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Internationale Presse über Merkel: "Die Geier kreisen"


Internationale Presse über Merkel
"Der Machtkampf um ihre Nachfolge wird chaotisch"

Von t-online, aj

30.10.2018Lesedauer: 4 Min.
Nach der Hessen-Wahl hat Kanzlerin Angela Merkel ihren Rücktritt als Parteichefin der CDU angekündigt. Die internationale Presse sieht den Schritt kritisch.Vergrößern des Bildes
Nach der Hessen-Wahl hat Kanzlerin Angela Merkel ihren Rücktritt als Parteichefin der CDU angekündigt. Die internationale Presse sieht den Schritt kritisch. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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Angela Merkels Verzicht auf ihren Parteivorsitz und die erneute Kanzlerkandidatur sorgt nicht nur in Deutschland für Gesprächsstoff. Das meint die internationale Presse.

Die "New York Times" schreibt, Deutschland ähnele laut Analysten immer mehr seinen kleinen Nachbarn, wie Italien und den Niederlanden, die schon eine ähnliche Spaltung bei Wählern erlebt hätten. Angela Merkels Entscheidung zum Rückzug verdeutliche nun, "dass weder sie noch ihr Land immun gegenüber den Kräften sind, die die Politik auf dem Kontinent neu geordnet haben." Der Zeitpunkt für diese Entwicklungen sei äußert ungünstig. Europa brauche bei einer Reihe von Themen, wie einem bevorstehenden Brexit oder Italiens Haushaltsplänen, weiterhin ein starkes Vorbild. Ein geschwächtes, instabiles Deutschland sei möglicherweise weniger in der Lage künftig die Führungsrolle zu übernehmen.


Die britische "Times" schreibt: "Ihr langer Abschied - angekündigt, nachdem ihre Partei in landesweiten Umfragen abgesackt ist und bei den Wahlen in Hessen Prügel bezogen hat - läutet eine Periode der Instabilität in der größten Volkswirtschaft Europas ein. Der Machtkampf um ihre Nachfolge als Parteivorsitzende - sowie als Regierungschef - wird wahrscheinlich chaotisch. Innerhalb von wenigen Minuten nach ihrer Erklärung meldeten sich bereits drei Anwärter. Doch wie auch immer: Merkel hat gesagt, sie wolle die restlichen drei Jahre Bundeskanzlerin bleiben, falls sie nicht im Falle vorgezogener Neuwahlen abtreten sollte. Die könnte es bereits im kommenden Jahr geben, sollte ihre große Koalition zerbrechen. Merkel weigerte sich, einen Kandidaten öffentlich zu unterstützen, das Wettrennen um ihre Nachfolge an der Führungsspitze dürfte heftig werden."

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Der britische Guardian kommentierte: "Merkel hat die deutsche Politik so lange dominiert, dass ihr Abgang zwangsläufig traumatisch sein muss" Die Autorität der deutschen Kanzlerin sei schon seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 geschwächt. "Oft als mächtigste Frau der Welt und als Führungspersönlichkeit Europas gepriesen, Merkel genoss die Unterstützung der deutschen Wähler, die die Kanzlerin als Garant für Stabilität und Wohlstand im Land sahen." Das habe sich offenbar nach ihrer Entscheidung Deutschlands Grenzen offen zu halten geändert.

Die spanische Zeitung "El País" schreibt: "Die Kanzlerin scheint nun endlich verstanden zu haben, dass es an der Zeit ist, die Karten neu zu mischen." Die Probleme in der großen Koalition, vor allem zum Thema Flüchtlingskrise, hätten nach Meinung der Experten zum Wiederaufleben der AfD beigetragen. Trotz allem sei Merkel aber noch immer eine beliebte Politikerin in Deutschland: "Merkel steht für Stabilität in der turbulenten Welt von Trump, Erdogan und Kim Jong Un. Sie repräsentiert die Durchsetzungskraft und die Entschlossenheit, die notwendig sind, um sich solchen internationalen Bedrohungen zu stellen."

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Der britische Nachrichtensender BBC meint: "Die Ankündigung soll Kritiker in ihrer Partei zum Schweigen bringen und die Wähler, die die CDU zugunsten von Parteien wie der AfD und den Grünen verlassen haben, zurückgewinnen. Der Rückzug spiegelt aber auch ihre schwindende Machtposition wider." Viel werde dabei von ihrem Nachfolger abhängen. Wenn eine Vertraute wie Annegret Kramp-Karrenbauer folgen würde, hätte Deutschland eine Chance auf einen reibungslosen Übergang. "Aber die Geier kreisen. Ein alter Rivale, Friedrich Merz, hat schon seine Kandidatur angekündigt. Wenn sich einer der Gegner von Frau Merkel als Parteiführer durchsetzt, wird ihre Kanzlerschaft unbehaglich werden und damit womöglich hinfällig sein."

Für die belgische Zeitung "De Standaard" ist fraglich, ob Merkel alle Probleme mit Übergabe des Parteivorsitzes lösen kann: "Die Kritik innerhalb der Partei wird nicht plötzlich aufhören, nur weil ein neuer Vorsitzender gewählt wird. Die Koalition mit einer SPD, die vielleicht noch schlechter dasteht als CDU und CSU, ist brüchig. Es ist noch nicht auszuschließen, dass die Sozialdemokraten durch den Druck vieler Mitglieder die Regierung platzen lassen. Und wenn Merkel als CDU-Vorsitzende zurücktritt, sollte nicht auch Horst Seehofer das in der bayerischen CSU tun? Es ist also keineswegs sicher, dass sich die deutsche Politik bald wieder in ruhigerem Fahrwasser befindet und Merkel, wie sie hofft, noch drei Jahre Kanzlerin bleiben kann."

Der australische Nachrichtensender SBS fragt: "Wer kann die ewige Kanzlerin ersetzen?" Merkel sei international eine lange Zeit als Anführerin der freien Welt gefeiert worden. Die Kanzlerin habe über die Jahre mit ihrem pragmatischen und vorsichtigen Führungsstil die Kunst perfektioniert, an der Macht zu bleiben. Ihre großen politischen Schachzüge spiegelten die Wünsche einer sich verändernden Gesellschaft wider, darunter der Ausstieg aus der Atomkraft nach Fukushima in 2011, und verlagerten ihre Partei in die politische Mitte." Ihre kühnste Entscheidung, die deutschen Grenzen in 2015 offen zuhalten, sei womöglich der Anfang ihres Untergangs gewesen.

Für die Wiener Zeitung "Die Presse" verleugnet Merkel ihre eigenen Prinzipien: "Die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz ist ein fataler Fehler. Sie bedeutet einen Autoritätsverlust auf ganzer Linie und den Anfang vom Ende einer Kanzlerschaft. Es ist eine brutale Analyse. Sie stammt von Angela Merkel, aus dem Jahr 2004. Parteivorsitz und Kanzlerschaft gehören zusammen: Das war ein ehernes Prinzip der deutschen Regierungschefin. Sie wiederholte es immer wieder. Bis gestern, als die mächtigste Frau Europas ihre Grundsätze brach. Im Angesicht von Umfragetiefs und Wahlpleiten räumte Merkel auch ein zweites ihrer Machtprinzipien ab: Nenne kein Ablaufdatum! "Die vierte Amtszeit ist meine letzte", sprach die Kanzlerin. Angela Merkel hätte besser bei Angela Merkel nachgelesen."

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