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Juli Zeh bei Lanz: Diskussionsklima manchmal undemokratisch


Diskussionskultur Thema bei "Lanz"
Autorin Zeh: Menschen brechen darüber zusammen


25.07.2024Lesedauer: 3 Min.
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Die Autorin und Juristin Juli Zeh bei "Lanz" (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Die Autorin und Juristin Juli Zeh bei "Lanz" (Archivbild). (Quelle: Hein Hartmann via www.imago-images.de)

Kann zu viel Meinungsfreiheit einer Demokratie schaden? Bei "Markus Lanz" diskutiert eine juristische Fachrunde über politische Einflüsse und das richtige Grundrechtsmaß.

Moderator Markus Lanz diskutierte in seiner Talkshow mit zwei Juristinnen und einem Juristen über das hohe Gut der Meinungsfreiheit, ihre Grenzen und ihre Bedeutung für die liberale Demokratie. Die Bestsellerautorin Juli Zeh schilderte in diesem Zusammenhang ihr emotionales Verhältnis zum deutschen Grundgesetz. "Ich fühle mich sehr als Kind dieser Verfassung", sagte sie am Mittwochabend im ZDF. Gerade als Künstlerin sei sie auf etwas wie die Meinungsfreiheit ganz zentral angewiesen. "Ich bin nach wie vor wahnsinnig froh über diese exzellente Verfassung, die wir haben", zeigte sich Zeh begeistert. Über die gegenwärtige Verfassung der demokratischen Diskussionskultur im Land äußerte sich die ehrenamtliche Verfassungsrichterin des Landes Brandenburg hingegen besorgt.

Die Gäste

  • Juli Zeh, Schriftstellerin und Landesverfassungsrichterin
  • Kai Ambos, Jura-Professor der Universität Göttingen
  • Nora Markard, Jura-Professorin der Universität Münster

Man habe aktuell schnell das Gefühl, dass im Falle stärker abweichender Meinungen kein gutes Gespräch, kein friedliches Miteinander mehr möglich sei. Dabei sei das ganze System Demokratie darauf ausgerichtet, verschiedene Interessen und Meinungen miteinander auszuhandeln. "Wenn wir diesen Prozess nicht mehr frei und relativ hemmungslos betreiben dürfen, glaube ich, kommen wir tatsächlich an einen Punkt, wo sich das mit der Staatsform nicht mehr so hundertprozentig verträgt", erläuterte die Schriftstellerin und Juristin.

Bestsellerautorin kritisiert undemokratisches Diskursklima

Stattdessen herrsche ein Diskursklima, in dem man zu schnell Gefahr laufe, ausgesondert zu werden. "Man erlebt, wie Menschen darüber zusammenbrechen", sagte Zeh über den Prozess der sozialen Dekonstruktion, der damit einhergehe.

Meinungsfreiheit bedeute allerdings nicht, einen Anspruch darauf zu haben, dass die eigene Meinung unwidersprochen bleibt, gab die Verfassungsrechtlerin Nora Markard zu bedenken. Diese Kritik müsse man vielleicht wieder aushalten lernen.

Der Jura-Professor Kai Ambos zog in der Frage, wie weit die Meinungsfreiheit in Deutschland gehen dürfe, eine klare Grenze. "Meine Position, auch als Strafrechtler, ist: Ich darf alles sagen, solange es nicht strafbar ist", erklärte der Rechtswissenschaftler und belegte seine Ansicht mit zahlreichen Beispielen – von historischen Nazi-Gedenkveranstaltungen bis hin zu den aktuellen Fällen rund um Kalifatsdemonstrationen und den Wolfsgruß, wie er während der Fußball-EM von türkischen Fans gezeigt wurde. Das alles sei vom Paragrafen 5 des Grundgesetzes gedeckt, befand Ambos. Liberalität bedeute schließlich, das auszuhalten, was nicht strafbar ist.

"Hilflosigkeit, den Moment des Umschlags zu verpassen"

"Das ist der Ausweis, dass wir es ernst meinen", bekräftigte Zeh und fügte hinzu: "Ich bin da nach wie vor zutiefst optimistisch, dass das der Weg ist." Dinge zu erlauben, die die eigenen Werte bestärkten, sei schließlich keine Kunst. "Die Kunst besteht doch darin, auch dem einen gewissen Freiraum zu geben, was uns eigentlich angreift", argumentierte die Landesverfassungsrichterin.

Gegen Ambos' Vorwurf, innerhalb der Politik mache sich derzeit eine autoritäre Verbotsposition breit, nahm Zeh den Staat teilweise in Schutz. Man habe es nicht etwa mit einer neuen Machtlust zu tun, sondern eher mit einer Hilflosigkeit angesichts der Möglichkeit, "den Moment des Umschlags verpassen" zu können. Als Beispiel für einen solchen Kipppunkt nannte die Schriftstellerin den Augenblick, in dem die AfD Mehrheitspartei auf Bundesebene wäre. Das klang schon deutlich weniger zuversichtlich in Bezug auf die stabilisierende Kraft demokratischer Langmut. Ihren Mitdiskutanten konnte Zeh zudem nicht überzeugen.

"Ich finde, wir haben sowieso viel zu viele Parteieneinmischungen", kritisierte Ambos. Wenn etwa für die Kunst- oder Wissenschaftsförderung politische Kriterien wie ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels ausschlaggebend seien, gehe das zu weit. Über die Vergabe des Goldenen Bären zu entscheiden, sei die Aufgabe von Künstlern und nicht des Verfassungsschutzes.

Auf die Kehrseite einer allzu toleranten Definition von Meinungsfreiheit, wenn es um Machtkritik an der Politik und politischen Akteuren gehe, verwies hingegen Markard. Eine Demokratie habe auch dann ein Problem, wenn sich aufgrund der Schärfe der Auseinandersetzung und der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit des Staates kaum noch jemand in der Kommunalpolitik engagieren wolle. "Wie passt das zu der Wahrnehmung, dass man in Deutschland nicht mehr sagen kann, was man denkt, wenn wir gleichzeitig eine Realität haben, wo Leute viel mehr sagen, als sie eigentlich dürften, und nichts passiert", fragte die Rechtswissenschaftlerin einigermaßen verwundert.

Verwendete Quellen
  • zdf.de: "Markus Lanz" vom 24. Juli 2024
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