Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kritik an Lehrern Die AfD hat recht – aber Denunziation bleibt falsch
Lehrer dürfen nicht pauschal vor Parteien warnen. Auch nicht vor der AfD. Sie müssen aber auch nicht schweigen – und dürfen erst recht nicht denunziert werden.
Dass man sich bei der AfD darüber aufregt, wenn Lehrer im Unterricht pauschal vor ihrer Partei warnen, ist verständlich. Und richtig. Lehrer dürfen in der Schule nicht für ihre persönliche politische Meinung oder weltanschauliche Überzeugungen werben. Sie können sich nicht vor ihre Klassen stellen und diese auffordern, nicht die AfD zu wählen.
Das gilt natürlich auch für jede andere Partei, die Teil des rechtsstaatlichen Parteienspektrums ist. Wo sollte man sonst die Grenze ziehen?
Das alles ist seit 1976 im sogenannten Beutelsbacher Konsens vereinbart:
- Das Überwältigungsverbot besagt, dass die persönliche Meinung der Lehrkraft als eine unter vielen dargestellt werden soll – wenn überhaupt. Und dass der Lehrer seine Meinung keinem Schüler aufzwingen darf.
- Das Kontroversitätsgebot legt fest, dass stets verschiedene Ansichten zu einem Sachverhalt darlegt werden müssen.
- Und schließlich gibt die Schülerorientierung vor, dass Lernende in die Lage versetzt werden, sich selbst im gesellschaftlichen Spektrum zu verorten. Kurz: Schüler sollen befähigt werden, mündige Entscheidungen zu treffen.
Denunziation erinnert an totalitäre Regime
Daran müssen sich Lehrer halten. Was aber gar nicht geht, ist der jetzt angekündigte Ansatz der Hamburger AfD-Fraktion, eine interaktive Plattform gegen angebliche Anti-AfD-Hetze in Schulen einzurichten, um sich gegen missliebige Äußerungen zu wehren: Schüler, Eltern und Lehrer sollen über ein vertrauliches Kontaktformular Verstöße an die AfD-Fraktion melden.
Das würde einem gefährlichen Denunziantentum den Weg bereiten, das an den Umgang mit Gegnern unter totalitären Regimes erinnert. Hier ginge es nur darum, eine kritische Auseinandersetzung mit der in Teilen rechtsextremen und rassistischen Partei zu unterbinden oder zumindest zu erschweren.
Die anderen Parteien, die Behörden und auch die Bürger in Hamburg müssen sich in Stellung bringen, um solchen subversiven Bestrebungen der AfD einen Riegel vorzuschieben.
Gewerkschaft warnt scharf
Einige mögen jetzt denken: Nun diskutieren wir schon wieder über einen Idee der AfD. Muss das sein?
Einerseits sollte man die Partei gewiss weniger beachten, um sie nicht größer aussehen zu lassen, als sie ist. Andererseits kann man ihre Vorstöße nicht immer unkommentiert und ohne Einordnung stehen lassen.
Wem sich die Gefahr dieses Online-Prangers nicht sofort erschließt, sei auf die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hingewiesen: Solche Vorgehensweisen habe es auch im Stalinismus und im Nationalsozialismus gegeben, sagte deren Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann den Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland": „In Letzterem sind Mitglieder der Hitlerjugend in Vorlesungen gegangen und haben bei Kritik an der NSDAP die Dozenten verraten. Und in solchen Traditionen kann man die Pläne der AfD sehen.“
Willkür wird Tür und Tor geöffnet
Es mag verlockend sein, mit solchen Online-Prangern Pädagogen oder Mitglieder anderer Berufsgruppen, die einem nicht passen, an die Kandare zu nehmen. Die Vorstellung, dies bei vermeintlich guten Dingen anzuwenden, etwa wenn sich Lehrer rassistisch oder diskriminierend äußern, versprüht einen gewissen Charme. Doch selbst hier darf man dem ersten Impuls nicht nachgeben, denn man würde der Willkür Tür und Tor öffnen und den Schulfrieden gefährden. Jeder, dem ein Lehrer nicht passt, könnte diesen anschwärzen.
Schule ist ein höchst sensibler Bereich, ein geschützter Ort. Der Umgang miteinander in einer Klasse sollte von Empathie, Vertrauen und Verständigung geprägt sein. Sollten tatsächlich Schüler beeinflusst oder unter Druck gesetzt werden, lassen sich solche Probleme intern angehen. Der erste Weg führt zur Schulleitung. Hat die Intervention dort keinen Erfolg, gibt es übergeordnete Behörden wie Schulämter, Bezirksregierungen oder Ministerien.
Kritik an Demokratiefeinden muss möglich sein
Allerdings kann niemand Anspruch darauf erheben, dass nur bestimmte Ansichten zu einem Thema vermittelt oder nicht vermittelt werden -– nicht einmal Eltern. So wie sich Lehrer jedweder Indoktrination zu enthalten haben, haben Außenstehende keinen Einfluss auf den Unterricht zu nehmen.
Schulen sind eben auch Orte der Meinungsbildung und der demokratischen Teilhabe. Die freie Rede ist dabei das höchste Gut. Das gilt nicht nur für Ansichten von Rechtspopulisten, sondern auch für die Gegner von Rechtspopulisten. Selbstverständlich muss man in der Schule offen darüber sprechen können, dass AfD-Politiker ganze Gruppen von Menschen ausgrenzen oder aus dieser Partei verfassungsfeindliche Töne kommen. Auch die Freiheit von Lehrern und Schülern, dies offen zu verurteilen, darf nicht eingeschränkt werden, ob dass der AfD und ihren Wählern nun passt oder nicht.
Lehrer sind angehalten, Demokratieerziehung zu leisten und demokratiefeindliche Bestrebungen aufzuzeigen – auch wenn sie in demokratischen Parteien auftauchen.