Vor Corona-Gipfel Bund und Länder ringen um Verlängerung des Lockdowns
Vor dem nächsten Corona-Gipfel sinken die Corona-Infektionszahlen in Deutschland. Trotzdem mahnen Bund und Länder zur Vorsicht, weitreichende Lockerungen der Maßnahmen sind nicht in Sicht.
Die Bundesregierung mahnt vor den neuen Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Pandemie weiter zur Vorsicht. "Die zweite Welle der Pandemie ist gebrochen, aber sie ist natürlich noch nicht zu Ende", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Mit Blick auf Forderungen nach einer Lockerung der geltenden Einschränkungen warnte Seibert: "Wir können Erfolge auch wieder zunichte machen, wenn es nicht gelingt, die Infektionen in Deutschland nach unten zu drücken."
Es bestehe auch weiterhin "die sehr reale Gefahr" durch mutierte Varianten des Coronavirus, die wesentlich aggressiver seien als die bisherigen Viren. Daher sei man weiterhin in einer Lage, "in der man mit großer Vorsicht vorgehen muss", so Seibert. Am Mittwoch wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen entscheiden.
Spahn: Zahlen noch weiter drücken
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält vor möglichen Lockdown-Lockerungen deutlich niedrigere Infektionszahlen als derzeit für nötig. "Wir müssen jetzt spürbar unter 50 kommen, um es nicht dauerhaft über 50 schnellen zu lassen", sagte Spahn in Berlin. Das Ziel, den sogenannten Inzidenzwert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen wieder unter 50 zu drücken, war zuletzt zwar in einigen Städten und Landkreisen erreicht, es gibt aber auch weiterhin Kommunen mit einem Inzidenzwert über 200. Gegen eine rasche Lockdown-Lockerung spricht für Spahn zudem die Lage in den Kliniken. Trotz sinkender Zahlen gebe es dort mehr Covid-19-Fälle als in der ersten Welle vom Frühjahr beim damaligen Höchststand.
Weiter Sorgen bereiten auch ihm die ansteckenderen Corona-Varianten. Bis Mittwoch werde es keine aktuelleren Zahlen als die vom Freitag zur Ausbreitung der Mutationen geben, sagte Spahn. Der Anteil der in Großbritannien entdeckten Variante B.1.1.7 lag nach den am Freitag vorgestellten Daten nun bei knapp sechs Prozent. In 13 der 16 Bundesländern war sie inzwischen nachgewiesen worden.
Nicht alle Alltagsbeschränkungen könnten für die Zeit ab dem 15. Februar auf den Stand von Oktober zurückgeführt werden, so Spahn. Im Oktober befand sich das Land noch im "Lockdown light", als Geschäfte noch offen, aber Kultur-, Sport- und Gaststätten schon geschlossen waren. Auch Schulen und Kindergärten sind seit Mitte Dezember großteils geschlossen.
Vorrang für Schulen und Kitas
Die Frage nach möglichen Schulöffnungen rückte vor dem Bund-Länder-Gipfel in den Vordergrund. Spahn sagte, für viele Kinder und Jugendliche gehe es um die Chancen, die sie später im Leben haben. Die Frage des Präsenzunterrichts für einige Wochen "mag für manche kleinen Menschen fürs ganze Leben einen großen Unterschied machen". Es sei aller Ehren wert, Wege zu suchen, wie es "Zug um Zug" in Schulen wieder losgehen könne. Auch Seibert bekräftigte, sobald es Lockerungen geben könne, habe "die Öffnung der Kitas und Grundschulen Vorrang vor vielem anderen".
Kanzlerin Merkel stellte am Montag angesichts zurückgehender Corona-Infektionszahlen eine längerfristige Strategie für Schulen und Kitas in Aussicht. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) rief gleichzeitig zur Vorsicht auf. Sie stellte am Montag einen gemeinsamen Leitfaden verschiedener wissenschaftlicher Fachgesellschaften, Experten und Vertreter aus dem Schulbereich vor. In diesem wird auf Basis internationaler Studien bestätigt, dass bestimmte Maßnahmen, die in der Vergangenheit schon umgesetzt wurden, wie Masken in der Schule, regelmäßiges Lüften, die Bildung fester Gruppen oder ein entzerrter Schülerverkehr einen Schulbetrieb unter Corona-Bedingungen grundsätzlich möglich machen können. Eine Empfehlung zum aktuellen Vorgehen – also zur Frage, ob und wann Schulen wieder öffnen können – wird darin nicht gegeben.
Am Montagabend wollten die Kultusminister der Länder über das weitere Vorgehen beraten. Ein Bundesland kündigt jedoch schon jetzt einen möglichen Sonderweg an: Hessen plant nächste Öffnungsschritte der Schulen frühestens ab dem 22. Februar. Sofern es das Infektionsgeschehen zulasse, sei geplant, die Jahrgangsstufen eins bis sechs zwar nicht wie ursprünglich vorgesehen ab dem 15. Februar, jedoch ab dem 22. Februar im Wechselmodell zu unterrichten, erklärt das Kultusministerium. Die Öffnungsschritte für die Schulen hingen "maßgeblich von der Entwicklung der Pandemie in den kommenden Tagen ab." Die Jahrgangsstufen ab Klasse sieben sollen voraussichtlich "bis auf Weiteres" im Distanzunterricht bleiben.
Ministerpräsidenten drängen auf Lockerungsstrategie
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) drängt derweil auf Beratungen zu möglichen Lockerungen. Er betonte zwar, dass man sich in einer "kritischen Phase" befinde. "Wir wollen und müssen den Menschen aber eine Perspektive für mögliche Lockerungsschritte geben, wenn dies die Infektionszahlen hergeben", so der SPD-Politiker. Er erwarte daher von Bund und Ländern zumindest eine Einigung auf einen Rahmenplan, "möglichst gekoppelt an Inzidenzen und der Auslastung unserer Intensivmedizin".
Ein entsprechender Vorschlag kommt aus Thüringen. Dort hat die rot-rot-grüne Landesregierung von Bodo Ramelow (Linke) einen Fahrplan erstellt, wie der Ausstieg aus dem Corona-Lockdown in den kommenden Wochen erfolgen kann. Die Vorschläge wurden vor der Ministerpräsidentenkonferenz auch an die Staatskanzleien der anderen Bundesländer übermittelt. In Thüringen soll der Landtag beteiligt werden, bevor der Stufenplan gelten kann.
Vorgesehen sind nach dem Konzept fünf Stufen mit einem unterschiedlichen Grad an Öffnungen abhängig vor allem vom Infektionsgeschehen. Danach könnten beispielsweise Friseure und Kosmetiker in Thüringen bei strengen Infektionsschutzauflagen bereits bei einer Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnern zwischen 100 und unter 200 wieder öffnen.
Woidke: Im Februar keine Lockerungen
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) plädierte für einen Stufenplan. "Was zuletzt eingeschränkt wurde, soll wieder zuerst aufmachen. Deshalb haben für mich die Grundschulen Vorrang", sagte Woidke am Montag auf Anfrage. "Die nächsten Schritte könnten einzelne körpernahe Dienstleistungen wie das Friseurhandwerk sein." Jedoch sieht er im Februar noch einen Spielraum für Lockerungen. "Aufgrund der aktuellen Zahlen halte ich es für erforderlich, dass die bestehenden Einschränkungen im Grundsatz über den 14. Februar bis Ende Februar verlängert werden", so der SPD-Politiker.
Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) mahnte angesichts der großen Erwartungen Zurückhaltung an. "Es ist ein dünnes Eis, auf dem uns bewegen. Deshalb müssen wir vorsichtig sein, dass wir nicht einbrechen", sagte er am Montag bei einem Online-Forum mit Experten und Bürgern. Bayerns Ministerpräsident Söder forderte bereits am Sonntag, der Lockdown müsse verlängert werden.
- Nachrichtenagenturen dpa und afp