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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Drohendes Stromdesaster Blackout – Von diesem Moment an wird es brenzlig
Ein internes Papier der Berufsfeuerwehren beschreibt in sechs Phasen, wie sich ein flächendeckender, langer Stromausfall auswirkt. Und ab welchem Moment es gefährlich wird.
Was passiert, wenn wichtige Systeme einer kritischen Infrastruktur ausfallen, konnten Bahnreisende am vorvergangenen Wochenende erleben. Weil Unbekannte Kabel durchtrennten, die wichtig für die Kommunikation der Deutschen Bahn sind, fiel in großen Teilen Norddeutschlands am Samstag der Bahnverkehr für mehrere Stunden aus.
Doch was passiert, wenn bundesweit der Strom ausfällt? Bereits 2015 hat die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren ein Arbeitspapier entwickelt, in dem der zeitliche Ablauf eines solchen Blackouts beschrieben wird. Bis heute dient das Papier, das t-online vorliegt, als Grundlage für die Krisenszenarien vieler kommunaler Unternehmen.
Sechs Phasen des Stromausfalls und seiner Folgen werden darin beschrieben:
1. Die ersten zehn Minuten
Diese Phase ist noch relativ ruhig. Es gibt erste Meldungen und Nachfragen von Privatpersonen und Institutionen, die darauf hinweisen, dass es ein Problem gibt. Auch kommt es zu ersten Einschränkungen bei der öffentlichen Telekommunikation, weil das Mobilfunk- und Festnetz in Teilen ausfällt. Das bedeutet auch, dass die Kommunikation zwischen den Einrichtungen, die sich um die Gefahrenabwehr kümmern (Polizei, Feuerwehr etc.) gestört ist. Aus steckengebliebenen Fahrstühlen kommen erste Hilferufe.
2. Von zehn Minuten bis zu einer Stunde
Als Folge von Betriebsstörungen werden automatisch viele Brandmeldeanlagen ausgelöst. Der öffentliche Mobilfunk bricht zusammen, weil viele Menschen versuchen, Termine zu verschieben. Im öffentlichen Personennahverkehr kommt es bei Verkehrsmitteln mit Elektroantrieb zu Störungen. Auf den Straßen kommt es zum Chaos, weil Ampeln ausfallen – und weil sich noch mehr Menschen angesichts ausfallender U- und S-Bahnen ins Auto setzen.
3. Von einer bis zwei Stunden
Bei der Versorgung von Patienten im privaten Umfeld, die auf mit Strom angetriebene Hilfsgeräte wie Beatmungsmaschinen, Sauerstoff- oder Dialysegeräte angewiesen sind, kommt es zu Problemen und einer Häufung von Hilferufen. Je nachdem, wie warm oder kalt es ist, macht sich der Ausfall von Heizungen und Klimaanlagen bemerkbar.
4. Von zwei bis acht Stunden
Die Zahl der Hilferufe von unterversorgten Patienten nimmt weiter zu. Der digitale BOS-Funk, ein nicht öffentlicher UKW-Funkdienst, den Behörden mit Sicherheitsaufgaben in Österreich und Deutschland sowie die Bundeswehr verwenden, fällt aus, weil der Akku der Basisstationen leer ist. Die öffentliche Telekommunikation bricht zusammen, es kommt zu einem Totalausfall der Infrastruktur für Mobil- und Netztelefonie. Das heißt auch, dass Behörden diese Techniken nicht mehr für die Kommunikation untereinander zwecks Gefahrenabwehr nutzen können.
Der Ausfall der strombetriebenen Wasserversorgung wird spürbar. In der Massentierhaltung kommt es zu ersten Problemen, etwa bei strombetriebenen Melk- und Kühlungsanlagen.
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5. Von acht bis 72 Stunden
Nun fallen Gefahrenmelde- und Brandmeldeanlagen aus. Zugleich kommt es zu ersten Bränden und Schäden, weil Menschen versuchen, den Stromausfall zu kompensieren, indem sie unsachgemäß Feuer machen. Weil an Tankstellen kein Benzin mehr gezapft werden kann, bleiben die ersten Autos liegen. In der Massentierhaltung gibt es langsam massive Probleme. Die lokalen Katastrophenschutzhelfer sind ohne Unterlass im Einsatz. Bei der Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln kommt es zu ersten Engpässen.
6. Über 72 Stunden
Die Versorgungsengpässe bei Gütern des täglichen Bedarfs nehmen massive Ausmaße an, auch bei Haushalten, die eine Notreserve angelegt haben. Der Katastrophenschutz hat keine Ressourcen mehr, er muss überregional Hilfe anfordern. Viele öffentliche Dienstleistungen sind nicht mehr verfügbar. Eine Destabilisierung gesellschaftlicher Strukturen ist die Folge.
Nicht einzeln aufgelistet sind in dem Szenario die Auswirkungen eines Stromausfalls auf die Polizeibehörden. Allerdings steht in dem Papier, dass die angenommenen Folgen wie Diebstähle, Einbrüche, Plünderungen "die polizeilichen Ressourcen parallel erheblich binden" würden.
Das Szenario setzt voraus, dass es zu einem flächendeckenden Stromausfall kommt. Lokale Stromausfälle, auch für einen längeren Zeitraum, gibt es immer wieder, sie sind kein Grund zur Panik. So mussten in Berlin im vergangenen Januar rund 90.000 Haushalte nach einem Stromausfall stundenlang ohne Heizung und Warmwasser auskommen. Kritisch würde es, wenn der Strom im gesamten Bundesgebiet länger als ein paar Stunden ausfallen würde.
- Internes Papier der Berufsfeuerwehren zu den Auswirkungen eines Stromausfalls auf KRITIS (Kritische Infrastrukturen)
- Eigene Recherchen