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Vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Darum ist die AfD so stark


Meinung
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Vor den Wahlen in Ostdeutschland
Darauf liefert die AfD eine Antwort

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

12.08.2024Lesedauer: 4 Min.
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AfD-Politiker Björn Höcke: In Thüringen wird am 1. September gewählt – und seine AfD dürfte aus der Wahl wohl als Sieger hervorgehen. (Quelle: IMAGO/imago)

Am 1. September wählen Sachsen und Thüringen – Temperaturmesser, wie weit die AfD kommt und ob Olaf Scholz Kanzler bleiben kann. In Erfurt könnte auf Bodo Ramelow ein Mann folgen, der Faschist genannt werden darf.

Wenn die Deutschen Ende des Monats aus dem Urlaub wieder da sind, stehen gleich zwei Wahlen in Ostdeutschland an. Wenn es kommt, wie es zu kommen scheint, dürften sie dramatische Konsequenzen haben.

Dass sich Wahlen zu Schicksalswahlen entwickeln können, ist ein alter Spruch, den man eigentlich nicht mehr hören mag. In Thüringen dürfte er sich am 1. September allerdings bewahrheiten. Dort liegt die AfD laut Umfragen solide vor der CDU, gefolgt vom BSW und von der Linken. Die SPD könnte den Einzug in den Landtag knapp schaffen. Die Grünen nicht einmal das.

Daraus folgt, dass AfD und BSW die Regierungsmehrheit zufallen kann. Auch wenn beide Parteien heute noch eine Zusammenarbeit ausschließen, werden sie sich die Chance nicht entgehen lassen, so nahe wie sie sich ideologisch sind.

Als Ministerpräsident wird dann Björn Höcke grüßen und aus Thüringen ein Musterland der Rechten machen wollen. Flankieren würden ihn Abgesandte von Sahra Wagenknecht oder sie selber. Ein Experiment, das Seinesgleichen sucht. Historisch wäre es beispiellos in der Nachkriegsrepublik.

Auswirkungen auf Berlin dürften gewaltig sein

Ein Temperatursturz wäre die Folge für das, was wir immer noch die etablierten Parteien nennen, also CDU/SPD/Grüne/FDP. In Thüringen haben sie wohl keinerlei Aussicht, auch nur in die Nähe der Majorität zu kommen. Die Auswirkungen auf Berlin dürften dann gewaltig sein.

In Sachsen, dem zweiten Wahlland am 1. September, sieht es etwas anders aus. Dort liegt die CDU vor der AfD und das BSW weit dahinter. Sollten SPD und Grüne, die jeweils bei erschütternden 6 Prozent liegen, dieses Ergebnis halten können und die Linke wie prognostiziert unter 5 Prozent landen, dann könnte Michael Kretschmer mit zwei schwachen Koalitionspartner weiterhin das Land Sachsen regieren. Und die AfD bliebe dort machtfern.

Nun ist selbstverständlich Vorsicht mit der Demoskopie geboten. Die eingeräumte Fehlerquote liegt bei plus/minus 2 Punkten. In Sachsen würde sich die Konstellation verschieben, sollten die Grünen unter 5 Prozent bleiben, was nicht ausgeschlossen zu sein scheint.

Wie konnte es so weit kommen?

Aber warum könnte es so kommen? Was sind die Gründe für das Abschmieren der Parteien, welche die Bundesregierung bilden? Weshalb schwingt sich in diesen beiden Ländern die AfD in solche Höhen?

Wer sich auch nur ein wenig im Wahlkampf tummelt, dem fällt auf, dass sich die Erfahrung, durch die Wiedervereinigung gedemütigt worden zu sein, mit dem Ärger über die Bundesregierung und der Sorge wegen der Migration mit der Angst vor den Folgen des Ukraine-Krieges mischt. Nicht zufällig überbieten sich AfD, BSW und die Linke im Verständnis für Wladimir Putins Angriffskrieg in der Ukraine. Damit einher geht das Drängen, Deutschland sollte die Waffenhilfe einstellen und als ehrlicher Makler Frieden stiften.

Gerhad Spörl

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Der Sturz ins Nichts brennt sich ins Gedächtnis

Auch der sächsische Ministerpräsident stimmt in diesen Chor teilweise ein, und darin könnte ein Hinweis für tiefere Gründe liegen. Vielleicht ist es ja so, dass für viele Ostdeutsche das Maß an Veränderung voll ist. Sie haben die friedliche Revolution durchgekämpft, tanzten auf der Mauer, waren froh, die DDR los zu sein und gehörten wenig später zum Millionenheer der Arbeitslosen. So etwas vergisst sich nicht. Der Sturz ins Nichts brennt sich ins Gedächtnis.

Vermutlich erwächst auf der Grundlage solcher Erfahrungen der Unwille, Neues zu ertragen, seien es Migranten, sei es Corona, sei es die ökologische Transformation, sei es der Krieg in der Ukraine, der sich auf Deutschland auswirkt. Vor allem die Summe der Zumutungen ergibt explosiven Stoff, der sich über Jahre auftürmte und nun Entladung sucht.

Darauf gibt die AfD eine Antwort

Die Historikerin Silke Satjukow forscht an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg über Krisen, Kriege und Diktaturen. Für die Stimmung in Sachsen oder Thüringen findet sie eine plausible Erklärung, die das Große mit dem Kleinen verbindet.

Angst ist das Leitmotiv. Angst, wieder etwas zu verlieren, was man sich mühselig aufgebaut hat. Angst vor neuer Arbeitslosigkeit, neuer Orientierungslosigkeit. Und Wut auf alle – Politiker, Journalisten, Intellektuelle und so weiter, von denen sie sich bevormundet fühlen.

Die AfD gibt darauf eine Antwort. Der BSW ist schnell auf den Wagen aufgesprungen und wird wohl auch noch dafür belohnt. Darüber kann man sich aufregen, wundern oder auch wüste Schuldvorwürfe an die undankbaren Ossis ausstoßen. Es nützt nur nichts. Es ändert nichts an der Stimmung oder der Lage oder dem Aufstieg der Rechten. Nicht einmal der Umstand, dass Björn Höcke mit Erlaubnis des Gerichts ein Faschist genannt werden darf, hatte Auswirkungen auf seine Popularität.

So gut wie alternativlos

Die Machtvergessenheit der Ampelregierung trägt zum präsumtiv fatalen Wahlausgang am 1. September bei. Ob Olaf Scholz nach der dritten ostdeutschen Wahl in Brandenburg drei Wochen später noch Bundeskanzler bleiben kann, ist eine gute Frage.

Langfristig aber bleibt den etablierten Parteien die Mühsal der Ebene in Ostdeutschland nicht erspart, wollen sie diesen Teil des Landes nicht aufgeben. Der sächsische Ministerpräsident Kretschmer hat es ihnen vorgemacht: sich auf die explosive Stimmung einlassen, der Wut und dem Zorn nicht ausweichen und dennoch einen eigenen Weg finden, mit dem sich die Rechte eindämmen lässt. Ziemlich riskant, aber so gut wie alternativlos.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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