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Sachsen-Anhalt: Wahlen sind hier wie Wanderdünen


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Erkenntnisse zu Sachsen-Anhalt
Belohnung oder Bestrafung? Hier gehen die Wähler härter vor

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

07.06.2021Lesedauer: 3 Min.
Rainer Haseloff: Der CDU-Politiker hat die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gewonnen.Vergrößern des Bildes
Rainer Haseloff: Der CDU-Politiker hat die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gewonnen. (Quelle: dpa)
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Die CDU hat einen erstaunlichen Wahlsieg errungen. Rainer Haseloff scheint darüber selbst verblüfft. Vor allem weil die Wähler in Sachsen-Anhalt meist nach dem Prinzip Belohnung und Bestrafung agieren.

Sachsen-Anhalt ist eine Wundertüte. Nie weiß man, was herauskommt, wenn dieses kleine Land mitten in Deutschland wählt. Die Wähler gehen härter als anderswo nach dem Prinzip Belohnung und Bestrafung vor. Nie kann der Ministerpräsident sicher sein, ob er abstürzt oder hochschießt. Es war kein Zufall, dass Reiner Haseloff nach seinem Wahlsieg eher ermattet als glücklich aussah. Wie einer, der das Schlimmste befürchtet hatte und jetzt fürs Freuen zu erschöpft ist.

Alle Parteien, von SPD über Grüne bis zur Linken und AfD, haben Wähler an die CDU abgetreten. So wurde dieser gärige Haufen aus rund 6.000 Christdemokraten, in dem nicht wenige Parteifreunde von der Versöhnung des Sozialen mit dem Nationalen faseln und von der AfD mit bloßem Auge nicht zu unterscheiden sind, fast in die hohe Sphäre einer Volkspartei katapultiert. Paradoxer sind Wahlen selten.

Misstrauen zwischen Politik und Bevölkerung

Der Westen schaut vor Landtagswahlen immer mit großen Augen auf den Osten und erwartet Übles. Die Mutmaßungen, die er anstellt, sind selten erhellend. Regelmäßig enden sie in Trauerbekundung über das Demokratiedefizit als Erbmasse der DDR. Teile der Ostbevölkerung seien für die Demokratie verloren, meinte kurz vor der Wahl Marco Wanderwitz, den die Bundesregierung als Ostbeauftragten angestellt hat.

Wanderwitz könnte es wissen, er stammt aus Chemnitz. Er gehört der CDU an. Hat er recht? Eigentlich nicht, sofern man diese Wahl ernst nimmt, bei welcher der Abstand zur AfD auf rund 16 Prozentpunkte angewachsen ist. Interessant ist aber, wie viel Misstrauen die Exponenten der Regierungspartei CDU dem Wahlvolk entgegenbringen.

Prozentuale Stimmenverteilung quer; width: 100%; height: 585px; border: 0;

Sie trauen ihm alles zu. Sie haben Erfahrung mit ihm. Die Botschaft der Wähler ist fast immer: In uns habt ihr niemanden, auf den ihr bauen könnt. Warum ist das so? Versuch einer Annäherung in drei Punkten.

1. Wahlen in Sachsen-Anhalt sind wie Wanderdünen. Wohin sie wandern, weiß niemand.

Die Wählerbindung im Osten war von Anfang an schwach ausgeprägt. Am Anfang versprachen sich die Wähler am meisten von der CDU und Kanzler Kohl. Also wählten sie in der Nachwendezeit zweimal hintereinander dessen Statthalter. Als die Arbeitslosigkeit explodierte, kam die SPD ans Regieren, die auch bald bestraft wurde. Nun blühte die Linke als Kummerkasten für die Zukurzgekommenen aus der untergegangenen DDR auf, die sich alles anders vorgestellt hatten. Nach dieser Phase war die AfD an der Reihe. Sie ist der rechte Kummerkasten für das große Dagegen und redet fast genauso einfühlsam über das Leid des Ostens wie die nutzlos gewordene Linke.

2. Gute wirtschaftliche Entwicklung

Betrachtet man das Wahlergebnis neutral, könnte man meinen, dass die Regierung Haseloff für gute Arbeit belohnt worden ist. Gründe dafür gibt es genug: Im Jahr 2005 lag die Arbeitslosigkeit bei erbarmungswürdigen 20,2 Prozent, heute bei 7,5 wie in Nordrhein-Westfalen. Außerdem hat das kleine Land seit dem vergangenen Jahr die beste Wirtschaftsentwicklung unter sämtlichen Bundesländern genommen. Ökonomisch steht es mit seinen rund 2,2 Millionen Einwohnern erstaunlich gut da. Allerdings ging es im Wahlkampf nicht um Fakten. Es ging zuerst und zuletzt um die AfD und das hochambivalente Verhältnis der CDU zu ihr.

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3. Die Daheimgebliebenen errichten Mauern

Zu den viel zitierten Brüchen und Frakturen, die in Sachsen-Anhalt zu besichtigen sind, gehört das Schrumpfen. Im Jahr 1990 lebten laut Eurostat noch 2,965 Millionen Menschen hier. Seither sind um die 700.000 weggegangen, in den Westen, wohin denn sonst. Ein Schwund, der sich zwangsläufig sozial und mental auswirkt. Wenn die Beweglichen, die keine Angst vor Neuanfängen haben, einfach aufbrechen, müssen sich die Daheimgebliebenen zumindest vor sich selbst rechtfertigen. Sie errichten dann Mauern: gegen die Elite aus dem Westen, gegen die EU, gegen Ausländer und Flüchtlinge. Am Mauerbau beteiligt sich vorneweg die AfD, aber auch Teile der Linken und der CDU mischen mit.

Als Stimmungstest für die Bundestagswahl taugt Sachsen-Anhalt nicht besonders gut. Dafür ist das Land zu klein und nicht bedeutsam genug. Dennoch wird es ein paar Tage lang zum Symbol hochgeredet werden, so ist das nun mal. Dann kommen die Ferien und danach wird er losgehen, der Kampf für eine Bundestagswahl mit großen Besonderheiten.

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