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Rolex-Streit um Chebli: Gebt den Hasserfüllten keine Chance!


Meinung
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Rolex-Streit um Chebli
Gebt den Hasserfüllten keine Chance!

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 26.10.2018Lesedauer: 4 Min.
Sawsan Chebli: Die SPD-Politikerin wurde wegen einer Rolex-Uhr kritisiert.Vergrößern des Bildes
Sawsan Chebli: Die SPD-Politikerin wurde wegen einer Rolex-Uhr kritisiert. (Quelle: Hannibal Hanschke/dpa)

Eine teure Uhr am Handgelenk einer SPD-Politikerin? Na und? Überflüssige Debatten verschwenden zu oft unsere Zeit. Ein Plädoyer gegen das Verkommen unserer Diskussionskultur.

Leider nicht zum ersten Mal haben wir diese Woche eine mediale Debatte verfolgen können, die niemandem etwas bringt und die im Grunde jeden, außer der überschaubaren Zahl ihrer Urheber, bloß genervt hat. Damit so etwas in Zukunft nicht mehr so häufig vorkommt, gibt es ein paar Dinge, die wir alle und ich meine jeder Einzelne von uns einhalten könnten.

Im konkreten Fall ging es um die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli. Die Sozialdemokratin stand im Zentrum einer Empörungsorgie, weil jemand ein vier (!) Jahre altes dpa-Foto von ihr herausgekramt hat, auf dem sie eine Rolex trägt. In das Bild hat der Betreffende ein Werbeplakat der Uhr gephotoshopt und es dann als Kritik an der SPD, der "Partei der kleinen Leute", in die virtuelle Welt geschickt.

Eine der üblichen Neiddebatten

Um festzustellen, ob eine Debatte wichtig ist, kann man sich meines Erachtens vier Fragen stellen:

  • Ist das Thema neu? Oder wurde es schon x-mal besprochen?
  • Wer ist betroffen? Ist es vielleicht jemand, der permanent im Auge des Sturms steht?
  • Ist die Dynamik neu? Oder kennt man die Urheber und die Methoden bereits?
  • Ist die Debatte es wert, geführt zu werden? Hätte sie einen gesellschaftlichen Nutzen? Verfolgt sie ein ehrenwertes Ziel? Oder geht es zum Beispiel nur darum, jemanden fertig zu machen?

Nun, neu ist der Fall gewiss nicht. Es ist eine der üblichen Neiddebatten wie bei den Cohibas von Altkanzler Gerhard Schröder, den Hermès-Krawatten des früheren CSU-Popstars Karl-Theodor zu Guttenberg oder dem Porsche von Ex-Linken-Chef Klaus Ernst. Eine Rolex für 7.300 Euro taugt nicht für einen Skandal, nicht einmal am Handgelenk einer SPD-Politikerin. Denn für jemanden mit einem Grundgehalt von fast 9.000 Euro pro Monat ist sie durchaus erschwinglich. Sie liegt im untersten Preissegment dieser Luxusuhren. In der Regel muss man Zehntausende hinlegen, manchmal mehr als 100.000 Euro.

Anlass zur Empörung besteht nicht

Betroffen ist mit Sawsan Chebli eine muslimische Frau mit arabischem Migrationshintergrund, die sich selbstbewusst öffentlich zu Wort meldet. Sie ist seit Langem ein Lieblingsopfer von Islamhassern, Rechtsradikalen, Rassisten und Chauvinisten. Auch das ist nicht neu. Im Gegenteil. Dass Frauen (mit Migrationshintergrund), die in der Öffentlichkeit stehen, oft angefeindet werden, ist inzwischen leider nur allzu bekannt. Zudem steht Cheblis Partei, die SPD, derzeit so massiv unter politischem Druck, dass ihre Gegner jeglichen Anlass nutzen würden, um der Partei den Rest zu geben.

Damit ist auch die zweite Frage beantwortet. Der Fall Chebli enthält keinerlei Anlass zum Aufruhr, er entspricht altbekannten Mustern. Das gleiche gilt für die Dynamik, die die Debatte aufgebauscht hat. Fahrt nahm sie durch die üblichen Verdächtigen auf: die im Vergleich zur Gesamtgesellschaft so kleine Gruppe der Social-Media-Stammtischler, die täglich via Twitter, Facebook oder Instagram ihre "Kritik" an SPD, Grünen, Politikern insgesamt, sowie Muslimen, Einwanderern etc. äußern. Und jeder weiß: Diese "Kritik" heißt im Zeitalter sozialer Medien häufig: Vernichtung des Gegners. Erst wenn er nicht mehr zuckt, lassen sie (vielleicht) ab.


Außer dass zum x-ten Mal aufgezeigt wird, wie die Empörungsorgien im Netz inzwischen funktionieren, vermag ich nicht zu erkennen, wie diese Debatte einen gesellschaftlichen Nutzen haben sollte. Hätte Chebli die Uhr von einem Lobby-Verband geschenkt bekommen, gäbe es tatsächlich ein Problem. Aber was sie mit dem Geld macht, das sie verdient, ist Privatsache. Ginge es dem Land besser, wenn am Ende SPD-Staatssekretärinnen Uhren vom Discounter trügen? Chebli ist eine Frau, die aus einfachsten Einwandererverhältnissen stammt und Karriere gemacht hat. In den USA würde man das als den American Dream feiern und ihr Anerkennung zollen. In Deutschland macht sie dieser Erfolg allenfalls zu einem Punchingball.

Jeder kann mithelfen

Unterm Strich handelt es sich somit um eine überflüssige Debatte. Solche Debatten lassen sich nicht sinnvoll führen, da zwangsläufig ein konstruktiver Ansatz fehlt. Von daher sollte man solche Debatten am besten ignorieren und aussitzen.

Besteht das Ziel darin, eine Person oder Organisation fertig zu machen, sollte man vor allem eines nicht tun – das Opfer als Opfer herausstellen oder sich selbst zum Opfer machen. Da es nun einmal darum geht, jemanden zu vernichten, signalisiert das den Angreifern bloß, dass ihre Attacken Wirkung zeigen. Das spornt sie weiter an.


Um überflüssige Debatten klein zu halten, kann jeder Einzelne mithelfen. Eine Posse ist ein Posse ist eine Posse. Sie ist leicht als solche zu erkennen. Sämtliche Hinweise darauf, dass eine Posse eine Posse ist, kann man sich mithin schenken. Tut man aber nicht. Die Kritiker von #Rolexgate und die Verteidiger von Chebli tragen folglich eine Mitschuld am Aufblähen solch unseliger Debatten. Ihre Absicht mag lobenswert sein, ihr Handeln aber ist Teil des Problems. Und dann noch die eigenen Hände in Unschuld zu waschen und auf die Medien als alleinige Übeltäter zu schimpfen, was viele tun, ist wohlfeil.

Finger weg von der Tastatur

Wir Internethäschen sind es, und dabei nehme ich mich nicht aus, die allzu oft aus Nichts einen Skandal machen, mit jedem Kommentar, jedem Posting, jedem Retweet und jedem Like, den wir hinterlassen. Wir wissen doch inzwischen, dass viele Medien Likes, Retweets und Postings zählen, um über einen vermeintlichen Aufruhr im Netz zu schreiben. Wer sich daran stört, sollte unsinnige Debatten einfach mal an sich vorbeiziehen lassen. Finger weg von der Tastatur. Auch wenn es schwerfällt.

Gegenrede ist gewiss ein wichtiges Element der Demokratie, aber das gilt nicht für jede Debatte. Die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie greifen nur, wenn Schlagzeilen von Medien und Aussagen von Politikern einen Resonanzraum in der Gesellschaft finden. Man stelle sich vor, die Medien schrieben etwas und niemand reagierte? Wie krass wäre das denn bitte?!

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin und leitet derzeit ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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