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Israel-Gaza-Krieg: Statt Waffenstillstand droht Israels Zweifrontenkrieg weiter zu eskalieren


Meinung
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Krieg in Nahost
Das Undenkbare ist denkbar

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 21.10.2024Lesedauer: 4 Min.
Israelische Offiziere besprechen einen Einsatz im Südlibanon: Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.Vergrößern des Bildes
Israelische Offiziere besprechen einen Einsatz im Südlibanon: Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. (Quelle: Israelische Armee/IDF/X)

Israel bereitet offensichtlich Angriffe in Teheran vor und lässt die Luftwaffe den Ernstfall proben. Für das Schicksal der Hamas-Geiseln verheißt das nichts Gutes.

Eigentlich ist es ja aller Erfahrung nach so, dass sich Kriege erschöpfen. Sie lassen entweder aus Einsicht in die Notwendigkeit nach, weil genug getötet und gestorben worden ist, oder das Waffenarsenal und der Nachwuchs an Soldaten schrumpfen. Dann sinkt die Moral und im Weiterkämpfen liegt kein Sinn mehr. Auf diesen toten Punkt könnte der Krieg in der Ukraine zusteuern.

Der Nahe Osten ist anders. Dort gibt es Aufstände und Konflikte seit 100 Jahren, und die Zeitspanne ohne Attentate, ohne Krieg, ohne Sterben ist gering. Deshalb muss man sich trotz der jüngsten israelischen Triumphe keinen Illusionen hingeben, dass der Friedensplan, den Joe Biden schon vor Monaten vorgelegt hatte, auch nur den Hauch einer Chance auf Umsetzung hat.

(Quelle: Privat)

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Rache statt Kompromisse

Im Gegenteil ist es offenbar so, dass Israel die Gelegenheit zur Vernichtung seiner Feinde sieht, was man dem Land nicht einmal verdenken kann. Wer lässt schon dauerhaft die Hisbollah im Norden Raketen abschießen und die Hamas im Süden Mörser abfeuern und den 7. Oktober wiederholen?

Das ist nun einmal die Logik in dieser Weltgegend. Bring so viele Menschen um, wie nur irgend geht. Lass deine Rache größer sein als das Leid, das du erfahren hast. Nutz die Schwäche deiner Feinde maximal aus. Erbarmungslosigkeit ist die Tugend der Starken. Kompromisse gehen nur Schwächlinge ein.

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Friedensbemühungen? Lange her, fast 30 Jahre lang, als Jitzchak Rabin noch lebte. Was widerfuhr ihm? Er wurde im November 1995 umgebracht – von einem rechtsextremistischen Juden, der den Ministerpräsidenten für einen Verräter hielt, da er für Ausgleich mit den Palästinensern eingetreten war. Einige der Minister im heutigen Kabinett Netanjahu denken genauso wie der Rabin-Mörder.

Israel visiert den Iran an

Der Krieg geht weiter, immer weiter. Der Geodaten-Geheimdienst der USA wertet Bilder und Informationen aus, die Satelliten sammeln. Sie weisen darauf hin, dass Israel Vorbereitungen für einen Angriff auf den Iran trifft. Sie sollten, versteht sich, ein Geheimnis bleiben, kursieren dennoch, und vielleicht ist die Verbreitung sogar politisch gewünscht. Denn die Warnungen, die der amerikanische Präsident vor einem Krieg mit dem Iran ausstößt, stoßen bei Benjamin Netanjahu eher auf taube Ohren.

Nach diesen Geheimdienst-Informationen übt die israelische Luftwaffe den Ernstfall. Die Frage scheint nur noch zu sein, wann, wie und wo sie zuschlagen wird. Von Premier Netanjahu weiß man, weil er es oft genug wissen ließ, dass er die Urananreicherungs-Anlagen und Forschungsstätten für das iranische Atomprogramm im Visier hat. Sie sind allerdings über das Land verteilt und in gesicherten unterirdischen Anlagen versteckt.

Ein leichteres militärisches Ziel sind die Häfen mit ihren Öl-Terminals. Sie in Brand zu stecken, würde die ohnehin fragile Wirtschaft schädigen und deshalb vielleicht sogar Unruhen im Land auslösen. Israel träumt von einem Regimewechsel in Teheran und arbeitet darauf hin.

Eine dritte Möglichkeit sind Attentate auf Politiker und Geistliche. Das Undenkbare ist denkbar, wie man seit den Morden an Atomwissenschaftlern und auch an Hamas-Führer Ismail Hanija mitten in Teheran weiß.

Bisher ist ein Krieg gegen den Iran nur eine naheliegende Option. Dagegen ist der Zweifrontenkrieg in Gaza und im Libanon Wirklichkeit.

Keine Verhandlungen über die Geiseln der Hamas

Die Hisbollah versuchte gerade einen Anschlag auf das Privathaus der Familie Netanjahu, die allerdings nicht daheim war. Im nördlichen Gaza hat die israelische Armee die Stadt Dschabalia umzingelt und bombardiert. Angeblich hatten sich Hamas-Kämpfer dort reorganisiert. 20.000 Menschen sind auf der Flucht und man muss sich fragen, wohin sie in dieser Trümmerwüste noch fliehen sollen.

Irgendwo dort in den Ruinen oder Tunneln sind auch die Geiseln, seit mehr als einem Jahr. Auf ihre Befreiung hoffen die Familien, die noch immer regelmäßig in Tel Aviv auf die Straße gehen, mit wachsender Verzweiflung. Sind ihre Kinder, Frauen, Männer, Großväter überhaupt noch am Leben und wenn ja, wie viele? Oder haben ihre Bewacher an ihnen Rache geübt, als ihre Ikone Jahja al-Sinwar gestorben war? Und warum unternimmt die Regierung Netanjahu eigentlich keine Anstrengung für einen Austausch?

Momentan finden keinerlei Verhandlungen über die Geiseln statt. Die Vermittler am Golf und in Ägypten erachten die Wiederaufnahme als zwecklos. Israel fühlt sich zu stark für Zugeständnisse. Die Hamas fühlt sich zu schwach für Zugeständnisse.

Natürlich wäre es human, den Biden-Plan umzusetzen, die Geiseln freizulassen und an den Wiederaufbau in Gaza zu gehen, was ja unter den herrschenden Bedingungen ohne die Hamas möglich wäre. Aber auf Humanität ist hier nicht zu hoffen, und somit bekommt die Hamas so gut wie eine Garantie zum Überleben.

Denn sie war schon einmal in einer ähnlichen Krise, damals in den 1990er-Jahren und wieder zehn Jahre später, als fast ihre gesamte Führung entweder tot war oder in israelischen Gefängnissen steckte. Dort saß auch Jahja al-Sinwar viele Jahre lang ein und geht nun als Märtyrer und Mastermind des 7. Oktober 2023 in die arabischen Geschichtsbücher ein.

Gut möglich also, dass sich dieser schreckliche Krieg noch ausweitet. Und für die nächsten Kriege wächst die nächste Generation heute schon heran.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtung
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