Tote in Australien und den USA Coronavirus-Ausbreitung: Die Folgen werden spürbar
Berlin (dpa) - Immer mehr Menschen in Deutschland und anderen Ländern stecken sich mit dem neuen Coronavirus an. Binnen eines Tages stieg die Zahl der nachgewiesenen Infektionen in Deutschland von 66 auf 117, wie das Robert Koch-Instituts (RKI) am Sonntagvormittag in Berlin mitteilte.
Etwa 60 Länder sind weltweit betroffen - nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation rund 10 mehr als am Vortag.
In Baden-Württemberg und Bayern sollen Schüler nach dem Ende der Faschingsferien zu Hause bleiben, wenn sie sich in einem der Risikogebiete aufgehalten haben. Im Südwesten betrifft dies ausdrücklich auch viele Beamten und Polizisten. Als Risikogebiete nennt das Landesgesundheitsministerium die norditalienische Provinz Lodi in der Region Lombardei und die Stadt Vo in der Provinz Padua (Region Venetien) sowie Teile Chinas, des Irans und Südkoreas.
Mit bestätigten Infektionen bei drei Männern erreichte das Coronavirus Frankfurt am Main in Hessen. Bekannte Infektionen gibt es nun in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz.
Allein im besonders betroffenen Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen gab es 65 bestätigte Fälle. Hier endete für mehrere hundert Bewohner die häusliche Quarantäne. NRW-weit sind deutlich mehr als 70 Fälle nachgewiesen. Erstmals wurde am Sonntag ein Fall bekannt, bei dem es keinen Bezug zum Kreis Heinsberg gibt. Das Virus wurde bei einem 51-Jährigen Mann nachgewiesen, der aus dem Iran zurückgekehrt war. Aus dem Saarland und den neuen Bundesländern wurden bis Sonntagabend keine Coronavirus-Infektionen berichtet.
Mehrere Großveranstaltungen in Deutschland wurden unterdessen am Wochenende abgesagt oder verschoben. Nach Absage der weltgrößten Reisemesse ITB in Berlin war unklar, ob Aussteller entschädigt werden. Der Restaurantführer Guide Michelin sagte die für Dienstag geplante Sterneverleihung in Hamburg ab. Wegen des Coronavirus wird zudem die Düsseldorfer Fachmesse "Pro Wein" verschoben.
Wegen der Infektion mit Sars-CoV-2 bei einem Mitarbeiter bleiben alle Tochterunternehmen des Maschinenherstellers DMG Mori in Pfronten im Allgäu am Montag und Dienstag geschlossen. Rund 1600 Mitarbeiter sind davon betroffen. Die österreichischen Behörden verweigerten einer Schülergruppe aus Nordrhein-Westfalen wegen eines Coronavirus-Verdachts hinter der Grenze nach Bayern die Einreise.
In einigen deutschen Supermärkten kam es zu Hamsterkäufen - auch in Bundesländern, in denen noch keine Infektion bestätigt wurde. Kunden griffen vermehrt zu langlebigen Lebensmitteln und Getränken. Auch Regale mit Reinigungstüchern oder Desinfektionsmitteln waren leer. Nach Einschätzung des Handels drohen aber keine Engpässe.
In China starben binnen eines Tages weitere 35 Menschen an der Krankheit Covid-19, am Vortag waren es 47.573 neue Erkrankungen wurden gemeldet. Damit sind in China bislang 2870 Menschen an dem neuartigen Coronavirus gestorben.
Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus führen in China wohl zumindest teilweise zu einem Rückgang der Luftverschmutzung. Auf zwei Satellitenbildern, die die US-Raumfahrtbehörde Nasa veröffentlichte, ist der vielerorts relativ hohe Stickstoffdioxid-Ausstoß in China vor den Coronavirus-Maßnahmen Anfang Januar zu sehen - und der deutlich geringere Ausstoß im Februar. Von der hauptsächlich betroffenen Metropole Wuhan habe sich der Rückgang über China ausgebreitet.
Außerhalb von China breitet sich das Virus in Südkorea besonders stark aus. Dort erfassten die Behörden am Wochenende knapp 1400 neue Infektionsfälle. 18 Todesfälle werden mit dem Virus in Verbindung gebracht.
Auch im Iran steigt die Zahl der Covid-19-Fälle unaufhaltsam. 54 Menschen sind bis jetzt gestorben, 978 positiv getestet worden. Die Pressekonferenz des iranischen Außenministeriums soll wegen der Ausbreitung des Virus nun über eine Video-Schalte laufen, so die für Medien verantwortliche Presseabteilung im Kultusministerium am Sonntagabend.
Aus Australien wurde der erste Todesfall gemeldet. Und auch in den USA starb erstmals ein Menschen infolge der Infektion. US-Vizepräsident Mike Pence sagte in Washington, die USA verschärften ihre Reisehinweise für die betroffenen Regionen in Italien und Südkorea auf die höchste Stufe vier.
Auch das Auswärtige Amt rät von nicht nötigen Reisen etwa in die Provinz Lodi in der Lombardei sowie in die Stadt Vo ab. In Regierungskreisen hieß es, die Reise- und Sicherheitshinweise würden ständig überprüft und falls erforderlich sofort angepasst. Die US-Fluggesellschaft Delta Air Lines streicht wegen des neuartigen Coronavirus die Flüge zwischen New York und Mailand, teilte das Unternehmen am Sonntag auf seiner Homepage mit.
In Europa ist nach wie vor Italien mit fast 1700 Infektionen das am stärksten betroffen Land. Nun plant die italienische Regierung ein Hilfspaket für die durch den Coronavirus-Ausbruch zusätzlich angeschlagene Wirtschaft in Höhe von 3,6 Milliarden Euro.
Die italienische Regierung verlängerte am Sonntagabend die Absperrung von elf Gemeinden im Norden des Landes. Bei den abgeriegelten Gebieten handelt es sich um zehn Gemeinden in der Lombardei - darunter Bertonico, Casalpusterlengo, Castiglione D'Adda und Codogno - sowie Vo' in Venetien. Die insgesamt etwa 50.000 Menschen dürfen ihre Orte schon seit rund einer Woche nicht mehr verlassen. Außerdem beschloss die Regierung in Rom für ein erweitertes Gefahrengebiet Vorsichtsmaßnahmen, etwa das Verbot von Sportwettkämpfen.
Sorgen macht der Gesundheitszustand von Papst Franziskus. Er sagte seine Teilnahme an den traditionellen Fastenexerzitien außerhalb Roms "wegen einer Erkältung" ab.
Auch auf internationale Sportveranstaltungen wirkt sich die Ausbreitung von Covid-19 zunehmend aus. In Italien wurden fünf Fußball-Partien der Serie A am Wochenende verlegt, darunter die Spitzenbegegnung zwischen Juventus Turin und Inter Mailand. Der deutsche Fußball ist noch nicht direkt von möglichen Auswirkungen betroffen.
Die Bundesregierung rechnet nicht mit einem schnellen Ende des Kampfs gegen das Virus. Innenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der "Bild am Sonntag": "Ich rechne damit, dass wir zum Jahreswechsel einen entsprechenden Impfstoff zur Verfügung haben." Bis dahin müsse man das Virus mit den Mitteln des Seuchenschutzes bekämpfen. Auch die Absperrung von Regionen oder Städten schloss Seehofer nicht völlig aus - als letztes Mittel. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der "Welt am Sonntag", mit der Zahl der Ansteckungen steige die Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe oder Todesfälle.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht ausreichend Mittel vorhanden, um negativen Folgen der Ausbreitung des Virus für die Wirtschaft entgegen zu steuern. "Wenn die Lage es erforderte, dass ein solcher Impuls nötig wird, haben wir auch die Mittel, ein Konjunkturprogramm aufzulegen", sagte Scholz der "Welt am Sonntag".