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Angela Merkel bei Anne Will: Es war ein Bewerbungsgespräch


Merkel-Talk bei Anne Will
"Sie hat ihre Lektionen gelernt"

t-online, David Heisig

Aktualisiert am 21.11.2016Lesedauer: 3 Min.
Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo.Vergrößern des Bildes
Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago-images-bilder)
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Die Bundeskanzlerin tritt 2017 nochmal an. Offiziell verkündet in einer Pressekonferenz am Sonntagnachmittag, vom Inhalt her da schon nicht mehr überraschend. Anne Will nahm in ihrer aktuellen Talkrunde das Thema dennoch gerne auf. Das Echo auf Merkels "Ja" in der Runde? Gespalten.

Die Gäste

  • Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Ministerpräsidentin des Saarlands
  • Hans-Joachim Maaz, Psychoanalytiker
  • Klaus Wowereit (SPD), ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin
  • Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur "Die Zeit"

Das Interview

Zuerst kam Angela Merkel selbst im Vieraugengespräch zu Wort. Bei Will war sie schon oft zu Gast, das Studio immer sicheres Terrain. So auch dieses Mal. Im roten Blazer mit schwarzer Hose saß sie der Moderatorin gegenüber, erläuterte ihre Beweggründe. Sie habe sich im länger andauernden Entscheidungsprozess gefragt, ob sie "dem Land noch was Neues bieten" könne. "Ja", muss ihre Conclusio gewesen sein.

Merkel ließ sich den Schneid nicht abkaufen. Will stellte zwar die richtigen Fragen: "Woher nehmen sie (…) die Überzeugung, dass sie tatsächlich nochmal gewinnen können?" Was sie machen wolle: nach rechts absichern oder das Heil in der Linken suchen? Indes die Antworten sagten alles und nichts. Die Lösung liege dort, wo die CDU verankert sei, in der sozialen Marktwirtschaft, im Rechtsstaat.

Ob sie ein klares, konkretes Versprechen habe, fragte Will. Antwort war ein "Wir-arbeiten-dran". Es schien ein Ladies-Agreement zu geben, die andere nicht zu sehr unter Fragedruck zu setzen. Will hatte das Bewerbungsgespräch geführt, über die Kandidatin ratschlagen musste im Anschluss die Runde.

Die Fronten

Wowereit zählte die Punkte auf, die Merkel für vier weitere Jahre im Job der Kanzlerin qualifizieren würden: Erfahrung, Vertrauen, Reputation. Minuspunkt? Sie sei schon "lange dabei, Teil des Systems". Natürlich gab der SPD-Mann keine klare Empfehlung ab. Merkel müsse schauen, was sie in elf Jahren falsch gemacht habe und nun besser machen könne.

Deutlich wohlwollender äußerte sich di Lorenzo. "Sie hat ihre Lektionen gelernt", ihr Schritt sei richtig. Klar gegen eine Weitereinstellung war Maaz. "Die Männer verstecken sich hinter Mutti", meinte der Psychoanalytiker. Die Union lasse keine Alternativen zu, außer eventuell den sich selbst empfehlenden Horst Seehofer. Merkel habe den Zeitpunkt für einen würdigen Abgang verpasst. Zudem betreibe sie "puren Populismus", da sie nur Phrasen dresche.

Kern der Diskussion

Das Credo von Maaz, die Bundeskanzlerin böte keine Inhalte, etwa gegen die AfD, machte den Schwerpunkt des Abends aus. "Was tut sie real?", war seine Frage. Merkels Parteikollegin Kramp-Karrenbauer konnte darauf auch keine Antwort liefern. Auch hier ein "Wir-arbeiten-dran". Merkel habe sehr mit sich gerungen, gebe aber nun das richtige Signal. Was sollte die Saarländerin auch sagen? Zumal Will die Idee heraufbeschwor, manche in der Union, einschließlich Kramp-Karrenbauer, hätten sich bei einem Merkel-Nein Hoffnung auf einen innerparteilichen Aufstieg machen können.

Maaz blieb dabei: Ohne Antworten werde die Kanzlerin sich weiter durchmogeln und nur gewählt, weil sie den Menschen Sicherheit verkaufe, die es nicht gebe. Di Lorenzo sah es ähnlich, begründete es aber anders: Europa befinde sich in einer gefährlichen Lage. Verlasse die Kanzlerin das Boot, würde die Diskussion viel ungemütlicher. Wowereit betonte, die Welt gehe nicht unter, es müsste aber Antworten geben. Etwa beim Thema Rente.

Auch das zweite Themenpäckchen schnürte Maaz, als er vom "Gefühlsstau" sprach, dem Eindruck, eine Oberschicht mache Politik, während die Gesellschaft durch eine sich verändernde Lebensweise gefordert sei: Wirtschaft, Konsum: Das Ende sei erreicht. "So können wir nicht weiterleben", so Maaz. Dann solle er "einen konkreten Hinweis" geben, forderte Wowereit. Visionen zu entwickeln sei nicht seine Aufgabe, war die Antwort.

Was schade war

Es fehlte Greifbares. Wie soll Merkels Signal in Konsens-Politik gegen die Rechtspopulisten umgesetzt werden? Wowereit betonte, wie wichtig ihm demokratischer Diskurs sei. Nett, aber wenig konkret. Kramp-Karrenbauer suchte zu formulieren, wie nahbar sie als Ministerpräsidentin ist. Sie stehe sogar im Telefonbuch. Beide würden sich aber nicht vom jeweiligen programmatischen Weg abbringen lassen, nur weil Rechtspopulisten ein Thema für ihr Protestschreien entdeckten.

Maaz und di Lorenzo verfielen in eine Diskussion darüber, wo der kritische Mahner aufhöre und der Populist beginne. Maaz betonte, es müsse Protest möglich sein. "Differenzierte, intelligente, gebildete Leute mit einer ehrenwerten Meinung" kämen in den Medien nicht vor. Ein "Ohhh" ging durch das Publikum. Protest müsse Grenzen dort haben, wo er in Hetze umschlage so Wowereit, er müsse "political correct" sein. Was di Lorenzo bestätigte. Das dürfe aber nicht so weit gehen, dass der Begriff zu einem "Knebel" gemacht werde, mit dem man andere Meinungen nicht mehr gelten lasse.

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