Anschlag von Magdeburg Bedrückende Warnung an Migranten
Nach dem Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist die Stimmung in Deutschland angespannt. Ein Verband sendet nun eine deutliche Warnung.
Der Anschlag von Magdeburg mit fünf Toten und mehr als 200 Verletzten hat Deutschland kurz vor den Weihnachtsfeiertagen schockiert. Die Bilder des Attentats, das von einem offenbar psychisch kranken Täter begangen wurde, wühlen die Menschen im Land immer noch auf. Hektische Forderungen kamen aus der Politik, auf den Straßen demonstrierten besorgte Bürger, aber auch Rechtsextreme protestierten wenige Tage nach der Tat für eine striktere Einwanderungspolitik und schärfere Strafmaßnahmen. Insbesondere die AfD nutzte die aufgeheizte Stimmung, um im Bundestagswahlkampf für sich zu werben.
In dieser angespannten Lage rät nun ein Verband "Menschen mit Migrationsgeschichte dringend davon ab, sich alleine und in den Abendstunden durch die Stadt zu bewegen". Bei dem Verband handelt es sich um das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (Lamsa) e.V. mit Sitz in Halle (Saale), Sachsen-Anhalt. Man sei "durch zahlreiche Berichte über rassistische Aggressionen im Nachgang des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt alarmiert", heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands. Diese wurde allerdings bereits kurz vor Heiligabend veröffentlicht. Lamsa versteht sich als Dachverband der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt und als Ansprechpartner für die Landesregierung.
Insbesondere die AfD-Chefin Alice Weidel hatte die Tat in Magdeburg genutzt, um gegen in Deutschland lebende Asylsuchende zu polemisieren. So müsse jeder Asylsuchende gleich nach der ersten Straftat "konsequent abgeschoben" werden. Den "politisch Verantwortlichen" warf sie vor, "im Blindflug" unterwegs zu sein und nicht zu wissen, wen sie ins Land lassen. "SPD, CDU, FDP und Grüne sind ein Sicherheitsrisiko!", schrieb die AfD-Vorsitzende bei X.
Merz fordert Abschiebungen und Zurückweisungen
Nach dem Anschlag war auch die Debatte um ein mögliches Versagen der Behörden aufgeflammt, dazu sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff der "Welt am Sonntag": "Voreilige Schuldzuweisungen helfen uns nicht weiter." Er forderte eine stärkere Vernetzung der Sicherheitsbehörden.
Daneben wurden im Laufe der vergangenen Woche auch immer mehr Rufe aus der Bundespolitik laut, die eine Verschärfung des Asylrechts forderten. So forderte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann mit Blick auf den Anschlag in Magdeburg, dass Asylsuchenden künftig "bei der zweiten vorsätzlichen Straftat das Aufenthaltsrecht" entzogen werden solle. Nach der ersten Verurteilung solle zunächst ein "Warnschuss" erfolgen. In Zukunft müsse aber "klar sein, wer hier Straftaten begeht, hat das Gastrecht verwirkt und muss das Land verlassen", betonte er im Interview mit "Bild".
Zuvor war CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz noch weiter gegangen. Er forderte ein generelles Umdenken im Umgang mit Flüchtlingen. Die Zahl der Flüchtlinge müsse reduziert, Abschiebungen konsequenter durchgeführt werden. "So geht es nicht mehr weiter. Und deswegen muss man jetzt konsequenter in der Einwanderungs- und Migrationsdebatte sagen: Wir brauchen einen Politikwechsel auch in der Einwanderungspolitik." Merz forderte auch Abschiebungen von Geflüchteten nach Syrien und Afghanistan, obwohl die politischen Verhältnisse in beiden Ländern instabil und zum Teil lebensbedrohlich sind.
Bischof mahnt: "Migranten haben Angst"
Was die Forderungen aus CDU und AfD allerdings mit dem Täter von Magdeburg zu tun haben, bleibt offen. Der 50-jährige Taleb al-Abdulmohsen, der mit seinem Pkw in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt gerast war, stammte aus Saudi-Arabien und war seit 2006 in Deutschland. Er besaß eine Ausbildung als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, arbeitete als Arzt an einer deutschen Klinik und war seit 2016 als politischer Flüchtling anerkannt. Gegen ihn war 2024 eine Geldstrafe verhängt worden, weil er den Notruf in einem Gebäude der Berliner Polizei missbraucht hatte. Die ersten Ermittlungen nach dem Anschlag hatten ergeben, dass bei dem Täter vermutlich eine ernsthafte psychische Erkrankung vorliegt.
Kritik an den Forderungen aus der CDU wurde nun auch von der Flüchtlingsrechtsorganisation Pro Asyl laut: "Die CDU läutet den Wahlkampf mit unseriösen und populistischen Abschiebungsforderungen ein", sagte die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Insbesondere Linnemanns Vorschläge stießen bei Pro Asyl auf Ablehung. "Solche Forderungen passen zwar auf Wahlplakate, halten aber einer rechtlichen Prüfung nicht stand", sagte Judith. "Gerade, wenn es um Abschiebungen in Staaten geht, wo Folter oder unmenschliche Lebensbedingungen drohen, steht das internationale Recht dem klar entgegen."
Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), rief in einer Pressemitteilung zum Jahreswechsel dazu auf, das Miteinander in Deutschland nicht fremdenfeindlicher, sondern "fremdenfreundlicher" zu gestalten. Er warnte davor, dass der Hass die Oberhand gewinne. Zugleich mahnte der Bischof zu mehr Wachsamkeit gegenüber Fremdenhass. "Migrantinnen und Migranten in unserer Mitte haben seit dem Anschlag in Magdeburg Angst, angegriffen zu werden, und trauen sich in diesen Tagen nicht aus dem Haus. Dieser neuen Gewalt müssen wir entgegentreten", sagte Kramer.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in seiner Neujahrsansprache mit Blick auf die "Schreckensnacht" von Magdeburg: "Wir sind kein Land des Gegeneinanders, auch nicht des Aneinander-vorbei. Sondern ein Land des Miteinanders."
- lamsa.de: LAMSA News
- X-Profil von Alice Weidel
- ekmd.de: Landesbischof Friedrich Kramer zum Jahreswechsel
- bild.de: Migrantenverband in Sorge vor rechter Gewalt: Ausländer sollen nachts in Magdeburg nicht allein rausgehen
- tagesschau.de: Attentäter von MagdeburgWeitere Hinweise auf psychische Erkrankung
- spiegel.de: Wie die AfD mit der Todesfahrt von Magdeburg Wahlkampf macht (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa