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Pegida und die Polizei: Sachsens Dunkelheit und Deutschlands Scham


Pegida und die Polizei
Sachsens Dunkelheit und Deutschlands Scham

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

24.08.2018Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Anhänger von Pegida und AFD protestieren gegen den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel CDUVergrößern des Bildes
Deutschlandfahne: Nach wie vor greift bei Teilen von Politik und Behörden der Reflex der Relativierung und der Rechtfertigung, wenn es um den rechten Rand der Bevölkerung geht. (Quelle: Paul Sander/imago-images-bilder)

Besorgniserregendes kommt aus Sachsen. Teile der Polizei und Teile der Politik verheddern sich im Geflecht der "besorgten Bürger". Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem, das weit über Sachsen hinausreicht.

Sachsen zeigt mal wieder auf, dass es im Kampf gegen Radikalisierung ein strukturelles Problem in Deutschland gibt. Das geschieht auf zwei Ebenen:

1. Ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts beteiligt sich in seiner Freizeit an einer Demo gegen die Bundeskanzlerin, organisiert von Pegida, von der bekannt ist, dass sie radikal und verfassungsfeindlich sind.

2. Besagter Mitarbeiter löst auch noch eine Behinderung der Arbeit von Journalisten durch seine Polizeikollegen aus, und legt so Hand an die Pressefreiheit.

Eine eindeutige Reaktion? Fehlanzeige

Nun könnte man meinen, die Reaktionen darauf würde eindeutig ausfallen: Man hebt die Pressefreiheit als hohes Gut der Demokratie hervor und verweist darauf, dass die Angelegenheit schnellstmöglich aufgeklärt wird. Außerdem stellt man klar, dass das Auftreten des Mitarbeiters problematisch sein könnte. Schließlich erwartet ja Sachsens Innenminister Roland Wöller nach eigenen Worten von allen Bediensteten seines Ressorts jederzeit ein "korrektes Auftreten", auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhalten und äußern.

Doch was macht der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, der bald für die CDU in eine Landtagswahl muss und befürchten kann, womöglich von der AfD abgelöst zu werden? Er twittert sogleich und ohne nähere Kenntnis der Lage: "Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten." Ergo: die erfahrenen ZDF-Journalisten sind demnach ebenso unseriös wie die pöbelnden und "Lügenpresse"-rufenden Pegida-Anhänger, die auf den Aufnahmen zu sehen sind. Und Innenminister Wöller sekundiert: "Selbstverständlich gilt für jeden Bürger in unserem Land das Recht auf freie Meinungsäußerung."

Die CSU lässt grüßen – auch am sächsischen Kabinettstisch hat man offenbar lieber den potenziell rechten Wähler im Sinn als die freiheitliche, demokratische Grundordnung. Wie es anders geht, zeigte übrigens die Kanzlerin bei ihrer Kaukasusreise: "Ich will mich da ausdrücklich zur Pressefreiheit bekennen. Jeder, der an einer Demonstration teilnimmt, muss wissen, dass er Objekt dieser Pressefreiheit ist", betonte Angela Merkel.

Der Staat ist auf dem rechten Auge blind

Egal wo in diesem Land – ob in Flensburg, Anklam, Dresden, Burgweinting oder Weilerswist – jeder Bürger hat das verfassungsmäßig verbriefte Recht insbesondere vom Staat und seinen Bediensteten, von Ministern bis zu Justizhelfern, gleich neutral behandelt zu werden – inklusive Personen in den eigenen Reihen. Von daher erwarte ich als Bürgerin, dass die Behörden in diesem Fall genauso eindeutig reagieren, als wäre der Lka-Mann nicht mit Deutschlandhütchen auf dem Weg zu einer Pegida-Demo gewesen, sondern hätte sich mit Häkelkäppi und langem Gewand zu einer Kundgebung von Salafisten aufgemacht. Was wäre gewesen, wenn der LKA-Mitarbeiter ein Sympathisant der Salafisten-Szene wäre? Völlig zu Recht hätte niemand zuerst die Meinungsfreiheit des Mannes aufgerufen. Und niemand hätte ZDF-Journalisten ohne zu Zögern auf eine Stufe mit sinisteren Anhängern eines islamischen Fundamentalismus gestellt. Als Recherchen der WAZ 2012 ergaben, dass ein Mitarbeiter der Essener Polizei in seiner Freizeit offenbar mit Salafisten Umgang hat, wurde er sofort vorläufig suspendiert.

Der Staat muss radikale Bestrebungen von rechts, links, von Islamisten oder anderen gleichsam bekämpfen. So wie Islamisten einen Staat nur für Muslime wollen, wollen Rechtsradikale einen Staat nur für ihresgleichen und Linksradikale einen ohne Kapitalisten. Die Prinzipien dahinter sind fast identisch. All diese Ideologien gefährden unser Zusammenleben, und doch besagt eine Redewendung fast immer – nicht erst seit den NSU-Morden –, dass der Staat auf dem rechten Auge blind sei, nie auf dem islamistischen Auge und selten auf dem linken. Das hat System. Deutschland hat es nicht nur mit problematischen Einstellungen Einzelner zu tun, sondern mit strukturellen und institutionellen Defiziten.

Sachsens Dunkelheit wird zu Deutschlands Scham

Der Einsatz für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist fortwährend und mühsam – nicht nur in Sachsen, aber dort vielleicht besonders. Jedenfalls fragte sich höchstpersönlich Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) schon 2016, "ob die Sympathien für Pegida und die AfD innerhalb der sächsischen Polizei größer sind als im Bevölkerungsdurchschnitt?" Sachsens Glanz und Preußens Gloria droht zu Sachsens Dunkelheit und Deutschlands Scham zu verkommen.

Nach wie vor greift bei Teilen von Politik und Behörden der Reflex der Relativierung und der Rechtfertigung, wenn es um den rechten Rand der Bevölkerung geht. Nicht nur dass Rechtsradikale oft als "besorgte Bürger" verbrämt werden, anders als bei Linksradikalen und Islamisten hält sich bei ihnen die Vorstellung: Ihr Feind Nummer eins sei nicht der Staat, dessen Vertreter und die vermeintliche Mehrheitsbevölkerung, sondern die "Ausländer", deren Fürsprecher und die vermeintliche Minderheit.

Politiker müssen sich weiterentwickeln

Der Gedanke, lieber die Schwächeren zu verprellen, als es sich mit den Stärkeren zu verscherzen oder ganz im Sinne von St. Florian lieber die anderen zu Schaden kommen zu lassen als sich selbst, ist verführerisch. Aber Vertretern der zweiten Gewalt im Staate, der Exekutive, muss man ihn austreiben. Sie sind mehr als andere Recht und Gesetz verpflichtet. Mit ihnen steht und fällt der Kern unseres Gemeinwesens.

An diese strukturellen Probleme müssen die Behörden ran – auch wenn es schmerzt. Öffentliches Problematisieren, Fort- und Weiterbildungen, bessere Einstellungsprüfungen und konsequentes Handeln würden helfen. Angst vor Stigmatisierung darf dabei nicht bremsen, denn durch solche Maßnahmen wird nicht gleich jeder Staatsdiener zum Rechtsradikalen gestempelt.

Rettet den Rechtsstaat!

Ich als Muslimin darf das sagen, ich weiß, wovon ich in Zeiten des Islamismus spreche. Muslime werden seit Jahren intensivst von allen Seiten aufgefordert, die strukturellen Probleme ihrer Gruppe endlich anzuerkennen und sich diesen zu stellen. Immer mehr Muslime bemühen sich heutzutage auch darum, manche sogar zum Preis massiver persönlicher Anfeindungen, die bis zu Morddrohungen radikaler Islamisten und Fundamentalisten gehen.

Letzte Woche schrieb ich an dieser Stelle über die Gefahren der Missachtung von Gerichten durch die Exekutive in Nordrhein-Westfalen, die uns der Fall des Islamisten Sami A. gelehrt hat. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich nur eine Woche später angesichts der Gefährdung von Grundrechten durch die Exekutive in Sachsen wieder zu dem Ausruf gedrängt fühlen würde: Rettet den Rechtsstaat!

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnisten auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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