker Patienten mehr. Betroffen sind nicht nur Corona-Patienten, sondern etwa auch zu früh geborene Babys.
Luftwaffe liefert Sauerstoff
Patienten werden aus Manaus in andere Bundesstaaten geschickt. Persönlichkeiten wie der Youtuber Felipe Neto oder der Fußballer Richarlison forderten in sozialen Netzwerken "OXIGÊNIO PARA MANAUS!" – Sauerstoff für Manaus. Auch die deutschen Bundesliga-Klubs Eintracht Frankfurt und VfL Wolfsburg schlossen sich der Aktion an.
Einem Bericht des brasilianischen Nachrichtenportals "G1" zufolge lieferte Brasiliens Luftwaffe am Freitag Sauerstoff in die Region. Demnach seien zwei Transportflugzeuge mit 386 Sauerstoff-Zylindern am frühen Morgen in der abgelegenen Stadt mitten im Amazonas-Gebiet angekommen.
Manaus will 20.000 neue Gräber bereitstellen
Gesundheitsminister Eduardo Pazuello hatte in einer Übertragung in sozialen Netzwerken zusammen mit Präsident Jair Bolsonaro am Donnerstagabend bestätigt: "Es gibt einen Kollaps in der Gesundheitsversorgung in Manaus." Demnach warteten dort 480 Covid-19-Patienten auf ein Krankenhausbett.
Der Bürgermeister von Manaus hatte zuletzt bereits angekündigt, mehr als 20.000 neue Gräber bereitzustellen. Ab Freitag gilt im Amazonas eine Ausgangssperre von 19 Uhr bis 6 Uhr.
"Bolsonaro, tritt zurück"
In Millionenstädten wie Rio de Janeiro, São Paulo oder Brasília gingen am Freitagabend zahlreiche Menschen gegen den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro auf ihre Balkone, schlugen mit Löffeln auf Töpfe und riefen "Bolsonaro, tritt zurück". Ähnliche Proteste hatte es zuletzt Mitte 2020 auf dem ersten Höhepunkt der Corona-Krise gegeben.
Mit mehr als 208.000 Toten ist Brasilien nach den USA das am schwersten von der Corona-Pandemie betroffene Land der Welt. Der rechtsextreme Präsident Bolsonaro, der wegen seines Krisenmanagements seit Monaten in der Kritik steht, hat die Gefahr durch das Virus stets heruntergespielt und zuletzt auch immer wieder Zweifel an Impfungen geäußert.
Am Freitag kündigte seine Regierung an, zusätzlichen Sauerstoff nach Manaus zu liefern und Patienten in andere Bundesstaaten auszufliegen.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters