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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Laschet und die CDU nach der Wahl Der Anfang vom Ende?
Armin Laschet kämpft um eine Jamaika-Koalition, doch plötzlich reduziert er dabei seine Lautstärke. Kommt er so ins Kanzleramt oder ins politische Aus?
Bereits am Wahlabend ist man sich im Stammlokal von Armin Laschet nicht mehr ganz sicher, ob die Sache für den CDU-Chef noch gut ausgeht. Zwar schüttelt Joannis Bitzakis am Sonntag gegen 21.45 Uhr entschieden mit dem Kopf, als eine Frau ruft: "Unser nächster Kanzler heißt Olaf Scholz." Doch dann widerspricht der Besitzer der Taverne "Lakis" nicht, er sagt nur: "Alles noch offen."
Der Wirt, bei dem Laschet gern sein Bifteki holt, wenn er in seiner Heimat Aachen ist, hat "natürlich für ihn gestimmt", wie er sagt. Aber Joannis Bitzakis weiß eben auch, dass es ihm zu wenige gleichgetan haben, um rasch für klare Verhältnisse zu sorgen.
Eines wird aber klar: Bitzakis könnte bald dieses besondere Bild von Laschet in seinem Restaurant aufhängen. Der Politiker hat ihm schon vor Längerem vorgeschlagen, doch mal ein Foto von beiden an die Wand zu schrauben. Damals erwiderte Bitzakis noch: "Das Foto gibt’s erst, wenn Du Bundeskanzler bist." Immerhin hat er sich jetzt einen Platz dafür ausgeguckt.
Je flinker wir handeln, desto besser?
Hängt bald das Bild von Laschet und dem griechischen Wirt in der Taverne in Aachen? Wird Laschet Kanzler? Die Union erlebte mit ihm ein historisches Debakel bei der Bundestagswahl: Nur 24,1 Prozent der Wähler stimmten für CDU und CSU. Laschet will trotzdem ins Kanzleramt, er sucht nur in diesen Stunden noch die richtige Lautstärke, um erfolgreich zu sein.
Seine einzige Machtoption ist eine Jamaika-Koalition, also klammert sich Laschet daran, als wäre es die letzte Liane, die einen vor dem Morast rettet. Um dieses Bündnis schnell anzubahnen, sagte er noch am Wahlabend: "Deshalb werden wir alles daransetzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden." Es war der Versuch einer Flucht nach vorn, Laschet wollte, dass alles sehr schnell geht. Je flinker wir verhandeln, desto eher können wir uns vor der SPD bereits mit Grünen und FDP einigen, das war das Kalkül.
Doch seine Partei will ihm dabei nicht folgen. Am Montagmorgen wird Laschet seine Aussage zur CDU-Regierungsbildung im Präsidium und Vorstand um die Ohren gehauen: Viele einflussreiche Parteifreunde sind erst mal entrüstet über das Debakel der Wahl, da könne es nicht einfach so weitergehen.
Nix mit flinker Regierungsbildung
Karl-Josef Laumann, der als CDU-Gesundheitsminister in Laschets Kabinett in NRW sitzt, sagte Medienberichten zufolge: "Die Agentur war schlecht. Der Kandidat auch, wenn man verliert. Das war schon immer so. Ganz einfach." Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte laut "Spiegel": "Jeder muss mal in seinem stillen Kämmerlein überlegen, was er positiv und negativ beigetragen hat." Und Markus Söder erklärt im CSU-Vorstand offenbar, es sei ein "enttäuschendes Ergebnis und es ist natürlich eine Niederlage", man dürfe "nicht zur Tagesordnung übergehen." Dieser Montagmorgen war ein Scherbengericht.
Laschet muss am Montagmittag dämmern, dass er mit seiner bisherigen Strategie nicht weiterkommt: Die Überrumpelungstaktik, schnell eine Regierung zu bilden, geht offenbar nicht auf. Zumal Grünen-Chef Robert Habeck da bereits verkündet, eine Ampelkoalition ohne die Union sei für die Grünen "die naheliegendste Option". Dies schließe jedoch nicht aus, auch mit der Union zu sprechen. Aber vorher verhandeln erst mal Grüne gemeinsam mit der FDP. Nix mit flinker Regierungsbildung, erst mal langsam.
Laschet ändert daraufhin am Montagnachmittag seinen Kurs: Als er zur Pressekonferenz kommt, schlägt er deutlich zurückhaltendere Töne als noch am Wahlabend vor etwa 18 Stunden an. Das Ergebnis "kann, darf und wird" die Union nicht zufriedenstellen, erklärt Laschet. Und er äußerte sogar Selbstkritik: "Natürlich weiß ich, dass ich auch meinen persönlichen Anteil an diesem Wahlergebnis habe." Doch trotzdem sei man sich im Vorstand und Präsidium der CDU einig geworden, "dass wir zu Gesprächen für eine sogenannte Jamaika-Koalition bereitstehen". Und mit einem Seitenhieb auf Olaf Scholz machte Laschet klar, dass auch die SPD nicht naturgemäß beauftragt sei, eine Bundesregierung zu bilden.
Es ist ein heikles Taktieren mit der Macht
Laschet versucht mit seinen zarteren Tönen alles, um doch noch die Jamaika-Koalition zu retten. Er signalisiert so in die Partei hinein: Ich habe verstanden, es war ein mieses Ergebnis, wir werden das aufarbeiten. Gleichzeitig weiß Laschet, dass viele der Parteifunktionäre unbedingt regieren wollen. Auf deren Rückhalt setzt Laschet. Mögliche künftige Minister werden nicht den Mann absägen, der sie überhaupt an den Kabinettstisch tragen kann. Und er hofft, dass sich FDP und Grüne doch noch irgendwie in Richtung der Union bewegen.
Es ist eine riskante Strategie von Laschet, aber: Er hat keine Wahl. Auf sanftem Weg zu Jamaika oder ins politische Aus, das sind seine zwei einzigen Möglichkeiten.
Wie problematisch sein Spagat zwischen dem "Ich habe verstanden" und "Ich will trotzdem regieren" ist, könnte sich bereits am morgigen Dienstag zeigen: Dann wählt die Fraktion einen neuen Chef, bislang heißt der Vorsitzende Ralph Brinkhaus. Der würde gern auch wieder für ein Jahr gewählt werden, wie er der "Welt" zufolge am Morgen der CDU-Führungsmannschaft erklärte. Laschet möchte, dass Brinkhaus nur kommissarisch im Amt bleibt — weil er eventuell selbst den Posten beanspruchen könnte. Es ist ein heikles Taktieren um die Macht, das Laschet in diesen Tagen in Berlin vollzieht. Und der Ausgang ist noch völlig offen.
Nochmal zurück nach Aachen, wo am Montagmittag Annika Fohn in einem Büroraum der örtlichen CDU sitzt. Die 34-Jährige sieht müde aus. Fohn ist Vize-Chefin des Kreisverbands Aachen, Laschets Heimatort. Sie hat den Wahlkampf mitorganisiert und sagt: "Natürlich freut uns die gelungene Aufholjagd. Aber 25 Prozent sind nicht der Anspruch." Man müsse jetzt analysieren und Konsequenzen ziehen, eine personelle Erneuerung sei aber schwierig. Deutlicher will sie nicht werden. In seiner Heimat hält man zu Laschet, trotz des miserablen Wahlergebnisses, zumindest noch.
Während Fohn sich noch abwägend äußert, ist man im benachbarten Rheinland-Pfalz schon weiter. Die CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth twitterte am Montagnachmittag: "Armin Laschet, wenden Sie weiteren Schaden von der CDU ab und treten Sie zurück." Wie auch immer Laschet weiterverhandeln will, eines ist sicher: Der Druck steigt.
- Eigene Recherche und Beobachtungen in Berlin und Aachen