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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Politikerzoff bei "Maybrit Illner" "Herr Buschmann, so können Sie mit mir hier nicht reden"
Bei Maybrit Illner schien zunächst Einigkeit über die härteren Corona-Regeln zu herrschen. Bis Ministerpräsident Kretschmer mit dem designierten Justizminister Marco Buschmann über den Messenger Telegram sprechen wollte – und der stattdessen eine Belehrung für ihn hatte.
Eigentlich sah alles nach einer konsensgeprägten Sendung aus. "Deutschlands Corona-Desaster – gibt es endlich einen Plan?" lautete das Thema, über das Maybrit Illner sprechen wollte, und ihre Gäste schienen die Frage durchweg zu bejahen. Die Ampel habe sich – wenn auch nach langem Zögern – "in den Sattel gesetzt", analysierte die Journalistin Eva Quadbeck die gestrigen Bund-Länder-Beschlüsse, und die Ministerpräsidenten hätten "bekommen, was sie wollten".
Karl Lauterbach, von der Moderatorin als "Gesundheitsminister der Herzen" vorgestellt, lobte den Einfluss der Wissenschaft, aus deren Modellen der jetzige "Instrumentenkasten abgeleitet worden" sei. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigte sich ebenfalls zufrieden: "Dieses Gegeneinander musste jetzt dringend aufhören."
Die Gäste
- Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen
- Marco Buschmann (FDP), designierter Bundesjustizminister
- Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitspolitiker
- Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie
- Eva Quadbeck, Journalistin ("Redaktionsnetzwerk Deutschland")
Nur bei Marco Buschmann, dem designierten Justizminister, der sich besonders für das Auslaufen der "epidemischen Notlage von besonderer Tragweite" eingesetzt hatte, war ein leichter Hang zur Rechtfertigung zu erkennen. "Vieles von dem, was heute beschlossen worden ist, war bei der letzten Änderung des Infektionsschutzgesetzes schon angelegt", erklärte der FDP-Mann, "das Wort vom Nachbessern trifft's nicht." Ihn ärgere "das Narrativ", der neue Instrumentenkasten sei "ein Weniger" gegenüber dem alten gewesen.
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Zunächst aber dominierte in der Runde weiter die parteiübergreifende Zustimmung zu den härteren Maßnahmen wie Limits für Großveranstaltungen, 2G beim Einkaufen und Beschränkungen für Ungeimpfte. Sie seien "hart, aber notwendig, um vor der Lage zu bleiben", so Kretschmer.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz habe wieder den Weg der "evidenzbasierten Politik" eingeschlagen, lobte sogar der ewige Mahner Lauterbach. Christine Falk, die zugeschaltete Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, untermauerte das Ganze mit dem dringenden Appell an alle, die Maßnahmen mitzutragen, "sonst wird's eng".
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Kretschmer und Buschmann liefern sich Wortgefecht
Zur Eskalation kam es erst und ausgerechnet, als sich der sächsische Ministerpräsident in durchaus konstruktivem Ton an den "Bundesjustizminister in spe" wandte: Der Messenger-Dienst Telegram, über den Zehntausende Menschen "bösartigste Propaganda, Hass und Hetze, zersetzende Dinge" verbreiteten, treibe ihn um, so Kretschmer, darüber wolle er mit Buschmann "möglichst schnell nach Ihrer Amtsübernahme in ein vernünftiges Gespräch kommen".
Aber Buschmann ließ ihn abblitzen: "Das muss nicht falsch sein, aber andere Dinge sind natürlich dringender." Und er legte nach: Der Bund habe auch Sachsen Geld zu Verfügung gestellt, um Impfkapazitäten auszubauen, "ich würde Sie dringend auffordern, dieses Geld zu nehmen und in Impfzentren zu stecken." Da platzte Kretschmer der Kragen: "Herr Buschmann, so können Sie mit mir hier nicht reden", wenn ihm jemand aus Berlin etwas über Geld des Bundes erzähle, "dann ist Schluss."
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Buschmann konterte in ähnlicher Tonlage ("Herr Kretschmer, reißen Sie sich am Riemen") und machte dem CDU-Politiker Vorwürfe: "Sie hatten alle Möglichkeiten, und Sie haben sie nicht genutzt." Jetzt versuche Kretschmer, ihm oder dem Bund die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben.
"So geht es nicht", blaffte Kretschmer zurück. Derart hitzig entwickelte sich der Schlagabtausch, dass Karl Lauterbach sich genötigt sah, "etwas Versöhnliches zu sagen": Die jüngsten Auswertungen aus Sachsen zeigten "eine sehr positive Tendenz". Der SPD-Gesundheitsexperte weiter: "Wir müssen zusammenhalten, wir kommen sonst nicht klar."
Zur Deeskalation trug dann auch die Diskussion über die Ernennung des Bundeswehrgenerals Carsten Breuer zum Leiter des neuen Corona-Krisenstabs im Bundeskanzleramt bei. Es sei "eine logistische, handwerkliche Aufgabe, den Impfstoff optimal zu verteilen", so Buschmann, und dafür sei Breuer bestens geeignet. Auch Kretschmer begrüßte die Personalie: "Ein wunderbarer Mensch" sei Breuer, der auch schon beim Hochwasser geholfen habe, "der kann viel".
Übernimmt Karl Lauterbach das Gesundheitsministerium?
Eine Frage, die natürlich auch Maybrit Illner nicht in ihrer Talkshow klären konnte, war die nach der künftigen Leitung des Gesundheitsressorts. Gleich mehrfach bat sie Karl Lauterbach, sich schon mal eine Antwort zu überlegen, erntete aber nur ein feines Lächeln und ein trockenes "Ich möchte das nicht kommentieren". Gleiches galt für die von der Moderatorin erwähnten Spekulationen über eine Rückkehr von Andrea Nahles.
"Ich bin zuversichtlich, dass die SPD das Amt sehr kompetent besetzen kann", erwiderte Lauterbach stoisch. Als Illner dann noch anführte, "selbst Herr Merz wünscht sich jetzt Sie schon als Gesundheitsminister – und Herr Söder", rettete sich Lauterbach in Sarkasmus: "Das schmeichelt mir, aber vielleicht ist das nicht die Hilfe, die ich brauche."
- "Maybritt Illner" vom 2.12.2021