Eklat um Antisemitismus-Motiv Kollektiv räumt Fehler ein: "Sind schockiert"
Im Skandal um ein Kunstwerk auf der documenta hat sich das verantwortliche Kollektiv zu Wort gemeldet. Der Vorsitzende des Forums zieht Konsequenzen.
Das kuratierende Kollektiv der documenta fifteen in Kassel hat sich in einer schriftlichen Stellungnahme am Donnerstag für die antisemitischen Darstellungen auf der Weltkunstschau entschuldigt. "Wir haben alle darin versagt, in dem Werk die antisemitischen Figuren zu entdecken", schreibt Ruangrupa auf der Website der documenta. "Es ist unser Fehler. Wir entschuldigen uns für die Enttäuschung, die Schande, Frustration, Verrat und Schock, die wir bei den Betrachtern verursacht haben."
Ein als antisemitisch eingestuftes Kunstwerk des indonesischen Kollektivs Taring Padi war nach wenigen Tagen auf der documenta abgebaut worden. Zuvor hatte es schon seit Monaten Antisemitismus-Vorwürfe gegen das kuratierende Kollektiv Ruangrupa aus Indonesien gegeben.
"Sind schockiert"
"Wie wir jetzt vollständig verstehen, knüpft diese Bildsprache nahtlos an die schrecklichste Episode der deutschen Geschichte an, in der jüdische Menschen in beispiellosem Ausmaß angegriffen und ermordet wurden", schrieb Ruangrupa weiter über das Werk. "Wir nutzen diese Gelegenheit, um uns über die grausame Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus weiterzubilden und sind schockiert, dass diese Figur es in das fragliche Werk geschafft hat." Das kollektiv hergestellte Banner beziehe sich auf die "ungelöste, dunkle Geschichte Indonesiens".
Das Kollektiv bedankte sich zudem für die "konstruktive Kritik und Solidarität", betonte aber auch, dass es sich von anderen nicht fair behandelt fühle: "Wir haben das Gefühl, dass viele der Anschuldigungen gegen uns erhoben wurden, ohne dass zuvor ein offener Austausch und gegenseitiges Lernen angestrebt wurde." Man wolle den "Dialog, mit denen, die uns ehrlich unterstützt haben, an uns geglaubt haben" fortführen. "Wir möchten auch weiterhin mit der Öffentlichkeit, Besuchern und lokalen Basisinitiativen, die unsere Arbeiten ansprechen, ins Gespräch kommen."
Ausstellung wird auf weitere kritische Werke geprüft
Die Documenta gGmbH hatte zuvor bereits angekündigt, am kommenden Mittwoch den Dialog mit einem gemeinsam mit der Bildungsstätte Anne Frank ausgerichteten Podiumsgespräch aufzunehmen. Die Bildungsstätte werde zudem "einen Begegnungs- und Informationsstand auf dem Friedrichsplatz etablieren", an dem Besucher und Besucherinnen, aber auch Kunstschaffende in einen Dialog zu Fragen des Antisemitismus und Rassismus kommen könnten, hieß es am Donnerstag auf der Homepage der documenta fifteen.
Man lasse zudem die Ausstellung auf weitere kritische Werke hin begutachten. "Eindeutig antisemitische Darstellungen werden deinstalliert, bei strittigen Positionen eine angemessene Debatte geführt." Außerdem behalte sich die Gruppe das Recht vor, einzelne Künstlerinnen und Künstler auszuladen.
Vorsitzender tritt zurück
Zuvor hatte sich das documenta-Forum nach einem Interview von seinem bisherigen Vorsitzenden distanziert. Jörg Sperling trat daraufhin am Donnerstag mit sofortiger Wirkung zurück. Er hatte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur kritisiert, dass das als antisemitisch empfundene Kunstwerk von Taring Padi auf der Kasseler Kunstausstellung "auf politischen Druck hin" abgehängt wurde. "Eine freie Welt muss das ertragen", so Sperling.
Das documenta-Forum "bedauert ausdrücklich" die Äußerungen Sperlings und distanzierte sich von seinen Aussagen. Das Interview sei mit den übrigen Vorstandsmitgliedern nicht abgestimmt gewesen. "Diese und alle weiteren Äußerungen in dem Interview geben ausschließlich die persönliche, nicht autorisierte Meinung von Jörg Sperling wieder", hieß es. Die anderen Mitglieder des Vorstandes hielten "Bilddarstellungen in der Manier des "Stürmer" für absolut inakzeptabel", teilte das Forum mit.
Sperling bereut Aussagen nicht
Das documenta-Forum sieht sich nach eigenen Angaben verpflichtet, "zur Sicherung der Rahmenbedingungen der documenta als der internationalen und unabhängigen Ausstellung zeitgenössischer Kunst beizutragen und das Ansehen und den Ruf der documenta zu schützen".
Jörg Sperling bestätigte seinen vom Forum kommunizierten Rücktritt. "Zu dem, was ich gesagt habe, stehe ich nach wie vor", sagte er der dpa. Er habe persönlich auch viele positive Rückmeldungen bekommen. Über sein Ausscheiden sei er "nicht unglücklich", ebenso wenig wie über die dadurch ausgelöste Debatte: "Das schärft die Positionen."
- Nachrichtenagentur dpa