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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktivistinnen kritisieren Politik "Statt Hoffnung spüren wir vor allem Entsetzen"
Klimaaktivisten fordern in Scharm el-Scheich mehr Engagement von der Politik. Doch auf die größten Probleme haben sie ganz unterschiedliche Perspektiven.
In Ägypten kommt aktuell die Welt zusammen: Bei der Klimakonferenz verhandeln Delegationen aus knapp 200 Ländern, wie das Klima noch zu retten ist. Kritisch beäugt werden sie von Tausenden Aktivisten aus allen Regionen der Erde – einige sind vor Ort, der Großteil verfolgt den Gipfel aus der Ferne. Die Klimaschützer drängen auf schnellere und wirkungsvollere Maßnahmen.
t-online hat nachgefragt, welches für sie das drängendste Problem ist – und was ihnen Hoffnung macht.
Ayisha Siddiqa (23), Pakistan: "Es geht um ein würdevolles Leben"
"Das Wichtigste ist, dass Geld für Schäden und Verluste bereitgestellt wird, die durch die Klimakrise entstehen. Am besten wäre dafür eine eigene Institution. Obwohl junge Menschen seit Jahren fordern, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit braucht, nehmen die Regierungen es bisher nicht ernst und auch international ist es immer noch umstritten."
"Loss and Damage" (Schäden und Verluste)
Entwicklungs- und Schwellenländer des globalen Südens sind überproportional stark von Wetterextremen betroffen, die durch die Klimakrise verursacht oder verstärkt werden. Länder des globalen Nordens, zu denen auch Deutschland zählt, sind jedoch für die meisten Treibhausgasemissionen – und damit besonders für die Klimakrise – verantwortlich. Daher fordern die Länder des globalen Südens eine finanzielle Entschädigung für die erlittenen Schäden und Verluste, auf Englisch: "Loss and Damage".
"Man kann nicht einfach nur Geld auf die Klimakrise werfen und erwarten, dass sie dadurch gelöst wird. Es braucht eine Struktur, die sicherstellt, dass die Menschen das Geld bekommen, die es brauchen. Das ist genauso wichtig wie die Bereitstellung des Geldes. Es geht nicht nur darum, das Überleben zu sichern, sondern auch darum, ein würdevolles Leben zu ermöglichen.
Was mir Hoffnung gibt, sind junge indigene Völker. Unsere unbändige Widerstandskraft und unsere Fähigkeit zur Liebe."
Disha Ravi (24), Indien: "Eines der größten Probleme sind Fehlinformationen"
"Eines der größten Probleme der Klimakrise sind die Fehlinformationen, die von den führenden Politikern der Welt in Bezug auf ihre Klimaversprechen verbreitet werden. Ihre Versuche, wichtige Informationen und Pläne zur Klimakrise zu unterdrücken, bedrohen jedes fortschrittliche Handeln. Und die Chance auf eine lebenswerte Zukunft für alle.
Die Menschen, mit denen ich in der Klimabewegung zusammenarbeite, geben mir Hoffnung. Ihre Liebe hilft mir, jeden Tag wieder Hoffnung zu haben und weiter für Klimagerechtigkeit zu kämpfen."
Gelan Mahmoud Zakhera (25), Ägypten: "Auch die menschliche Gesundheit leidet"
"Als Apothekerin bin ich besonders besorgt über die Auswirkungen der Klimakrise auf die menschliche Gesundheit. Nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige. Aber bisher ist dies nicht ausreichend auf der Agenda. Wir Menschen sind eng mit der Umwelt verbunden, und wenn die Umwelt kränkelt, leidet auch die menschliche Gesundheit. Wer sich um die Erde kümmert, kümmert sich auch um uns.
Was mir Hoffnung gibt ist zu sehen, dass Menschen aus der ganzen Welt an einem Ort zusammenkommen und sich für eine Sache einsetzen. Die Idee, dass wir den Klimawandel trotz unserer Unterschiede und Spannungen gemeinsam bekämpfen werden."
Karin Watson Ferrer (25), Chile: "Worte aus Deutschland reichen nicht"
"Das dringendste Thema ist Ungleichheit: Die durch den Klimawandel verursachten Verluste und Schäden in den am stärksten gefährdeten Ländern und Gemeinschaften müssen eingedämmt werden. Klimagerechtigkeit ist dringend und notwendig, und die Länder des globalen Südens brauchen Finanzmittel, um sie zu verwirklichen.
Deutschland und die Länder des globalen Nordens sollten sich nicht nur mit Worten, sondern mit konkreten Maßnahmen engagieren. Die Klimakrise kann nicht angegangen werden, wenn man sie nicht als globales Problem erkennt. Niemand wird gerettet, ohne dass wir alle gerettet werden.
Die Frage nach der Hoffnung ist kompliziert in einer Zeit, in der man leicht die Hoffnung verliert. Seitdem ich mich in der Klimabewegung engagiere, sind es die Menschen dort, die mich hoffen lassen. Es ist schwierig, und manchmal sieht es düster aus, aber ich glaube fest an die Kraft des kollektiven Handelns und dass man gemeinsam etwas aufbaut.
Luisa Neubauer (26), Deutschland: "Statt Hoffnung spüren wir vor allem Entsetzen"
"Unser größter Gegner ist die Zeit. Emissionen müssen schneller als je zuvor reduziert werden – vor allem in den Ländern, die die meisten Emissionen verursachen, wie etwa Deutschland. Der zweite große Feind sind die fossilen Lobbys, die bei dieser Klimakonferenz vorhaben, überall für mehr fossile Energien zu werben. Klimaziele können aber nur eingehalten werden, wenn Kohle, Öl und Gas im Boden bleiben.
Hoffnung geben mir die Menschen überall, die sich in genau diesem Augenblick zusammentun und laut werden. Niemand kann alles machen, aber alle können etwas machen. Wir können die schlimmsten Katastrophen noch verhindern, wenn wir jetzt nicht nachgeben, sondern radikalen, gerechten Wandel gestalten.
Die Bundesregierung könnte jungen Menschen auf der ganzen Welt Hoffnung machen. Statt Hoffnung ist es aber aktuell vor allem Entsetzen, dass wir spüren. Olaf Scholz und seine Regierung setzten sich zwar hochengagiert ein – aber eben mehr für fossile Energien, statt für eine gerechte Wende hinzu 100 Prozent erneuerbaren Energien in Deutschland und weltweit."
- Anfragen an Ayisha Siddiqa, Karin Watson Ferrer, Disha Ravi und Luisa Neubauer
- Gespräch mit Gelan Mahmoud Zakhera in Scharm El-Scheich