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TV-Kritik zu „hart aber fair“: „Beißhemmung am laufenden Band“


TV-Kritik zu "hart aber fair"
"Beißhemmung am laufenden Band"

t-online, David Heisig

05.09.2017Lesedauer: 4 Min.
Die Runde bei "hart aber fair" am Montagabend: v.l. Thomas Oppermann (SPD), Schauspieler Walter Sittler, YouTuberin Lisa Sophie, Ex-BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb und Julia Klöckner (CDU).Vergrößern des Bildes
Die Runde bei "hart aber fair" am Montagabend: v.l. Thomas Oppermann (SPD), Schauspieler Walter Sittler, YouTuberin Lisa Sophie, Ex-BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb und Julia Klöckner (CDU). (Quelle: imago-images-bilder)

Am TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz konnte Frank Plasberg mit seinen Gästen nicht vorbei. Hätte er es mal besser getan.

Die Gäste

  • Lisa Sophie, Studentin und YouTube-Star
  • Julia Klöckner (CDU), stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende
  • Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender
  • Walter Sittler, Schauspieler
  • Sigmund Gottlieb, Ex-Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks

Die Fronten

Eines schien nach den noch frischen Eindrücken des TV-Duells vom Vorabend zu erahnen zu sein: Plasberg würde die nicht gezogenen Pistolen der beiden Spitzenpolitiker auch nicht finden. Seine Ausgangsfrage zumindest war klar: Hat Schulz die Wende geschafft oder sich „Angela die Ewige“ (wie es auf der Internetseite der Sendung hieß) den „kleinen Partner“ herangezogen? Zwei Lager bei Plasberg offenbarten schnell, wohin die Reise gehen würde. Nämlich durch von den jeweiligen Wahlkampfmodi gezeichnete Politiklandschaften. Was sollten Klöckner und Oppermann auch anderes tun, als die jeweiligen Parteifreunde zum Sieger zu erklären? Schulz habe „klar gepunktet“, Merkel sei „ohne Plan“ aufgetreten, formulierte der SPD-Mann. Zu solch einer These gehöre Mut, konterte Klöckner.

Kern der Diskussion

Klar, dass Oppermann das aufs Tapet brachte, wo er seinen Chef vermeintlich punkten sah: in der klaren Position zur Türkei. „Da musste die Kanzlerin erstmal schlucken“, so Oppermann selbstsicher. Schulz habe die Route bestimmt, Merkel nur reagiert. „Was haben die Zuschauer dann falsch gesehen“, fragte Plasberg entwaffnend. SPD-Betriebsfernsehen? Die Merkel-Fans könne man ohnehin nicht mehr holen, so Oppermann. Seiner Partei gehe es um die 50% Unentschlossenen. Außerdem habe die Uni Freiburg in einer Analyse mit 20.000 Teilnehmern Schulz als Sieger des Duells errechnet. Anders als ARD und ZDF nach der Sendung. Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, mag sich mancher Zuschauer da gedacht haben. Schulz sei „redlich bemüht“ gewesen, so Gottlieb. „Er hat Beißhemmung am laufenden Band“, urteilte der Journalist über den Kuschelkurs des Sozialdemokraten. Da konnte Oppermann nur gegenlächeln. Ebenso schwer oder einfach, wie man es nimmt, hatte es Klöckner. Rente? Türkei? Hier habe eindeutig die Kanzlerin gepunktet. Sie stehe für Kontinuität.

Aufreger des Abends

Für das kleine bisschen Spannung sorgte Gottlieb, der relativ schnell offenbarte, wes politischen Geistes Kind er ist, auch wenn er es durch eine neutrale Analyse zu übermalen suchte. Merkel habe Schulz mit Besonnenheit „vom Baum runtergeholt“. Die SPD solle in die Opposition gehen, weg von den „Fleischtöpfen der Macht“, um sich neu aufzustellen, Oppermann konterte, das sei auch eine Option für die Union, um die „heimatlosen Konservativen“ zu integrieren. Klöckner holte Seite 100 des SPD-Wahlprogramms raus, um Schulz Türkei-Ansatz als Kehrtwende zu entlarven. Ansonsten das übliche Geplänkel: Klöckner versuchte, Oppermann zu einer Koalitionsaussage zur Rot-Rot-Grün zu bewegen. Der betonte, dass viele Erfolge, derer sich Merkel rühme auf der Agenda 2010 von Altkanzler Gerhard Schröder beruhten. Den man jetzt in der SPD nicht mehr haben wolle, unkte Gottlieb.

Tief- und Höhepunkte des Abends

Gab es keine. Eher vertane Chancen. Lisa Sophie zum Beispiel. Repräsentierte sie doch die große Wählergruppe, deren Kernthemen im Duell nicht angesprochen wurden: Junge Leute, denen Digitalisierung, Bildung und Energiewende unter den Nägeln brennt. Ansprechen konnte sie das, wurde von Gottlieb und Plasberg auch ein wenig getätschelt. Bei den Großen mitspielen durfte sie indes nicht. Zumal sie – vielleicht unfreiwillig – das Klischee vom politischen Desinteresse der Jugend selbst bediente: Bei der letzten Bundestagswahl habe sie nicht gewählt, weil sie an dem Tag umgezogen sei. Wohl noch nichts von der guten, alten, analogen Briefwahl gehört. Auch Sittler wäre eine Chance gewesen. Mit seinem Ansatz, Schulz müsse sich mehr auf das SPD-Thema der sozialen Gerechtigkeit fokussieren. Oder der Idee, Demokratie wieder spannend zu machen, in dem man Ämter zeitlich beschränke, so Wechsel forciere. Diese Diskussion kam nicht über die Quintessenz hinaus, dass eigentlich keiner die GroKo mehr will.

Plasberg-Moment

Plasberg hatte gute Laune, war entspannt, versuchte die Gäste zu kitzeln. Etwa als er Oppermann in Anspielung auf die SPD-Wahlwerbung vom Kanzlerformat fragte, wo der das bei Schulz im Duell gesehen habe. Oppermann konnte sich nur auf seinen Wahlkampfmodus zurückziehen und die Souveränität seines Chefs loben. Auch blitzte im Dialog mit Gottlieb durch, dass Plasberg ein anderes Verständnis journalistischer Arbeit hat. „Lassen wir das Gockelhafte“, kanzelte er Gottlieb ab, als dieser sich zu sehr angegriffen sah. Indes befeuerte Plasberg keine Diskussion. Im Gegenteil: wollten Klöckner und Oppermann sich mal Paroli bieten, ging er dazwischen und gemahnte des eigentlichen Themas. Schade, denn das macht die Sendung lahm.

Was schade war

Es ist wie in der Bundesliga der letzten Jahre: der Kampf um die UEFA-Pokal-Plätze ist spannender als der um die Meisterschale. Plasberg hätte vielleicht besser daran getan, den Schwung des Fünfkampfs der kleinen Parteien, den das Erste vor seiner Sendung ausstrahlte, mitzunehmen. Anstatt das Gekicke der zwar großen Namen, aber ohne viele Tormöglichkeiten wiederzukäuen. Bei vielem, was die, die da an den politischen Rändern fischen von sich geben, mag einem zwar das Abendessen hochkommen. Es steckt aber ein wenig Reiberei drin. „Es gibt noch Leidenschaft in der Politik“, wie es Plasberg selbst mit Blick auf die Sendung vorher formulierte. Denn eines ist unbestritten: bei FDP, B`90/Die Grünen, der Linken, der AfD und Co. geht es noch um was. Von Platz drei bis Abstieg ist alles drin. Die Sozis verpassen höchstens den Einzug nach Europa. So gewann der Zuschauer nach – verkürzten – 60 Minuten Hart aber fair keine neuen Erkenntnisse. Da war nix mit Leidenschaft.

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