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Nach der Wahl: Diese erstaunliche Koalition würde Olaf Scholz eingehen


"Wer zahlt die Zeche?"
Scholz nimmt sich seinen Vizekanzler vor


Aktualisiert am 07.01.2025 - 22:39 UhrLesedauer: 4 Min.
Habeck (l.) und Kanzler Scholz bei einer Kabinettsitzung in Berlin (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Habeck (l.) und Kanzler Scholz bei einer Kabinettsitzung in Berlin (Archivbild). (Quelle: Kira Hofmann/dpa)
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Sein Streit mit Christian Lindner ist bekannt, unter anderem darüber zerbrach die Ampel. Nun schießt Noch-Kanzler Scholz gegen einen weiteren Koalitionskollegen.

Noch 47 Tage sind es bis zur vorgezogenen Bundestagswahl. So lange sitzt Olaf Scholz noch auf dem Sessel im Bundeskanzleramt. Ob er dort danach noch sitzen wird, ist derzeit fraglich. Seine SPD liegt in Umfragen weit abgeschlagen hinter der CDU. Laut jüngster Insa-Umfrage vom 6. Januar muss Scholz – der nach dem Bruch der Ampelkoalition noch zuversichtlich war, eine Aufholjagd starten zu können – inzwischen eher in den Rückspiegel schauen, wo die Grünen nur wenige Prozentpunkte hinter den Sozialdemokraten liegen.

Vielleicht lässt Scholz sich nun auch deshalb zu einer Attacke gegen den grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck hinreißen. Jedenfalls rügte der Kanzler die Forderung seines Vizekanzlers und Wirtschaftsministers nach einer drastischen Steigerung der Verteidigungsausgaben. "Die Idee erscheint mir etwas unausgegoren. Den Wehretat von knapp 80 Milliarden Euro auf 140 Milliarden Euro nochmals fast zu verdoppeln, ohne zu sagen, wofür das Geld aufgewendet werden und woher es kommen soll", sagte Scholz dem Magazin "Stern": "Wer zahlt die Zeche? Die Bürgerinnen und Bürger?"

Habeck hatte in einem Interview mit dem "Spiegel" für die kommenden Jahre eine Erhöhung des Wehretats auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gefordert. Aktuell sollen alle Nato-Bündnis-Partner mindestens zwei Prozent ihres BIP in Verteidigung investieren. Deutschland hat dieses Ziel 2024 erstmals seit Jahrzehnten wieder erreicht, auch wegen der von Scholz schon im Jahr 2022 ausgerufenen "Zeitenwende". Damals hatte der SPD-Kanzler unter dem Eindruck des russischen Überfalls auf die Ukraine einen Paradigmenwechsel in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Schaffung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr angekündigt.

Breuer: "Es geht um die Sicherheit unseres Landes"

Dieser Paradigmenwechsel wird nach Ansicht von Experten jedoch nur unzureichend umgesetzt. Die konservative Hanns-Seidel-Stiftung sieht etwa eine "schleichende Implementierung" am Werk. Sprich: Die Wiederherstellung der Wehrhaftigkeit Deutschlands nach Jahrzehnten des Friedens in Europa geht zu langsam voran. Dass Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato im vergangenen Jahr erstmals seit 30 Jahren überhaupt erfüllen konnte, liegt auch an eben jenen Zahlungen aus dem Sondervermögen. Die finanziellen Grundlagen für Scholz' "Zeitenwende" werden allerdings bis voraussichtlich Ende 2027 erschöpft sein, prognostizieren Wehrexperten. Dann droht dem Verteidigungsetat erneut eine erhebliche Unterfinanzierung.

Der Autor Christian Schweppes sieht in der angekündigten "Zeitenwende" daher eine "Anatomie des Scheiterns". Im Kriegsfall wäre Deutschland wehrlos, so das ernüchternde Fazit des Journalisten. Gestützt wird die Diagnose durch die Aussagen verschiedener hochrangiger Militärs. So stellte der Generalinspekteur der Bundeswehr bereits 2023 fest, dass die Truppe nicht kriegstüchtig sei. "Deshalb muss der Verteidigungshaushalt wachsen", sagte Carsten Breuer in der "NZZ". "Es geht um die Sicherheit unseres Landes."

Ähnlich sieht es der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Der fordert seit seinem Amtsantritt hartnäckig mehr Geld für die Verteidigung – scheiterte mit dieser Forderung jedoch stets an der Schuldenbremse und dem ehemaligen Finanzminister Christian Lindner, allerdings auch an seiner eigenen Partei. Pistorius hatte bereits mehrfach Alarm geschlagen, dass die gegenwärtigen Ausgaben im Verteidigungsetat nicht ausreichen, um den Bedarf der Bundeswehr zu decken. Er plädiert für einen dauerhaft höheren Wehretat, der möglichst nicht aus Sondervermögen finanziert wird. In Teilen der SPD stößt er damit allerdings auf Skepsis.

Trump fordert höheren Wehretat von Nato-Partnern

Habeck schlägt nun vor, höhere Ausgaben für die Verteidigung durch eine Reformierung der Schuldenbremse zu finanzieren, unter anderem durch neue Sondervermögen. Angesichts der russischen Bedrohung sei dies unumgänglich. "Wir müssen fast doppelt so viel für unsere Verteidigung ausgeben, damit Putin nicht wagt, uns anzugreifen. Wir müssen den Frieden sichern und weiteren Krieg verhindern", so Habeck im "Spiegel".

Auffallend ist, dass Habecks Forderung von 3,5 Prozent mit jener Zahl zusammenfällt, die hinter den Kulissen aus dem Lager des designierten US-Präsidenten Donald Trump zu hören ist, wenn es um das künftige Engagement der USA in der Nato geht. Trump hatte nach seinem Wahlsieg im November angekündigt, dass er in Zukunft eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von den Nato-Partnern verlangen wolle. Andernfalls, so drohte er, könne er sich vorstellen, das Verteidigungsbündnis zu verlassen. Die "Financial Times" sprach unter Berufung auf einen Insider aus dem Trump-Lager kurz darauf davon, dass der künftige Präsident sich auch mit 3,5 Prozent zufriedengeben würde – eben jene Zahl, die Habeck nun in den Raum stellt.

Unterstützt wird diese Forderung von zahlreichen ausländischen Spitzenpolitikern, insbesondere jenen aus Osteuropa, wo die Bedrohung durch den russischen Aggressor gegenwärtig ist. So forderte die ehemalige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas bei einem Besuch in Berlin im Frühjahr 2024 eine deutliche Erhöhung des Wehretats. Estland gab unter ihrer Führung zuletzt 3,2 Prozent des BIP für Verteidigung aus. "Pazifismus", so Kallas, sei in einer Welt voller Gewalt schlicht "Selbstmord".

Scholz kann sich Bündnis mit FDP vorstellen

Scholz sieht sich in seiner ablehnenden Haltung gegenüber einem deutlich höheren Wehretat einig mit den Linken in der Sozialdemokratie, etwa Rolf Mützenich. Der SPD-Fraktionschef lehnt den Aufwuchs der Verteidigungsausgaben ab und wirft Habeck zugleich einen "holzschnittartigen Überbietungswettbewerb" vor.

Doch nicht nur beim Thema Verteidigung bekommt der grüne Vizekanzler Gegenwind aus der SPD. Scholz rügte auch die handwerklichen Fehler beim Heizungsgesetz, das aus dem von Habeck geführten Wirtschaftsministerium kam. "Es war falsch, den Austausch von Heizungen in privaten Häusern übers Knie zu brechen", sagte Scholz im "Stern": "Ich glaube, auch der verantwortliche Minister hat verstanden, dass seine Pläne damals nicht gut waren." Für ihn gelte beim Klimaschutz grundsätzlich: "Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus".

Trotz des Scheiterns der Ampelregierung kann sich der 66-Jährige eine erneute Koalition mit der FDP nach der Bundestagswahl vorstellen. "Ich habe nichts Generelles gegen die FDP. Das Tolle an der Demokratie ist die Demokratie", sagte Scholz. "Wahlen sind Wahlen. Die Bürger entscheiden, und wir Politiker müssen mit dem Ergebnis umgehen."

Auch ein Bündnis mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schloss Scholz nicht kategorisch aus. Mit einer Partei, die die Nähe zu Russland suche und die Ukraine hängen lassen wolle, sei eine Koalition "schwer vorstellbar", sagte er. Mit der AfD werde es dagegen keinerlei Zusammenarbeit geben. "Für mich ist eins klar: Ich werde niemals eine Koalition mit der AfD eingehen."

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