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"Ein demütiger Mann des Gebets": Anteilnahme und Kritik nach Tod Benedikts


Anteilnahme und Kritik nach Tod Benedikts
Vertrauter: Missbrauchsskandal ging Benedikt nahe

Von dpa, afp, t-online
31.12.2022Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:221231-921-004486Vergrößern des Bildes
Ein Bild des verstorbenen Benedikt XVI. im Wiener Stephansdom: Der emeritierte Papst ist im Alter von 95 Jahren im Vatikan gestorben. (Quelle: Eva Manhart/AP/dpa)

Vertreter aus Politik und Religion würdigen das Wirken des verstorbenen Benedikt XVI.. Doch auch die Schattenseiten seiner Amtszeit finden Erwähnung.

Die Nachricht über den Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. hat in Deutschland und auch international große Anteilnahme ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte den als Joseph Ratzinger geborenen katholischen Geistlichen bei Twitter einen "besonderen Kirchenführer" und schrieb: "Die Welt verliert eine prägende Figur der katholischen Kirche, eine streitbare Persönlichkeit und einen klugen Theologen."

Aus den Kreisen von Opfer-Initiativen kamen jedoch auch kritische Stimmen zum Erbe des Papstes, der 2013 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten war. "Den tausenden von Missbrauchsopfern seiner Kirche in aller Welt wird er in unguter Erinnerung bleiben als langjähriger Verantwortlicher jenes Systems, dem sie zum Opfer fielen", sagte der Sprecher der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur.

Der Privatsekretär Benedikts, Kurienerzbischof Georg Gänswein, hat diesen gegen die Kritik verteidigt. Benedikt sei "kein gefühlloser Papstautomat" gewesen, schrieb Gänswein in einem Beitrag für die "Bild", der am Samstag wenige Stunden nach dem Tod des früheren Papstes veröffentlicht wurde. "Er war und blieb auch auf dem Thron Petri ganz und gar Mensch." Zugleich betonte Gänswein, dass dem früheren Papst der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche sehr nahe gegangen sei.

Merkel würdigt Benedikts Rücktrittsentscheidung

Die Alt-Kanzlerin Angela Merkel würdigte den verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. als "einen der streitbarsten und bedeutendsten religiösen Denker unserer Zeit". Sie habe mit "großer Trauer" die Nachricht von seinem Tod vernommen, erklärte Merkel am Samstag.

"Ich persönlich denke heute voller Dankbarkeit an meine Begegnungen in Rom und in Deutschland mit ihm zurück", erklärte sie nun. "Unvergessen bleiben mir seine Rede vor dem Deutschen Bundestag 2011 wie auch sein historischer Entschluss 2013, das Papstamt abzugeben." Mit dieser Entscheidung habe er gezeigt, "dass sich auch der Papst mit den Bürden des Alters auseinandersetzen musste".

Bundespräsident Steinmeier schrieb zum Tod des 95-Jährigen: "Die Einheit der Christenheit und der Dialog der Religionen, das Miteinander von Religion und Gesellschaft lagen ihm besonders am Herzen." Der deutsche Bundespräsident wird auch zu Benedikts Beerdigungszeremonie am 5. Januar in Rom erwartet. Wie der Vatikan die Beisetzung plant, lesen sie hier.

Beileidswünsche aus Moskau

Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella erklärte, Italien trauere um Benedikt, der "für das italienische Volk unvergesslich bleiben wird". Seine letzten Jahre hatte Benedikt in einem Kloster in den Vatikanischen Gärten verbracht. Mehr darüber lesen Sie hier.

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich traurig über den Tod des früheren Papstes. "Wir erinnern uns an Papst Benedikt als einen demütigen Mann des Gebets und des Studiums", teilte Guterres am Samstag mit.

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin hat Papst Franziskus sein Beileid zum Tod des emeritierten Papstes bekundet. "Benedikt XVI. war ein prominenter Ordensmann und Staatsmann, ein überzeugter Verteidiger traditioneller christlicher Werte", heißt es in dem vom Kreml am Samstag veröffentlichten Beileidsschreiben. Während seines Pontifikats seien vollwertige Beziehungen zwischen Moskau und dem Vatikan aufgenommen und die Beziehungen zwischen der russisch-orthodoxen und römisch-katholischen Kirche entwickelt worden.

"In Ökumenefragen das Gemeinsame unterstrichen"

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, hat den Beitrag des verstorbenen emeritierten Papstes zum Dialog der Kirchen unterstrichen. Joseph Ratzinger habe mit großem Scharfsinn und intellektueller Prägnanz theologische Beiträge geleistet, die über die katholische Kirche hinaus wirken, erklärte Kurschus am Samstag. "Als Kardinal und später als Papst Benedikt XVI. hat er in Ökumenefragen das Gemeinsame unterstrichen."

Aus den deutschen Bistümern der katholischen Kirche kam vor allem Anteilnahme. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer würdigte das Lebenswerk des "Papa emeritus" und betonte dessen Verbundenheit mit der Stadt. Seit der Berufung seines Bruders Georg zum Domkapellmeister in Regensburg 1964 habe Joseph Ratzinger die Stadt regelmäßig besucht. 2020 sei Benedikt überraschend noch einmal in seine Heimat gereist, um seinen schwer kranken Bruder zu begegnen. "Es wurde ein bewegender Abschied", so Voderholzer.

Für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, war Benedikt XVI. "ein beeindruckender Theologe und erfahrener Hirte". Die Katholiken trauerten um eine Persönlichkeit, die der Kirche auch in schwierigen Zeiten Hoffnung und Richtung vermittelt habe, teilte der Limburger Bischof der Deutschen Presse-Agentur mit. Bätzing würdigte "die bescheidene und demütige Art" des verstorbenen emeritierten Papstes. "Er war nicht für die Öffentlichkeit und die Bühne geboren."

"In Angst erstarrter Theologe"

Bätzing erinnerte auch an einen öffentlichen Brief, mit dem Benedikt sich an die Opfer sexuellen Missbrauchs gewandt hatte. "Die Betroffenen hat er um Vergebung gebeten und doch blieben Fragen offen", so Bätzing. Die Reform-Initiative "Wir sind Kirche" kritisierte dies aber am Samstag als unzureichend: "Zu einem persönlichen Schuldeingeständnis war er nicht bereit. Damit hat er dem Bischofs- und Papstamt großen Schaden zugefügt."

Während Joseph Ratzinger als junger Theologe die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) mitgeprägt habe, habe er sich später als ein "von Misstrauen getriebener und in Angst erstarrter Theologe" erwiesen, "der mit seinen Leitungsaufgaben überfordert war".

Auch die Päpstliche Schweizer Garde hat ihre Trauer über den Tod Benedikts XVI. bekundet. "Mit großer Trauer haben wir die Nachricht vom Tod unseres emeritierten Papstes Benedikt XVI. vernommen", hieß es in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung der Garde. "Es war eine große Ehre für alle Wächter, die ihm während seiner acht Jahre als Oberhaupt der katholischen Kirche dienen konnten."

Joseph Kardinal Ratzinger war am 19. April 2005 als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt worden – als erster Deutscher seit etwa 480 Jahren. Knapp acht Jahre später trat er in einem spektakulären Schritt als erster Papst seit mehr als 700 Jahren freiwillig zurück. Auf ihn folgte der Argentinier Jorge Bergoglio als Papst Franziskus. Benedikt lebte seitdem zurückgezogen im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten, wo er nun auch starb.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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