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Coronavirus Italien: Arzt berichtet über dramatische Zustände in Bergamo


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Arzt schildert Lage in Bergamo
"Der Krieg ist losgebrochen, die Schlachten sind erbarmungslos"


Aktualisiert am 11.03.2020Lesedauer: 5 Min.
Medizinisches Personal an einem Kontrollpunkt vor einem Krankenhaus in Italien: Intensivstationen haben sich rapide gefüllt.Vergrößern des Bildes
Medizinisches Personal an einem Kontrollpunkt vor einem Krankenhaus in Italien: Intensivstationen haben sich rapide gefüllt. (Quelle: Flavio Lo Scalzo/reuters)
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Es ist ein bewegender Appell eines italienischen Arztes: Aus einer völlig überfüllten Klinik in Bergamo beschreibt er, wie das Personal dort angesichts einer Fülle schwerkranker Corona-Patienten über seine Grenzen geht – und welche Hilfe er sich erhofft.

Er ist Assistenzarzt in der Chirurgie der Klinik Gavazzini in Bergamo, und was er schreibt, geht nun um die Welt: Dr. Daniele Macchini hat die Social-Media-Regeln der privaten Humanitas-Klinikgruppe für aufrüttelnde Schilderungen ignoriert. Er beschreibt, wie hart es für ihn, die Kollegen und Pflegekräfte in einer Stadt ist, in der das Coronavirus grassiert und allein am Montag 248 neue Infizierte gemeldet wurden.

Der Bericht des Arztes ist vor allem ein Appell an das Verantwortungsbewusstsein der Menschen. Als Ärzte in der Klinik hätten sie Einfluss auf Leben und Tod einiger Dutzend Menschen, die Bevölkerung könne durch ihr Verhalten viel mehr bewirken.

Macchini hat seinen Text auf Facebook veröffentlicht, etliche italienische Zeitungen haben ihn bereits aufgegriffen, auch Ärzte aus aller Welt teilen den Bericht. t-online.de dokumentiert die Schilderung hier leicht gekürzt.

Der Bericht aus dem Coronavirus-Ausnahmezustand:

"Ich habe lange überlegt und bin zum Schluss gekommen, dass Schweigen nicht richtig ist. Ich will versuchen, Menschen zu vermitteln, was wir in Bergamo während dieser Pandemie-Tage erleben. Ich verstehe die Notwendigkeit, keine Panik zu erzeugen. Aber wenn die Tragweite dieser Situation nicht erkannt wird und sich Leute beschweren, dass sie nicht zum Fußball oder ins Fitnessstudio gehen können, schaudert es mich.

Ich habe erstaunt verfolgt, wie das Krankenhaus während der vergangenen Woche umstrukturiert wurde, als wir es noch nicht mit unserem aktuellen Feind zu tun hatten: Die Stationen leerten sich langsam, nichtdringliche Tätigkeiten wurden unterbrochen, die Intensivstation geräumt, um mehr Platz für entsprechende Betten zu haben. Es entstand eine Stille und surreale Leere in den Korridoren des Krankenhauses. Wir warteten auf einen Krieg, der noch beginnen sollte und von dem viele wie auch ich nicht so sicher waren, dass er mit solcher Grausamkeit kommt.

Ich erinnere mich daran, wie ich meine Nachtschicht vor einer Woche damit verbrachte, nervös auf einen Anruf von der Mikrobiologie-Abteilung zu warten. Ich wartete auf das Ergebnis für den ersten Verdachtsfall in unserem Krankenhaus und überlegte, welche möglichen Konsequenzen das für uns haben könnte. Wenn ich wieder an diese Nacht denke, erscheint mir meine Aufregung über einen einzigen Fall fast lächerlich.

Jetzt ist die Situation gelinde gesagt dramatisch. Ich finde keine anderen Worte dafür. Der Krieg ist losgebrochen und die Schlachten sind erbarmungslos, Tag und Nacht. Die Leute kommen reihenweise ins Krankenhaus. Sie haben nicht die typischen Probleme, die durch die saisonale Grippe verursacht werden. In meinen zwei Jahren hier habe ich gelernt, dass die Menschen in Bergamo nicht grundlos in die Notaufnahme kommen. Sie haben sich richtig verhalten, sie sind mit Fieber zu Hause geblieben. Aber jetzt können sie nicht atmen, die brauchen Sauerstoff.

"Die Diagnose ist immer dieselbe: Lungenentzündung"

Es gibt nicht viele Therapiemöglichkeiten für dieses Virus. Es hängt hauptsächlich vom Körper ab, wir können den Organismus nur unterstützen. Wir brauchen nun dringend Betten für diese Menschen. Alle leeren Stationen werden in einem unglaublichen Tempo wieder aufgefüllt. Die Tafeln mit den Namen der Patienten, mit unterschiedlichen Farben für die verschiedenen Einheiten, sind alle rot, und die Diagnose ist immer dieselbe: beidseitige Lungenentzündung.

Und während es in den sozialen Medien immer noch Menschen gibt, die sich rühmen, keine Angst zu haben, und maulen, weil ihre normalen Lebensgewohnheiten "vorübergehend" außer Kraft gesetzt sind, findet die epidemiologische Katastrophe statt.

Es gibt jetzt hier keine Unterteilung mehr nach Chirurgen, Urologen und Orthopäden – wir sind alle nur noch Ärzte, die versuchen, diesen Tsunami zu bekämpfen, der auf uns herabstürzt. Die Zahl der Fälle steigt, mit 15 oder 20 neuen Patienten täglich aus dem gleichen Grund. Die Ergebnisse der Tests kommen einer nach dem anderen: positiv, positiv, positiv. Plötzlich steht die Notaufnahme am Rande des Zusammenbruchs. Es werden Ausnahmeregeln erlassen, die Notaufnahme braucht Verstärkung. Eine schnelle Besprechung, um in die Software der Notaufnahme einzuführen, ein paar Minuten später sind Kollegen bereits dort.

"Unglaublich, wie wir es geschafft haben, uns zu organisieren"

Die Symptome der Zugänge auf dem Bildschirm sind immer die gleichen: hohe Temperatur und Kurzatmigkeit, hohe Temperatur und Husten, Kurzatmigkeit. Einige müssen bereits intubiert und in die Notfallstation geschickt werden. Für andere ist es einfach zu spät... Jedes Beatmungsgerät wird zu Gold. Beatmungsplätze in Operationssälen werden zu Intensivpflegeplätzen, die es bisher nicht gab. Ich finde es unglaublich, wie wir es geschafft haben, in so kurzer Zeit so gut abgestimmt unsere Möglichkeiten neu zu organisieren, um uns auf eine Katastrophe solchen Ausmaßes vorzubereiten. Und wir finden immer noch Möglichkeiten, alles und noch mehr zu geben.

Aber das Personal ist erschöpft. Ich sah die Müdigkeit in Gesichtern von Menschen, die trotz der ohnehin schon anstrengenden Arbeitsbelastung nicht klagen. Ich sah eine Solidarität von uns allen. Keiner, der nicht zu den Internistenkollegen geht und fragt: "Was kann ich jetzt für Sie tun?" Ärzte, die Aufgaben von Pflegepersonal übernehmen. Krankenschwestern mit Tränen in den Augen, weil wir nicht alle retten können. Es gibt keine Schichten mehr, keine Stunden. Das soziale Leben ist für uns ausgesetzt.

Fast zwei Wochen lang habe ich freiwillig meinen Sohn und meine Familienmitglieder nicht mehr gesehen, aus Angst, sie anzustecken und dann auch ältere Verwandte mit anderen gesundheitlichen Problemen zu infizieren. Ich begnüge mich mit Fotos meines Sohnes.

"Denken Sie an die älteren Menschen"

Haben Sie also auch Geduld, wenn Sie nicht ins Theater, in Museen oder ins Fitnessstudio gehen können. Versuchen Sie, an all die älteren Menschen zu denken, die man mit tödlichen Folgen anstecken könnte. Bitte, hören Sie uns zu, versuchen Sie nur für die unverzichtbaren Dinge aus dem Haus zu gehen. Sagen Sie Ihren Familienmitgliedern, die älter sind oder Krankheiten haben, dass sie zu Hause bleiben sollen. Bringen Sie ihnen bitte ihre Einkäufe.

Weil bestimmtes Material fehlt, sind wir und viele andere Kollegen trotz aller Schutzmöglichkeiten auch erhöhtem Risiko ausgesetzt. Einige haben sich trotz der Vorsichtsmaßnahmen bereits angesteckt.

Wir haben keine Alternative. Es ist unsere Aufgabe. Was ich tue, ist nicht meine gewohnte Arbeit, aber ich mache sie trotzdem und auch gerne. Ich versuche, mich nützlich zu machen, und Sie sollten das auch tun. Wir haben mit unserem Handeln Einfluss auf Leben und Tod von einigen Dutzend Menschen. Sie können mit Ihrem Handeln viel mehr beeinflussen. Bitte teilen Sie diese Nachricht. Wir müssen die Nachricht verbreiten, um zu verhindern, dass das, was hier passiert, in ganz Italien passiert."

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