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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Dramatische Folgen der Corona-Krise Manche Taxifahrer schlafen sogar in ihren Autos
Wenige Branchen trifft Corona härter als das Taxigeschäft. Im Frühjahr ging fast nichts und auch jetzt ist die Lage extrem angespannt. Viele Fahrer und Firmen haben schon aufgegeben. Weitere Pleiten drohen.
Im Frühjahr, Anfang Mai, wagte Leszek Nadolski eine kühne Prognose: Wenn die Corona-Pandemie noch lange anhält, dann könnten in Berlin rund ein Viertel aller Taxis verschwinden. Der Vorsitzende der Taxi-Innung in der Hauptstadt klagte im Sender RBB, dass kaum noch jemand gefahren werden möchte. Auf seine Branche rolle eine Insolvenzwelle zu. Erste Betriebe hätten bereits aufgegeben.
Fünf Monate später muss man konstatieren: Nadolskis Prognose droht sich zu bewahrheiten. Die Pandemie hat das Taxigeschäft fast zerstört. Für Fahrer und Unternehmen kommt derzeit kaum noch etwas Zählbares herum.
Plötzlich waren die Kunden weg
Vor allem im Frühjahr war der Einbruch heftig. Mit den Kontaktbeschränkungen und den Restriktionen im Reiseverkehr, den Schließungen von Clubs, Bars und Restaurants gingen den Taxifahrern die Kunden verloren. Geschäftsreisende kamen nicht mehr, zum Flughafen wollte niemand, auch Feierlustige waren nicht mehr unterwegs. Die Zahl der Fahrten brach massiv ein: um bis zu 90 Prozent.
Seither hat sich die Lage entspannt, doch noch immer ist sie alles andere als rosig. Vom Vor-Krisen-Niveau ist die Branche meilenweit entfernt. Mit den wenigen Fahrten, die sie derzeit absolvieren, nehmen die Fahrer abzüglich der Kosten oft weniger als den Mindestlohn ein. Ihnen bleibt die Hoffnung, dass es in ein paar Monaten wieder besser ist und sie bis dahin einfach durchhalten müssen. Aber was wenn es nicht besser wird?
Zwölf Prozent der Fahrer mussten aufgeben
Schon jetzt sind die Auswirkungen dramatisch. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Taxis in Berlin von über 8.200 auf 7.300 geschrumpft. Fast 1.000 abgemeldete Fahrzeuge bedeuten einen Rückgang von etwa zwölf Prozent. Und Leszek Nadolski sieht das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht, wie er t-online sagt.
In anderen Städten ist die Lage nicht besser. Ob in Lübeck oder Leverkusen: Überall fehlt es den Taxis an Kunden, weil Touristen ausbleiben, weil die Clubs zu sind oder weil keine Messen stattfinden. Für Bremen rechnete der Vorstand eines Taxiunternehmens im "Weser-Kurier" vor, dass im Tagesgeschäft derzeit 20 Prozent weniger Umsatz gemacht würden, im Nachtgeschäft an den Wochenenden 40 Prozent weniger, und im Nachtgeschäft innerhalb der Woche sogar 60 Prozent weniger.
Ohne seine Frau hätte Nadolski die Zeit nicht überstanden
Nadolski kann diese Zahlen auch für Berlin bestätigen. Er sei aktuell bei einer Auslastung von 50 Prozent. Ohne staatliche Hilfe hätte er die letzten Monate nicht überstanden – und wenn ihn seine Frau nicht unterstützt hätte. Sie leiste sich derzeit einen Taxifahrer, sagt Nadolski und lacht. Aber länger als bis März und April stehen auch sie nicht mehr durch. "Dann müssen wir überlegen, wie es weitergeht", sagt er.
Viele seiner Kollegen müssten derzeit mit Hartz IV aufstocken. Andere meldeten ihr Geschäft gleich ganz ab. Vor allem Solo-Selbständige wie er selbst seien oft länger auf der Straße unterwegs, als es eigentlich gesund ist. Es heißt, manche Fahrer würden sogar im Taxi schlafen, um möglichst jede Fahrt, die sich ihnen bietet, mitnehmen zu können. Nadolski bestätigt das, es sei derzeit gang und gäbe, vor allem bei jungen Kollegen. Er selbst halte allerdings maximal zwölf Stunden durch.
Die Berliner Taxifahrer bauen sich ein neues Standbein auf
In Berlin versuchten die Taxifahrer nun, mehr Umsatz durch Krankenfahrten zu generieren, berichtet der Innungs-Chef. Das Thema sei in der Hauptstadt von der Branche lange ignoriert worden, weil man mit den Touristen, Geschäftsreisenden und Partygängern gut versorgt war. In anderen Regionen seien diese regelmäßigen Fahrten mit Patienten von A nach B schon längst ein wichtiges Standbein der Kollegen. Da sei man in Berlin sicher zu arrogant gewesen, sagt Nadolski.
Was ihn allerdings ärgert, ist die Sperrstunde, die der Berliner Senat in der vergangenen Woche erlassen hat. Bars, Kneipen und Spätis müssen nun von 23 bis 6 Uhr dicht machen. Für das ohnehin schwächelnde Nachtgeschäft der Taxifahrer ist das ein weiterer Schlag und eine zusätzliche finanzielle Belastung. Nadolski macht sich deshalb große Sorgen. "Wenn das so weitergeht", sagt er, "dann sind in ein paar Monaten nochmals 1.000 Taxis von der Straße weg."