Gedenken an Volksaufstand Scholz: "Diese Opfer waren nicht vergeblich"
Heute jährt sich der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zum 70. Mal. Bundeskanzler Scholz und andere Politiker gedachten der Ereignisse.
Der 35-jährige Willi Göttling war nach Aktenlage der Erste, der wegen des DDR-Volksaufstands vom 17. Juni 1953 standrechtlich erschossen wurde. Am Samstag war der Berliner Familienvater beim Gedenken an Opfer der Niederschlagung auch der Erste, an den feierlich erinnert wurde. Vier Schicksale trugen junge Leute auf dem Friedhof Seestraße im früheren Westberlin vor, bevor Bundeskanzler Olaf Scholz die Geschehnisse von damals als eines der wichtigsten und stolzesten Ereignisse der Freiheitsgeschichte Deutschlands würdigte.
In der DDR sei der Volksaufstand ein großes Tabu gewesen, sagte Scholz. "Die Machthaber wollten nicht darüber reden und die Bürgerinnen und Bürger durften nicht darüber reden." In der Bundesrepublik sei die Erinnerung an den 17. Juni zwar gepflegt worden. Doch habe dieser als tragischer Fehlschlag gegolten. Lange habe die Wahrnehmung geherrscht, die Opfer des Aufstands seien vergeblich gewesen. "Aber diese Opfer waren nicht vergeblich, das sehen wir heute klarer."
Bei der friedlichen Revolution in der DDR 1989 sei die "große Vision von Freiheit und Selbstbestimmung" verwirklicht worden, fügte Scholz hinzu. Die Demonstrierenden von 1989 hätten sich zwar nicht auf ihre Vorgänger 1953 bezogen, weil sie wenig von ihnen gewusst hätten. Dennoch gebe es "eine direkte Linie" zwischen beiden Ereignissen.
Gedenken am Friedhof Seestraße
Scholz gedachte der Ereignisse gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Bundesratspräsident Peter Tschentscher, Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner und anderen. Sie versammelten sich auf dem Berliner Friedhof Seestraße im ehemaligen Westteil der Stadt, wo mehrere Opfer des Volksaufstands begraben sind.
Dorthin waren damals protestierende Arbeiter gezogen. Insgesamt gingen am 17. Juni 1953 rund eine Million Menschen an 700 Orten der damaligen DDR auf die Straße. Sie demonstrierten gegen höhere Arbeitsnormen, aber auch für mehr Wohlstand, freie Wahlen und ein Ende der Teilung Deutschlands. Die sowjetische Besatzungsmacht schlug die Proteste gemeinsam mit den DDR-Behörden nieder. Mindestens 55 Menschen wurden getötet.
Am Donnerstag und Freitag hatten der Bundestag und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Mut der damals Beteiligten gewürdigt. Am Samstagmorgen legte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner bereits einen Kranz am historischen Schauplatz des Aufstands am damaligen Haus der Ministerien nieder, wo heute das Bundesfinanzministerium sitzt.
Volksaufstand soll besser aufgearbeitet werden
Dass das Gedenken zum 70. Jahrestag so viel Widerhall findet, freue sie, sagte die Chefin der Bundesstiftung Aufarbeitung, Anna Kaminsky, der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Kranzniederlegung. Doch drang sie darauf, nachhaltiger zu erinnern. Die wichtigen Ereignisse während der deutschen Teilung müssten in den Schulen gelehrt werden, sagte Kaminsky.
Auch an anderen Orten wurde an den 17. Juni erinnert: In Sachsen-Anhalt sprach Landtagspräsident Gunnar Schellenberger von einem Schlüsseldatum. Thüringen erinnerte in Jena an mit einer Gedenktafel an den Arbeiter Alfred Diener, der im Alter von 26 Jahren in der sowjetischen Militärkommandantur Weimar standrechtlich erschossen wurde. In Brandenburg nannte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den Aufstand ein "Symbol für den Willen der Menschen nach Freiheit". CDU-Landeschef Jan Redmann schlug vor, den 17. Juni zu einem zusätzlichen gesamtdeutschen Feiertag zu machen.
- Nachrichtenagentur dpa